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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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reden, das im Begriff ist, von meiner Flotte bombardirt, vielleicht in Trüm¬
mer gelegt zu werden. Welches Blutvergießen, welche Verwüstung! Und diese
Städte, die wir zerstören müßten, sind italienische Städte, sie gehören dem
Lande an, dem wir Freiheit und Glück bringen wollen! Diese Städte, deren
Bewohner von heißem Eifer für unsere Sache glühen, sollen zertrümmert werden
von ihren Freunden, nachdem sie so lange unter dem Joch ihrer Feinde ge¬
seufzt! Ich gestehe, daß dieser Gedanke mich schaudern macht.

V. E. Ich theile vollkommen diese Ansichten und Gefühle; aber dies
Alles war vor dem Beginn des Krieges vorauszusehen. Jeder Krieg führt
zu Schlachten, zu Belagerungen, zu Verwüstungen. Jeder Krieg ist ein sünd-
licher Gräuel, wenn er unnöthig ist. Aber dieser Krieg war nöthig, um
Italien zu befreien, und ihn, nachdem schon so viele Opfer gebracht sind,
muthlos aufzugeben, ehe-das große Ziel erreicht ist, wie sollte das sich recht¬
fertigen?

N. Von einem solchen Aufgeben ist keine Rede. Ich habe schon gesagt,
daß das Ziel erreicht werden soll und zwar vollständig, nur auf andere Weise.
Gedulden sich Ew. Majestät bis Sie meinen Plan erfahren, was sogleich ge¬
schehen soll, nachdem ich noch einige weitere Blicke auf die Gefahren unserer
jet/igen Lage geworfen. Wir haben noch zwei, vielleicht drei.heiße Sommer¬
monate vor uns; denn wir sind erst zu Anfang Juli. Die Niederungen des
Mincio sind ungesund, vor allen die Umgebungen von Mantua. Krankheiten
zeigen sich bereits in unsern Heeren, und bei fortgesetzten Anstrengungen und
Entbehrungen werden sie mehr und mehr um sich greifen und uns vielleicht
größern Schaden zufügen als der Feind. Aber noch mehr. Sehen Sie nicht
das Ungewitter, das sich in Deutschland gegen uns zusammenzieht? Die
Deutschen mißtrauen mir und sind in großer und bedenklicher Aufregung. Da
ich Napoleon heiße, so wittern sie, wenn ich mich nur irgend rege, überall
Ehrgeiz und Eroberungssucht, was ich ihnen in der That kaum verargen darf,
da sie die Überschreitungen des ersten Kaiserreichs noch nicht vergessen haben
können. Aber sie kennen mich nicht; sie bedenken nicht genug, wie weit meine
innerste Natur, meine Erziehung, meine Geschichte, meine Erfahrungen, meine
politischen Ansichten und Zwecke von denen meines Oheims verschieden sind, --
wie sinnlos es wäre, wenn ich, mit der Geschichte und den Lehren der letzten
fünfzig Jahre vor Augen, je vergessen könnte, welche Resultate die Eroberungen
des ersten Kaisers, seinem großen Geiste und seiner Titanenkraft zum Trotz,
für Frankreich und für ihn selbst gehabt haben, -- wenn ich nicht einsähe,
daß die erste ungebührliche Eroberung, die ich unternähme, ganz Europa von
neuem gegen mich zu einem unwiderstehlichen Bunde vereinigen, und somit
den natürlichen Wunsch und Plan, der mir vor allen am Herzen liegen muß:
die feste Begründung der Napoleonische u Dynastie, zu Nichte machen würde.


reden, das im Begriff ist, von meiner Flotte bombardirt, vielleicht in Trüm¬
mer gelegt zu werden. Welches Blutvergießen, welche Verwüstung! Und diese
Städte, die wir zerstören müßten, sind italienische Städte, sie gehören dem
Lande an, dem wir Freiheit und Glück bringen wollen! Diese Städte, deren
Bewohner von heißem Eifer für unsere Sache glühen, sollen zertrümmert werden
von ihren Freunden, nachdem sie so lange unter dem Joch ihrer Feinde ge¬
seufzt! Ich gestehe, daß dieser Gedanke mich schaudern macht.

V. E. Ich theile vollkommen diese Ansichten und Gefühle; aber dies
Alles war vor dem Beginn des Krieges vorauszusehen. Jeder Krieg führt
zu Schlachten, zu Belagerungen, zu Verwüstungen. Jeder Krieg ist ein sünd-
licher Gräuel, wenn er unnöthig ist. Aber dieser Krieg war nöthig, um
Italien zu befreien, und ihn, nachdem schon so viele Opfer gebracht sind,
muthlos aufzugeben, ehe-das große Ziel erreicht ist, wie sollte das sich recht¬
fertigen?

