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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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betrachtet, daß Fanti eigentlich die Administration als Kriegslninister. Garibaldi
dagegen den Oberbefehl über die actine Armee führen solle. Insofern war
die Ernennung Garibaldis über die in der Romagna bereits concentrirten
Truppen, welche erst Ende October erfolgte, schon eine Contremine, eine
Beschränkung. Fanti machte jetzt von seiner Stellung Gebrauch, um Gari¬
baldi nicht blos die Nachsendung von Truppen aus den andern inittel-
italicnischen Ländern zu versagen, sondern ihm anch die Concentrirung der
in der Roniagna bereits stehenden Truppen gegen die Südgrenze hin zu ver¬
bieten. Garibaldi sah sich dadurch in seiner Stellung beeinträchtigt und ge¬
tränkt. Vielleicht aber hätte sich die Differenz zwischen den beiden Generalen
immer noch ausgleichen lassen, wenn nicht unterdessen die Verwicklung in der
Regentscbaftsfrage eingetreten wäre, welche die Proteste des Kaisers Napoleon
herbeiführten. Die piemvntesische Regierung hatte von der neapolitanischen
Erklärungen darüber verlongt, was die Versammlung ihrer Abruzzenarinee
bedeuten sollte. Die neapolitanische Regierung hatte darauf ziemlich schnöde
geantwortet: sie könne auf ihrem Gebiete thun, was sie wolle; die piemon-
tesische Regierung könne sich übrigens dnrch die Truppenansammlung gar nicht
bedroht fühlen, da dieselbe ja durchaus nicht an den Grenzen Piemonts statt¬
finde; höchstens könne der Papst nachfragen, an dessen Grenzen die Neapoli¬
taner allerdings unmittelbar ständen. ,Betreffs einer etwaigen Intervention
in der Romagna müsse sich die Regierung des Königs Franz freie Entschlie¬
ßung vorbehalten. Auf die Vorstellungen des Kaisers Napoleon gegen eine
etwaige Intervention Neapels brachte dessen Regierung vor, daß ja auch Victor
Emanuel Mittelitalien und dessen insurgirte Völkerschaften ohne specielles Recht
dazu unterstütze und insbesondere ward die Besorgniß hervorgehoben, welche
der Aufenthalt des Revolutionärs Garibaldi in Mittelitalien alle" legitimen
Regierungen einflößen müsse. Dieses machte nnn Napoleon auch bei Gelegen¬
heit der Negentschaftsfrcige gegen Piemont geltend. Und so kam es, daß
Garibaldi bei seiner Differenz mit Fanti durchaus keine Unterstützung bei der
piemontesischen Regierung fand; daß ihm vielmehr zu verstehen gegeben ward,
die Errichtung der Regentschaft sei wichtiger als alles andere. Garibaldi
konnte hierin zugleich einen Appell an seinen italienischen Patriotismus, wenn
auch in erster Reihe nur das sehen, daß er Fanti gegenüber immer in seiner
Thätigkeit behindert bleiben werde. Er gab daher sofort seine Entlassung
ein und erhielt sie; er legte alle seine Würden nieder und begab sich nach
Nizza. Er machte dies durch eine Proklamation den Italienern bekannt, in¬
dem er ihnen jedoch vorhielt, daß die Politik, welche jetzt Victor Emanuel
aus Tritt und Schritt hindere, es ihnen doppelt zur Pflicht mache, sich um
diesen König, der es treu mit Italien meine, zu schaaren, daß man heute
doppelt aus der Wacht stehen müsse, und indem er versprach, daß er auch wie-


betrachtet, daß Fanti eigentlich die Administration als Kriegslninister. Garibaldi
dagegen den Oberbefehl über die actine Armee führen solle. Insofern war
die Ernennung Garibaldis über die in der Romagna bereits concentrirten
Truppen, welche erst Ende October erfolgte, schon eine Contremine, eine
Beschränkung. Fanti machte jetzt von seiner Stellung Gebrauch, um Gari¬
baldi nicht blos die Nachsendung von Truppen aus den andern inittel-
italicnischen Ländern zu versagen, sondern ihm anch die Concentrirung der
in der Roniagna bereits stehenden Truppen gegen die Südgrenze hin zu ver¬
bieten. Garibaldi sah sich dadurch in seiner Stellung beeinträchtigt und ge¬
tränkt. Vielleicht aber hätte sich die Differenz zwischen den beiden Generalen
immer noch ausgleichen lassen, wenn nicht unterdessen die Verwicklung in der
Regentscbaftsfrage eingetreten wäre, welche die Proteste des Kaisers Napoleon
herbeiführten. Die piemvntesische Regierung hatte von der neapolitanischen
Erklärungen darüber verlongt, was die Versammlung ihrer Abruzzenarinee
bedeuten sollte. Die neapolitanische Regierung hatte darauf ziemlich schnöde
geantwortet: sie könne auf ihrem Gebiete thun, was sie wolle; die piemon-
tesische Regierung könne sich übrigens dnrch die Truppenansammlung gar nicht
bedroht fühlen, da dieselbe ja durchaus nicht an den Grenzen Piemonts statt¬
finde; höchstens könne der Papst nachfragen, an dessen Grenzen die Neapoli¬
taner allerdings unmittelbar ständen. ,Betreffs einer etwaigen Intervention
in der Romagna müsse sich die Regierung des Königs Franz freie Entschlie¬
ßung vorbehalten. Auf die Vorstellungen des Kaisers Napoleon gegen eine
etwaige Intervention Neapels brachte dessen Regierung vor, daß ja auch Victor
Emanuel Mittelitalien und dessen insurgirte Völkerschaften ohne specielles Recht
dazu unterstütze und insbesondere ward die Besorgniß hervorgehoben, welche
der Aufenthalt des Revolutionärs Garibaldi in Mittelitalien alle» legitimen
Regierungen einflößen müsse. Dieses machte nnn Napoleon auch bei Gelegen¬
heit der Negentschaftsfrcige gegen Piemont geltend. Und so kam es, daß
Garibaldi bei seiner Differenz mit Fanti durchaus keine Unterstützung bei der
piemontesischen Regierung fand; daß ihm vielmehr zu verstehen gegeben ward,
die Errichtung der Regentschaft sei wichtiger als alles andere. Garibaldi
konnte hierin zugleich einen Appell an seinen italienischen Patriotismus, wenn
auch in erster Reihe nur das sehen, daß er Fanti gegenüber immer in seiner
Thätigkeit behindert bleiben werde. Er gab daher sofort seine Entlassung
ein und erhielt sie; er legte alle seine Würden nieder und begab sich nach
Nizza. Er machte dies durch eine Proklamation den Italienern bekannt, in¬
dem er ihnen jedoch vorhielt, daß die Politik, welche jetzt Victor Emanuel
aus Tritt und Schritt hindere, es ihnen doppelt zur Pflicht mache, sich um
diesen König, der es treu mit Italien meine, zu schaaren, daß man heute
doppelt aus der Wacht stehen müsse, und indem er versprach, daß er auch wie-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/248>, abgerufen am 23.07.2024.