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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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Ich sah diese Stimmung voraus, als Frankreich mir die Kaiserwürde über¬
trug, und deshalb trug ich Sorge, wiederholt und feierlich zu erklären, "daß
das Kaiserreich der Friede sei." Auch bin ich diesem Wahlspruch treu geblie¬
ben; denn der einzige Krieg, den ich seitdem unternahm, und der unvermeid¬
lich und von ganz Europa als gerecht anerkannt war --der russische -- wurde
durch mich, fast wider den Willen meines Verbündeten, so rasch als immer
möglich beendet, und zwar ohne daß ich für mich selbst oder Frankreich den
mindesten Vortheil ausbedang. Aber es hilft nichts. An meinem Namen,
so stolz ich auf ihn bin, hängt der Fluch des Mißtrauens, um nicht zu sagen,
abergläubischer Furcht, und ich werde mich noch mehr als einmal großmüthig
zeigen müssen, um dieses Mißtrauen, dem ganz besonders die Deutschen sich
hingeben, einigermaßen zu entkräften. Im jetzigen Falle meinen sie, daß ich
in Italien die französische Fremdherrschaft um die Stelle der östreichischen setzen
und dann, nach Oestreichs Besiegung, meine Hand nach dem linken Rheinufer
ausstrecken wolle. Sie drohen, dem durch einen Angriff gegen Frankreich zu¬
vorzukommen. Aber sie beachten dabei zweierlei nicht: erstlich, daß dies, wie
schon bemerkt, von meiner Seite eine Kriegserklärung gegen ganz Europa und
ein politischer Selbstmord sein würde; -- und zweitens, daß der Angriff der
Deutschen gegen Frankreich auch gar leicht mißlingen kann, und daß dann
gerade das eintreten konnte, was sie jetzt ohne Grund befürchten, nämlich der
Verlust des linken Rheinufers, das ich in diesem Falle als Sieger nach Kriegs-
recht behalten dürfte. Trotz alledem herrscht in Deutschland, besonders im
südlichen, eine außerordentliche Erbitterung gegen die Franzosen, und Oestreich
sucht natürlich diese Manie durch alle Mittel, die ihm zu Gebote stehen, zu
schüren und zu verbreiten. Zwar hat Preußen bis jetzt, geleitet durch eine
weisere Politik und durch die alte Nebenbuhlerschaft zwischen diesen beiden
Großmächten, sich besonnener und zurückhaltender gezeigt, und ihm allein ver¬
danken wir, daß der Sturm nicht schon ausgebrochen. Allein die Sache hängt
an einem sehr schwachen Faden, der jeden Augenblick zerreißen kann, und dann
haben wir den europäischen Krieg mit allen seinen Uebeln und allen seinen
Gefahren für Frankreich, für Sie und für mich selbst. Es ist nicht anzunehmen,
daß Preußen noch lange dem Andrang der öffentlichen Meinung in Deutsch¬
land, die durchaus in dem italienischen Krieg eine Angelegenheit des deutschen
Bundes sehen will, Widerstand leisten wird. Bereits hat es ihr nachgegeben
bis zur Mobilmachung, und es bedarf nur noch einer Kleinigkeit, eines Zufalles,
eines Mißverständnisses, eines Miuisterwcchscls, so bricht der Funke zur hellen
Feuersbrunst aus, und zwar um so gewisser, da gerade die gerechte Eifersucht,
womit Preußen den überwiegenden Einfluß Oestreichs im deutschen Bunde be¬
wacht und durch den seinigen zu überflügeln sucht, es bestimmen müßte, sein
Ansehen in diesem Bunde nicht durch einen allzulange" Widerstand gegen die


Ich sah diese Stimmung voraus, als Frankreich mir die Kaiserwürde über¬
trug, und deshalb trug ich Sorge, wiederholt und feierlich zu erklären, „daß
das Kaiserreich der Friede sei." Auch bin ich diesem Wahlspruch treu geblie¬
ben; denn der einzige Krieg, den ich seitdem unternahm, und der unvermeid¬
lich und von ganz Europa als gerecht anerkannt war —der russische — wurde
durch mich, fast wider den Willen meines Verbündeten, so rasch als immer
möglich beendet, und zwar ohne daß ich für mich selbst oder Frankreich den
mindesten Vortheil ausbedang. Aber es hilft nichts. An meinem Namen,
so stolz ich auf ihn bin, hängt der Fluch des Mißtrauens, um nicht zu sagen,
abergläubischer Furcht, und ich werde mich noch mehr als einmal großmüthig
zeigen müssen, um dieses Mißtrauen, dem ganz besonders die Deutschen sich
hingeben, einigermaßen zu entkräften. Im jetzigen Falle meinen sie, daß ich
in Italien die französische Fremdherrschaft um die Stelle der östreichischen setzen
und dann, nach Oestreichs Besiegung, meine Hand nach dem linken Rheinufer
ausstrecken wolle. Sie drohen, dem durch einen Angriff gegen Frankreich zu¬
vorzukommen. Aber sie beachten dabei zweierlei nicht: erstlich, daß dies, wie
schon bemerkt, von meiner Seite eine Kriegserklärung gegen ganz Europa und
ein politischer Selbstmord sein würde; — und zweitens, daß der Angriff der
Deutschen gegen Frankreich auch gar leicht mißlingen kann, und daß dann
gerade das eintreten konnte, was sie jetzt ohne Grund befürchten, nämlich der