N. Von einem solchen Aufgeben ist keine Rede. Ich habe schon gesagt,
daß das Ziel erreicht werden soll und zwar vollständig, nur auf andere Weise.
Gedulden sich Ew. Majestät bis Sie meinen Plan erfahren, was sogleich ge¬
schehen soll, nachdem ich noch einige weitere Blicke auf die Gefahren unserer
jet/igen Lage geworfen. Wir haben noch zwei, vielleicht drei.heiße Sommer¬
monate vor uns; denn wir sind erst zu Anfang Juli. Die Niederungen des
Mincio sind ungesund, vor allen die Umgebungen von Mantua. Krankheiten
zeigen sich bereits in unsern Heeren, und bei fortgesetzten Anstrengungen und
Entbehrungen werden sie mehr und mehr um sich greifen und uns vielleicht
größern Schaden zufügen als der Feind. Aber noch mehr. Sehen Sie nicht
das Ungewitter, das sich in Deutschland gegen uns zusammenzieht? Die
Deutschen mißtrauen mir und sind in großer und bedenklicher Aufregung. Da
ich Napoleon heiße, so wittern sie, wenn ich mich nur irgend rege, überall
Ehrgeiz und Eroberungssucht, was ich ihnen in der That kaum verargen darf,
da sie die Überschreitungen des ersten Kaiserreichs noch nicht vergessen haben
können. Aber sie kennen mich nicht; sie bedenken nicht genug, wie weit meine
innerste Natur, meine Erziehung, meine Geschichte, meine Erfahrungen, meine
politischen Ansichten und Zwecke von denen meines Oheims verschieden sind, —
wie sinnlos es wäre, wenn ich, mit der Geschichte und den Lehren der letzten
fünfzig Jahre vor Augen, je vergessen könnte, welche Resultate die Eroberungen
des ersten Kaisers, seinem großen Geiste und seiner Titanenkraft zum Trotz,
für Frankreich und für ihn selbst gehabt haben, — wenn ich nicht einsähe,
daß die erste ungebührliche Eroberung, die ich unternähme, ganz Europa von
neuem gegen mich zu einem unwiderstehlichen Bunde vereinigen, und somit
den natürlichen Wunsch und Plan, der mir vor allen am Herzen liegen muß:
die feste Begründung der Napoleonische u Dynastie, zu Nichte machen würde.


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[0256] reden, das im Begriff ist, von meiner Flotte bombardirt, vielleicht in Trüm¬ mer gelegt zu werden. Welches Blutvergießen, welche Verwüstung! Und diese Städte, die wir zerstören müßten, sind italienische Städte, sie gehören dem Lande an, dem wir Freiheit und Glück bringen wollen! Diese Städte, deren Bewohner von heißem Eifer für unsere Sache glühen, sollen zertrümmert werden von ihren Freunden, nachdem sie so lange unter dem Joch ihrer Feinde ge¬ seufzt! Ich gestehe, daß dieser Gedanke mich schaudern macht. V. E. Ich theile vollkommen diese Ansichten und Gefühle; aber dies Alles war vor dem Beginn des Krieges vorauszusehen. Jeder Krieg führt zu Schlachten, zu Belagerungen, zu Verwüstungen. Jeder Krieg ist ein sünd- licher Gräuel, wenn er unnöthig ist. Aber dieser Krieg war nöthig, um Italien zu befreien, und ihn, nachdem schon so viele Opfer gebracht sind, muthlos aufzugeben, ehe-das große Ziel erreicht ist, wie sollte das sich recht¬ fertigen? N. Von einem solchen Aufgeben ist keine Rede. Ich habe schon gesagt, daß das Ziel erreicht werden soll und zwar vollständig, nur auf andere Weise. Gedulden sich Ew. Majestät bis Sie meinen Plan erfahren, was sogleich ge¬ schehen soll, nachdem ich noch einige weitere Blicke auf die Gefahren unserer jet/igen Lage geworfen. Wir haben noch zwei, vielleicht drei.heiße Sommer¬ monate vor uns; denn wir sind erst zu Anfang Juli. Die Niederungen des Mincio sind ungesund, vor allen die Umgebungen von Mantua. Krankheiten zeigen sich bereits in unsern Heeren, und bei fortgesetzten Anstrengungen und Entbehrungen werden sie mehr und mehr um sich greifen und uns vielleicht größern Schaden zufügen als der Feind. Aber noch mehr. Sehen Sie nicht das Ungewitter, das sich in Deutschland gegen uns zusammenzieht? Die Deutschen mißtrauen mir und sind in großer und bedenklicher Aufregung. Da ich Napoleon heiße, so wittern sie, wenn ich mich nur irgend rege, überall Ehrgeiz und Eroberungssucht, was ich ihnen in der That kaum verargen darf, da sie die Überschreitungen des ersten Kaiserreichs noch nicht vergessen haben können. Aber sie kennen mich nicht; sie bedenken nicht genug, wie weit meine innerste Natur, meine Erziehung, meine Geschichte, meine Erfahrungen, meine politischen Ansichten und Zwecke von denen meines Oheims verschieden sind, — wie sinnlos es wäre, wenn ich, mit der Geschichte und den Lehren der letzten fünfzig Jahre vor Augen, je vergessen könnte, welche Resultate die Eroberungen des ersten Kaisers, seinem großen Geiste und seiner Titanenkraft zum Trotz, für Frankreich und für ihn selbst gehabt haben, — wenn ich nicht einsähe, daß die erste ungebührliche Eroberung, die ich unternähme, ganz Europa von neuem gegen mich zu einem unwiderstehlichen Bunde vereinigen, und somit den natürlichen Wunsch und Plan, der mir vor allen am Herzen liegen muß: die feste Begründung der Napoleonische u Dynastie, zu Nichte machen würde.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/256>, abgerufen am 23.07.2024.