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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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Helm im Jahr 1640 war das Heer 2VV0 Reiter nud 4000 Mann Knßvolk stark.
Der'große Kurfürst Friedrich Wilhelm nahm mehrere schwedische Offiziere
in seine Dienste und mit Hilfe derselben bildete er sein Heer. Der schwedische
General Dörfling ward der Schöpfer der brandenburgischen Kavallerie.

So wie den ganzen dreißigjährigen Krieg hindurch war auch nach dem¬
selben das Werbesystcm die Grundlage des preußischen Heeres. Man
kannte damals auf keine andere Einrichtung kommen, es war die einzige, die
man praktisch kannte. Die Aufgebote, welche eine Art Heerbann oder Land¬
sturm waren, und die nur ein paar Monate beisammen blieben, entsprachen
der damals sich entwickelnden europäischen Politik und der zu ihrer Vollendung
reifenden Landeshoheit nicht mehr. Man erkannte die Nothwendigkeit stehen¬
der Truppenkörper, wenn der Staat sich zu einem großen Ganzen entwickeln
sollte, in dem die einzelnen Theile keinen Anstand fänden, dem Ganzen zu
gehorche". Die Erfindung des Schießpulvers und !ne allgemeine Einführung
der Feuerwaffen hatte das alte Lehrs- und Nitterwesen völlig gebrochen. Der
Musketen wurden immer mehr in den Heeren und der Piken immer weniger.
Das brandenburgische Heer, welches es am ersten zu einer großen Vollkommen¬
heit im Schnellfeuern gebracht, schaffte auch die Piken am ersten ab; im Feld¬
zuge von 1689 waren sie schon gänzlich außer Gebrauch. Die Schweden führ¬
ten sie noch 170l bei dem Uebergange über die Dura, und noch 1702 in der
Schlacht bei Klissow. Die Städte waren es, die sich zuerst von dem Auf-
gebot befreiten; seit IK56 bezahlten sie für jeden zr> stellenden Mann 10 Thaler,
wofür andere geworben wurden. Auch die Aufgebote der Ritterschaft hörten
auf. Diese bezogen sich ans die Stellung von vehnpferden, Knechten und be¬
spannten Rüslwagen. D>ehe Stellung geschah 1661 bei einem Aufgebote gegen
die Tinten zum letztenmal und schon 1663 wurde bei einer ähnlichen Gelegen¬
heit die Sache mit Geld abgemacht. Die Stellung eines Dienstpferdcö löste
man mit 40 Thalern ab. So erfolgte seit dem Frieden von Oliva die Er¬
richtung und Ergänzung des Heeres allgemein durch Werbungen. In frühern
Zeiten geschahen die Werbungen durch Contracte mit Obersten, welche in den
Hauptleuten ihre Untercontrahcnten hatten. Einem jeden gehörte sein gewor¬
dener Haufe als Eigenthum. Es waren die Compagnieführer des späteren
Mittelalters, die aber nicht Krieg für eigne Rechnung führten, sondern in die
Dienste eines Landesherr" traten. Die Hauptleute besetzten die Lieutcnanls-
nnd Fähndrichsstelle" in ihrer Compagnie. Später thaten dieses die Oberste"
und zogen auch das Geld dafür; deun diese Stellen waren käuflich. Der
Landesherr, der eine" solchen Heerhaufen in Dienste nahm, ernannte nur zu
den Kriegsstellen vom Obersten aufwärts. Bei Menschen, die sich auf diese
Weise zum Kriegshandwerk zusammenthun, wird die Kricgsdisciplin immer
uur schwach sei"; sie gehe" eben nur dahin, wo das Glück lacht und die


Helm im Jahr 1640 war das Heer 2VV0 Reiter nud 4000 Mann Knßvolk stark.
Der'große Kurfürst Friedrich Wilhelm nahm mehrere schwedische Offiziere
in seine Dienste und mit Hilfe derselben bildete er sein Heer. Der schwedische
General Dörfling ward der Schöpfer der brandenburgischen Kavallerie.

So wie den ganzen dreißigjährigen Krieg hindurch war auch nach dem¬
selben das Werbesystcm die Grundlage des preußischen Heeres. Man
kannte damals auf keine andere Einrichtung kommen, es war die einzige, die
man praktisch kannte. Die Aufgebote, welche eine Art Heerbann oder Land¬
sturm waren, und die nur ein paar Monate beisammen blieben, entsprachen
der damals sich entwickelnden europäischen Politik und der zu ihrer Vollendung
reifenden Landeshoheit nicht mehr. Man erkannte die Nothwendigkeit stehen¬
der Truppenkörper, wenn der Staat sich zu einem großen Ganzen entwickeln
sollte, in dem die einzelnen Theile keinen Anstand fänden, dem Ganzen zu
gehorche». Die Erfindung des Schießpulvers und !ne allgemeine Einführung
der Feuerwaffen hatte das alte Lehrs- und Nitterwesen völlig gebrochen. Der
Musketen wurden immer mehr in den Heeren und der Piken immer weniger.
Das brandenburgische Heer, welches es am ersten zu einer großen Vollkommen¬
heit im Schnellfeuern gebracht, schaffte auch die Piken am ersten ab; im Feld¬
zuge von 1689 waren sie schon gänzlich außer Gebrauch. Die Schweden führ¬
ten sie noch 170l bei dem Uebergange über die Dura, und noch 1702 in der
Schlacht bei Klissow. Die Städte waren es, die sich zuerst von dem Auf-
gebot befreiten; seit IK56 bezahlten sie für jeden zr> stellenden Mann 10 Thaler,
wofür andere geworben wurden. Auch die Aufgebote der Ritterschaft hörten
auf. Diese bezogen sich ans die Stellung von vehnpferden, Knechten und be¬
spannten Rüslwagen. D>ehe Stellung geschah 1661 bei einem Aufgebote gegen
die Tinten zum letztenmal und schon 1663 wurde bei einer ähnlichen Gelegen¬
heit die Sache mit Geld abgemacht. Die Stellung eines Dienstpferdcö löste
man mit 40 Thalern ab. So erfolgte seit dem Frieden von Oliva die Er¬
richtung und Ergänzung des Heeres allgemein durch Werbungen. In frühern
Zeiten geschahen die Werbungen durch Contracte mit Obersten, welche in den
Hauptleuten ihre Untercontrahcnten hatten. Einem jeden gehörte sein gewor¬
dener Haufe als Eigenthum. Es waren die Compagnieführer des späteren
Mittelalters, die aber nicht Krieg für eigne Rechnung führten, sondern in die
Dienste eines Landesherr» traten. Die Hauptleute besetzten die Lieutcnanls-
nnd Fähndrichsstelle» in ihrer Compagnie. Später thaten dieses die Oberste»
und zogen auch das Geld dafür; deun diese Stellen waren käuflich. Der
Landesherr, der eine» solchen Heerhaufen in Dienste nahm, ernannte nur zu
den Kriegsstellen vom Obersten aufwärts. Bei Menschen, die sich auf diese
Weise zum Kriegshandwerk zusammenthun, wird die Kricgsdisciplin immer
uur schwach sei»; sie gehe» eben nur dahin, wo das Glück lacht und die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/219>, abgerufen am 25.08.2024.