Verlust des linken Rheinufers, das ich in diesem Falle als Sieger nach Kriegs-
recht behalten dürfte. Trotz alledem herrscht in Deutschland, besonders im
südlichen, eine außerordentliche Erbitterung gegen die Franzosen, und Oestreich
sucht natürlich diese Manie durch alle Mittel, die ihm zu Gebote stehen, zu
schüren und zu verbreiten. Zwar hat Preußen bis jetzt, geleitet durch eine
weisere Politik und durch die alte Nebenbuhlerschaft zwischen diesen beiden
Großmächten, sich besonnener und zurückhaltender gezeigt, und ihm allein ver¬
danken wir, daß der Sturm nicht schon ausgebrochen. Allein die Sache hängt
an einem sehr schwachen Faden, der jeden Augenblick zerreißen kann, und dann
haben wir den europäischen Krieg mit allen seinen Uebeln und allen seinen
Gefahren für Frankreich, für Sie und für mich selbst. Es ist nicht anzunehmen,
daß Preußen noch lange dem Andrang der öffentlichen Meinung in Deutsch¬
land, die durchaus in dem italienischen Krieg eine Angelegenheit des deutschen
Bundes sehen will, Widerstand leisten wird. Bereits hat es ihr nachgegeben
bis zur Mobilmachung, und es bedarf nur noch einer Kleinigkeit, eines Zufalles,
eines Mißverständnisses, eines Miuisterwcchscls, so bricht der Funke zur hellen
Feuersbrunst aus, und zwar um so gewisser, da gerade die gerechte Eifersucht,
womit Preußen den überwiegenden Einfluß Oestreichs im deutschen Bunde be¬
wacht und durch den seinigen zu überflügeln sucht, es bestimmen müßte, sein
Ansehen in diesem Bunde nicht durch einen allzulange» Widerstand gegen die


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[0257] Ich sah diese Stimmung voraus, als Frankreich mir die Kaiserwürde über¬ trug, und deshalb trug ich Sorge, wiederholt und feierlich zu erklären, „daß das Kaiserreich der Friede sei." Auch bin ich diesem Wahlspruch treu geblie¬ ben; denn der einzige Krieg, den ich seitdem unternahm, und der unvermeid¬ lich und von ganz Europa als gerecht anerkannt war —der russische — wurde durch mich, fast wider den Willen meines Verbündeten, so rasch als immer möglich beendet, und zwar ohne daß ich für mich selbst oder Frankreich den mindesten Vortheil ausbedang. Aber es hilft nichts. An meinem Namen, so stolz ich auf ihn bin, hängt der Fluch des Mißtrauens, um nicht zu sagen, abergläubischer Furcht, und ich werde mich noch mehr als einmal großmüthig zeigen müssen, um dieses Mißtrauen, dem ganz besonders die Deutschen sich hingeben, einigermaßen zu entkräften. Im jetzigen Falle meinen sie, daß ich in Italien die französische Fremdherrschaft um die Stelle der östreichischen setzen und dann, nach Oestreichs Besiegung, meine Hand nach dem linken Rheinufer ausstrecken wolle. Sie drohen, dem durch einen Angriff gegen Frankreich zu¬ vorzukommen. Aber sie beachten dabei zweierlei nicht: erstlich, daß dies, wie schon bemerkt, von meiner Seite eine Kriegserklärung gegen ganz Europa und ein politischer Selbstmord sein würde; — und zweitens, daß der Angriff der Deutschen gegen Frankreich auch gar leicht mißlingen kann, und daß dann gerade das eintreten konnte, was sie jetzt ohne Grund befürchten, nämlich der Verlust des linken Rheinufers, das ich in diesem Falle als Sieger nach Kriegs- recht behalten dürfte. Trotz alledem herrscht in Deutschland, besonders im südlichen, eine außerordentliche Erbitterung gegen die Franzosen, und Oestreich sucht natürlich diese Manie durch alle Mittel, die ihm zu Gebote stehen, zu schüren und zu verbreiten. Zwar hat Preußen bis jetzt, geleitet durch eine weisere Politik und durch die alte Nebenbuhlerschaft zwischen diesen beiden Großmächten, sich besonnener und zurückhaltender gezeigt, und ihm allein ver¬ danken wir, daß der Sturm nicht schon ausgebrochen. Allein die Sache hängt an einem sehr schwachen Faden, der jeden Augenblick zerreißen kann, und dann haben wir den europäischen Krieg mit allen seinen Uebeln und allen seinen Gefahren für Frankreich, für Sie und für mich selbst. Es ist nicht anzunehmen, daß Preußen noch lange dem Andrang der öffentlichen Meinung in Deutsch¬ land, die durchaus in dem italienischen Krieg eine Angelegenheit des deutschen Bundes sehen will, Widerstand leisten wird. Bereits hat es ihr nachgegeben bis zur Mobilmachung, und es bedarf nur noch einer Kleinigkeit, eines Zufalles, eines Mißverständnisses, eines Miuisterwcchscls, so bricht der Funke zur hellen Feuersbrunst aus, und zwar um so gewisser, da gerade die gerechte Eifersucht, womit Preußen den überwiegenden Einfluß Oestreichs im deutschen Bunde be¬ wacht und durch den seinigen zu überflügeln sucht, es bestimmen müßte, sein Ansehen in diesem Bunde nicht durch einen allzulange» Widerstand gegen die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/257>, abgerufen am 23.07.2024.