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Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band.

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Weise auftrat, als könne sie sich fein schöneres Laos als dieses denken, ferner
als gute Republikanern, zu leben und zu sterben), brachten sowol die
Parmesaner als die Regierung von Sardinien auf andre Gedanken. Es
ward nun in Parma das gleiche Verfahren eingeschlagen, wie in den
andern Herzogthümern. Freilich übergab der abberufene sardinische Commis.
sar die Gewalt zunächst an seinen bisherigen Generalsecretär Mansreoi; die-
ser aber setzte nun sogleich in den Gemeinden Listen in Umlauf, und Unter,
schriften gegen die Restauration der bourbonischen Dynastie und für den
Anschluß an Piemont zu sammeln. In der Stadt Parma, die 40000 Ein-
wohner hat, fanden diese Listen in wenigen Tagen 17000 Unterschriften, in
Piacenza mit 30000 Einwohnern 7150 Unterschriften. Man berechnete, daß im
Herzogthum V" aller Personen, welche die edle Schreibekunst ungefähr ver-
stehen, unterschrieben hatten. Mit diesen Beschlüssen ging Graf Liuati, Po¬
deste der Stadt Parma, ohne Säumen nach Paris, um sie dem Kaiser Napo¬
leon fundzuthun. Er ward Ende August von Napoleon freundlich empfangen,
welcher ihm versicherte, daß französische Waffen niemals dem Volke von Parma
Gewalt anthun würden, daß der Kaiser auch ein bewaffnetes Einschreiten an¬
derer Mächte nicht zulassen werde. Diese Antwort ward sämmtlichen Itali¬
enern durch eine Proklamation mitgetheilt. Farini. der schon am 17. August
vor, Modena nach Parma hinübergegangen war. wurde hier enthusiastisch
als Dictator begrüßt: die Gemeinderäthe des Landes boten ihm die Dictatur
an. Er antwortete darauf in einer Proclamation vom 18. August an die
Völker von Parma und Piacenza. Er nehme, sagte er, die Dictatur an,
um die Wahlversammlungen zu berufen. Noch immer aber gebe es für die
Italiener keinen besseren Rath als den Napoleons: Jeder von euch sei heute
Soldat, damit ihr morgen alle freie Bürger werdet. Farini. als Dictator
Modenas und Parmas, war auf diese Weise eine Art italienischer Fürst Cusa.
Vom 4. bis zum 6. September fanden die Wahlen in, Herzogthum Parma
statt; auf 8000 Seelen ward ein Deputirter gewählt; am 7. trat die Reprä¬
sentantenversammlung zusammen. Farini eröffnete sie mit einem historischen
Ueberblick über die Herrschaft der Bourbonen in Parma, aus dem sich ergab,
daß diese Herrschaft mit den Interessen des Landes unverträglich sei. Die
Versammlung beschloß hierauf wie jene von Modena eine Adresse an den
Kaiser Napoleon, sie sprach am 11. einstimmig die Thronentsctzung der Bourbo-
nen und am 12. den Anschluß an Piemont aus. Sie beschloß außerdem
Farinis Vollmachten zu bestätigen, die sardinische Verfassung verkünden zu
lassen, für den Loskauf Venedigs zu wirken und eine Anleihe zu machen.

Es gingen nun sofort Deputationen von Modena und Parma nach Tu¬
rin, um dem König Victor Emanuel die Kunde von den beiden Hauptbeschlüs¬
sen der Rcpräsentantcnversaminlung zu überbringen. Am 15. September


Weise auftrat, als könne sie sich fein schöneres Laos als dieses denken, ferner
als gute Republikanern, zu leben und zu sterben), brachten sowol die
Parmesaner als die Regierung von Sardinien auf andre Gedanken. Es
ward nun in Parma das gleiche Verfahren eingeschlagen, wie in den
andern Herzogthümern. Freilich übergab der abberufene sardinische Commis.
sar die Gewalt zunächst an seinen bisherigen Generalsecretär Mansreoi; die-
ser aber setzte nun sogleich in den Gemeinden Listen in Umlauf, und Unter,
schriften gegen die Restauration der bourbonischen Dynastie und für den
Anschluß an Piemont zu sammeln. In der Stadt Parma, die 40000 Ein-
wohner hat, fanden diese Listen in wenigen Tagen 17000 Unterschriften, in
Piacenza mit 30000 Einwohnern 7150 Unterschriften. Man berechnete, daß im
Herzogthum V» aller Personen, welche die edle Schreibekunst ungefähr ver-
stehen, unterschrieben hatten. Mit diesen Beschlüssen ging Graf Liuati, Po¬
deste der Stadt Parma, ohne Säumen nach Paris, um sie dem Kaiser Napo¬
leon fundzuthun. Er ward Ende August von Napoleon freundlich empfangen,
welcher ihm versicherte, daß französische Waffen niemals dem Volke von Parma
Gewalt anthun würden, daß der Kaiser auch ein bewaffnetes Einschreiten an¬
derer Mächte nicht zulassen werde. Diese Antwort ward sämmtlichen Itali¬
enern durch eine Proklamation mitgetheilt. Farini. der schon am 17. August
vor, Modena nach Parma hinübergegangen war. wurde hier enthusiastisch
als Dictator begrüßt: die Gemeinderäthe des Landes boten ihm die Dictatur
an. Er antwortete darauf in einer Proclamation vom 18. August an die
Völker von Parma und Piacenza. Er nehme, sagte er, die Dictatur an,
um die Wahlversammlungen zu berufen. Noch immer aber gebe es für die
Italiener keinen besseren Rath als den Napoleons: Jeder von euch sei heute
Soldat, damit ihr morgen alle freie Bürger werdet. Farini. als Dictator
Modenas und Parmas, war auf diese Weise eine Art italienischer Fürst Cusa.
Vom 4. bis zum 6. September fanden die Wahlen in, Herzogthum Parma
statt; auf 8000 Seelen ward ein Deputirter gewählt; am 7. trat die Reprä¬
sentantenversammlung zusammen. Farini eröffnete sie mit einem historischen
Ueberblick über die Herrschaft der Bourbonen in Parma, aus dem sich ergab,
daß diese Herrschaft mit den Interessen des Landes unverträglich sei. Die
Versammlung beschloß hierauf wie jene von Modena eine Adresse an den
Kaiser Napoleon, sie sprach am 11. einstimmig die Thronentsctzung der Bourbo-
nen und am 12. den Anschluß an Piemont aus. Sie beschloß außerdem
Farinis Vollmachten zu bestätigen, die sardinische Verfassung verkünden zu
lassen, für den Loskauf Venedigs zu wirken und eine Anleihe zu machen.

Es gingen nun sofort Deputationen von Modena und Parma nach Tu¬
rin, um dem König Victor Emanuel die Kunde von den beiden Hauptbeschlüs¬
sen der Rcpräsentantcnversaminlung zu überbringen. Am 15. September


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 19, 1860, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341594_108721/107>, abgerufen am 23.07.2024.