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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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an Stelle des abtretenden Cipriani, der, wie es schien, nicht ganz einverstanden
mit dem Vorgehen dieser Provinz war, am 8. Farini die provisorische Die"
datur bis zur Ankunft des Regenten auch für die Romagna übertragen, und
Farini erklärte umgehend durch den Telegraphen, daß er annehme, so daß
nun unter seiner Negierung schon drei der vier Länder vereinigt waren.

, Hatten die Italiener darauf gerechnet, daß Napoleon zwar aus Rücksicht
auf Oestreich jedem Fortschritte scheinbar entgegentrete, daß es aber für sie
genüge, seine Ansicht g,ü acta zu nehmen, so täuschten sie sich doch dieses mal.
Napoleon, sobald er die Beschlüsse über die Regentschaft erfahren hatte, pro-
testirte ganz ernstlich gegen dieses Verfahren, wenn auch vielleicht nur, weil
die Friedensunterhandlungen von Zürich noch nicht beendigt waren, die erst am
10. November mit Unterzeichnung der Friedensnrkundcn auf dem Rathhause
geschlossen werden sollten. Victor Emanuel mußte die Protestation Napo¬
leons für so ernstlich ansehen, daß er beschloß, ihr, wenn auch nur halb,
Folge zu geben. Der Prinz von Carignan sollte die Regentschaft ablehnen,
dafür aber einen Stellvertreter, Buoncvmpagni, vorschlagen, aus dessen An¬
nahme Seitens der Mittelitaliencr mit Sicherheit gerechnet ward. Verdicken
konnte Victor Emanuel dem Prinzen Eugen schwerlich unter allen Umständen
die Annahme der Regentschaft, und unseres Erachtens konnte noch weniger Napo¬
leon den König zu einem solchen Verbote auffordern. Victor Emanuel hatte
allerdings aus den Beschlüssen der Nepräsentantenverfammlungen der vier Län¬
der über den Anschluß an Piemont Ansprüche für sich hergeleitet, aber er
hatte in seinen Antwortsreden diese Ansprüche dahin begrenzt, daß er sich
das Recht zuerkannte, die Interessen der vier Länder bei den europäischen
Mächten, also hauptsächlich wol auf dein erwarteten Kongresse, kräftig zu ver¬
treten und ihren Wünschen, so weit es an ihm läge. Geltung zu verschaffen.
Förmlich den Anschluß der Länder angenommen, ihre Regierung angetreten
hatte er noch nicht. Den Ländern untersagen, sich einen gemeinschaftlichen
Regenten zu wählen, konnte Victor Emanuel nach allem Bisherigen nicht.
Ihm dies zumuthen. hieß ihm mehr Rechte beilegen, als er es selbst bis jetzt
gethan hatte, und war auch etwas Präjudicirendcs. Inwiefern man dem
König von Sardinien das Recht zuerkennen mochte, einem Prinzen seines Hauses
die Annahme der Regentschaft zu untersagen, das steht allerdings auf einem
andern Blatt. Uns scheint wenigstens ausgemacht, daß, wenn der Prinz die
Regentschaft annahm, daraus dem Könige kein Vorwurf gemacht werden konnte.
Das Wesentliche bei der ganzen Sache war jedenfalls, ob überhaupt eine ge¬
meinsame Regentschaft für die vier Länder kurz vor Abschluß der Züricher
Fricdensconferenzen aufgerichtet ward oder nicht. Victor Emanuel gab sich
den Anschein, als halte er Napoleons Protest mehr gegen einen Prinzen des
Hauses Savoyen, als gegen einen Regenten überhaupt gerichtet, und so kam


an Stelle des abtretenden Cipriani, der, wie es schien, nicht ganz einverstanden
mit dem Vorgehen dieser Provinz war, am 8. Farini die provisorische Die«
datur bis zur Ankunft des Regenten auch für die Romagna übertragen, und
Farini erklärte umgehend durch den Telegraphen, daß er annehme, so daß
nun unter seiner Negierung schon drei der vier Länder vereinigt waren.

, Hatten die Italiener darauf gerechnet, daß Napoleon zwar aus Rücksicht
auf Oestreich jedem Fortschritte scheinbar entgegentrete, daß es aber für sie
genüge, seine Ansicht g,ü acta zu nehmen, so täuschten sie sich doch dieses mal.
Napoleon, sobald er die Beschlüsse über die Regentschaft erfahren hatte, pro-
testirte ganz ernstlich gegen dieses Verfahren, wenn auch vielleicht nur, weil
die Friedensunterhandlungen von Zürich noch nicht beendigt waren, die erst am
10. November mit Unterzeichnung der Friedensnrkundcn auf dem Rathhause
geschlossen werden sollten. Victor Emanuel mußte die Protestation Napo¬
leons für so ernstlich ansehen, daß er beschloß, ihr, wenn auch nur halb,
Folge zu geben. Der Prinz von Carignan sollte die Regentschaft ablehnen,
dafür aber einen Stellvertreter, Buoncvmpagni, vorschlagen, aus dessen An¬
nahme Seitens der Mittelitaliencr mit Sicherheit gerechnet ward. Verdicken
konnte Victor Emanuel dem Prinzen Eugen schwerlich unter allen Umständen
die Annahme der Regentschaft, und unseres Erachtens konnte noch weniger Napo¬
leon den König zu einem solchen Verbote auffordern. Victor Emanuel hatte
allerdings aus den Beschlüssen der Nepräsentantenverfammlungen der vier Län¬
der über den Anschluß an Piemont Ansprüche für sich hergeleitet, aber er
hatte in seinen Antwortsreden diese Ansprüche dahin begrenzt, daß er sich
das Recht zuerkannte, die Interessen der vier Länder bei den europäischen
Mächten, also hauptsächlich wol auf dein erwarteten Kongresse, kräftig zu ver¬
treten und ihren Wünschen, so weit es an ihm läge. Geltung zu verschaffen.
Förmlich den Anschluß der Länder angenommen, ihre Regierung angetreten
hatte er noch nicht. Den Ländern untersagen, sich einen gemeinschaftlichen
Regenten zu wählen, konnte Victor Emanuel nach allem Bisherigen nicht.
Ihm dies zumuthen. hieß ihm mehr Rechte beilegen, als er es selbst bis jetzt
gethan hatte, und war auch etwas Präjudicirendcs. Inwiefern man dem
König von Sardinien das Recht zuerkennen mochte, einem Prinzen seines Hauses
die Annahme der Regentschaft zu untersagen, das steht allerdings auf einem
andern Blatt. Uns scheint wenigstens ausgemacht, daß, wenn der Prinz die
Regentschaft annahm, daraus dem Könige kein Vorwurf gemacht werden konnte.
Das Wesentliche bei der ganzen Sache war jedenfalls, ob überhaupt eine ge¬
meinsame Regentschaft für die vier Länder kurz vor Abschluß der Züricher
Fricdensconferenzen aufgerichtet ward oder nicht. Victor Emanuel gab sich
den Anschein, als halte er Napoleons Protest mehr gegen einen Prinzen des
Hauses Savoyen, als gegen einen Regenten überhaupt gerichtet, und so kam


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/244>, abgerufen am 23.07.2024.