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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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ander, sonderlich aus Meißen, ihnen einbilden dürfen, der Hochteutschen Sprache
ihrer Mundart halber Richter und schlichter zu sein." gleich darauf über gibt
er zu: "Die rechte meißnische Ausrede, wie sie zu Leipzig. Merseburg, Witten-
berg, Dresden üblich, ist lieblich und wollautcnd, und es hat in vielen Wär¬
tern das Hochdeutsche sich wol darauf gezogen; wie breit und verzogen aber
der meißnische vialeews auf dein Lande und unter den Bauren sei. ist nicht
unbewußt." Im Werke selbst handelt gleich der Eingang vom Begriff des
Hochdeutschen, nach einer Erörterung vom Verhältniß der Mundarten und der
Schriftsprache, mit Beispielen aus dem Alterthum, heißt es da: "Es ist gleich¬
falls die Teutsche Sprache getheilt in unterschiedene Mundarten, als in die
Meißnische, niedersächsische, Niederländische, Schwäbische, Schweizerische....
Es hat aber die Teutsche Sprache ihre Hauptzier.. und höchste Lieblichkeit dem
Hochteutschen vorbehalten, welche Hochdeutsche Mundart gleichsam allein den Na¬
men der Teutschen Sprache überkommen, wie vormals die Attische in Griechen¬
land, die Römische in Welschland, noch heute die Persische in Asien, die
Toscanische in Italien, die Castilianische in Spanien." Daß er mit dieser
hochdeutschen Mundart im wesentlichen die meißnische meint, die er ja bei
der Aufzählung zuerst stellt, ergibt sich aus dem gleich Folgenden: "Gleich
wie aber nicht alle Wörter und Redensarten aus Ionischer, Eolischer und Do¬
rischer Mundart in Griechischer Sprache verwerflich waren. . . also wird man
gleichfalls zulassen müssen, daß auch außer der Meißnischen Mundart viele
Wörter vorhanden sein, welche bei etwa einer Verfertigung eines völligen
Wörterbuches nicht müssen übergangen werden." Er beruft sich auf einen
Ausspruch von dem Nürnberger Harsdörfcr im Apecimeu xlülologias 6er--
irmnieae v. I. 1646, des Inhalts, die Meißner dürften aber nicht meinen,
daß die deutsche Sprache entweder vollständig oder völlig rein in ihrer 'Mund¬
art immer und allein enthalten sei; gerade diese Warnung läßt durchblicken,
wie gesichert schon damals der Vorrang des meißnischen Deutsch in Bezug
aus das Wesentliche war.

Im I. 1645 verfaßte Hammann seine Anmerkungen zu Opitzens Poe¬
terei; er kommt da auf die Frage, "woher man doch die Hochdeutsche Sprache,
deren Herr Opiiz gedenket, lernen soll." "Viel geben vor, als wann sie zu
Leipzig und Halle rein sollte geredet werden: Und es ist nicht ohne, wenn
ichs in Vergleichung gegen die andere Oerter schätze. Aber daß daselbst in
gemeiner Rede auch viel Falschheit mit unterlaufe, kaun ich selbst bezeugen;"
er war nämlich ein Leipziger von Geburt; weiterhin heißt es aber bestimmt:
"Zu der Zierlichkeit gehört auch, daß mau sich guter Meißnischer und itziger
Zeit üblicher Wörter und Arten im Reden, welche bei verständigen und vor¬
nehmen Leuten im Schwange, sich gebrauche."

Unsicherer lautet die Anweisung Philipps von Zehen, ans Anhalt ge-


ander, sonderlich aus Meißen, ihnen einbilden dürfen, der Hochteutschen Sprache
ihrer Mundart halber Richter und schlichter zu sein." gleich darauf über gibt
er zu: „Die rechte meißnische Ausrede, wie sie zu Leipzig. Merseburg, Witten-
berg, Dresden üblich, ist lieblich und wollautcnd, und es hat in vielen Wär¬
tern das Hochdeutsche sich wol darauf gezogen; wie breit und verzogen aber
der meißnische vialeews auf dein Lande und unter den Bauren sei. ist nicht
unbewußt." Im Werke selbst handelt gleich der Eingang vom Begriff des
Hochdeutschen, nach einer Erörterung vom Verhältniß der Mundarten und der
Schriftsprache, mit Beispielen aus dem Alterthum, heißt es da: „Es ist gleich¬
falls die Teutsche Sprache getheilt in unterschiedene Mundarten, als in die
Meißnische, niedersächsische, Niederländische, Schwäbische, Schweizerische....
Es hat aber die Teutsche Sprache ihre Hauptzier.. und höchste Lieblichkeit dem
Hochteutschen vorbehalten, welche Hochdeutsche Mundart gleichsam allein den Na¬
men der Teutschen Sprache überkommen, wie vormals die Attische in Griechen¬
land, die Römische in Welschland, noch heute die Persische in Asien, die
Toscanische in Italien, die Castilianische in Spanien." Daß er mit dieser
hochdeutschen Mundart im wesentlichen die meißnische meint, die er ja bei
der Aufzählung zuerst stellt, ergibt sich aus dem gleich Folgenden: „Gleich
wie aber nicht alle Wörter und Redensarten aus Ionischer, Eolischer und Do¬
rischer Mundart in Griechischer Sprache verwerflich waren. . . also wird man
gleichfalls zulassen müssen, daß auch außer der Meißnischen Mundart viele
Wörter vorhanden sein, welche bei etwa einer Verfertigung eines völligen
Wörterbuches nicht müssen übergangen werden." Er beruft sich auf einen
Ausspruch von dem Nürnberger Harsdörfcr im Apecimeu xlülologias 6er--
irmnieae v. I. 1646, des Inhalts, die Meißner dürften aber nicht meinen,
daß die deutsche Sprache entweder vollständig oder völlig rein in ihrer 'Mund¬
art immer und allein enthalten sei; gerade diese Warnung läßt durchblicken,
wie gesichert schon damals der Vorrang des meißnischen Deutsch in Bezug
aus das Wesentliche war.

Im I. 1645 verfaßte Hammann seine Anmerkungen zu Opitzens Poe¬
terei; er kommt da auf die Frage, „woher man doch die Hochdeutsche Sprache,
deren Herr Opiiz gedenket, lernen soll." „Viel geben vor, als wann sie zu
Leipzig und Halle rein sollte geredet werden: Und es ist nicht ohne, wenn
ichs in Vergleichung gegen die andere Oerter schätze. Aber daß daselbst in
gemeiner Rede auch viel Falschheit mit unterlaufe, kaun ich selbst bezeugen;"
er war nämlich ein Leipziger von Geburt; weiterhin heißt es aber bestimmt:
„Zu der Zierlichkeit gehört auch, daß mau sich guter Meißnischer und itziger
Zeit üblicher Wörter und Arten im Reden, welche bei verständigen und vor¬
nehmen Leuten im Schwange, sich gebrauche."

Unsicherer lautet die Anweisung Philipps von Zehen, ans Anhalt ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/121>, abgerufen am 23.07.2024.