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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Frankreich und Italien.

I^s, rexublique I^anya-iso et l'Italie VN 1348, recits, Notes et äoouments äivlo-
mkticiuss x"r ^nich Lastiäe, g-neieir inimstre ach s-Mires etrangeres
ac ?iÄnee. -- I^eixi-iF, ^. Dürr. --

Die neulichen Vorfälle in Serbien, den Donaufürstenthümern und Mon¬
tenegro verrathen augenscheinlich, daß trotz der pariser Conferenzen -- um
wie Kaiser Nikolaus zu reden -- "der Mann" noch immer krank ist; kränker
als je. Trotz des Falles von Sebastopol. und obgleich alle Welt weiß, daß
Nußland in den nächsten Jahren an keine aggressive Politik denken kann, ist
bei den "christlichen" Unterthanen der Pforte Rußlands Einfluß in beständigem
Steigen, und zur Abwechselung ist es einmal die Demokratie, die serbische wie die
rumänische, die ihre Fahne erhebt. Vor fünf Jahren wurde Rußlands Ueber¬
gewicht hauptsächlich durch den französischen Kaiser paralysirt, den eigentlichen
Führer des orientalischen Kreuzzugs; und jetzt wirst Napoleon III. das Ge¬
richt seiner Waffen und seiner Diplomatie für Nußland in die Wagschale. Da
^ ihm schwerlich um das Seelenheil der Tschernagorzen, der Ranzen und der
Walachen zu thun ist, da man ebenso wenig vermuthen darf, er denke an einen
neuen Krieg im Orient, der Frankreich wenig Ruhm und Beute verheißt, so
uegt der Grund dieser Politik wol nur in dem Wunsch, eine Gelegenheit zu
eurem Conflict mit Oestreich offen zu halten, der keine französische, sondern
eme weltbürgerliche Färbung habe. Nebenbei läßt sich voraussehen, daß für
die guten Dienste, die ihm Frankreich im'5Orient leistet, Nußland zu Gegen¬
diensten in Italien bereit sein werde.

Ebenso bestimmt wie Rußland, ist Oestreich durch die Natur der Dinge
seine orientalische Politik vorgezeichnet. Was die Pforte an Macht verliert,
gewinnt Nußland, und jeder Fortschritt Rußlands verringert die Garantien,
die den östreichischen Ländercomplex zusammenhalten. Ist Rußland erst voll¬
ständig Herr in Serbien, Montenegro und Rumänien, so ist auch Galizien,
°as Banat. Kroatien -- kurz das ganze Vorland Oestreichs in Gefahr, von
dem mächtigen Nachbar absorbirt zu werden. Es muß Oestreich also alles


Hrtn"boten I. 135S. 11
Frankreich und Italien.

I^s, rexublique I^anya-iso et l'Italie VN 1348, recits, Notes et äoouments äivlo-
mkticiuss x»r ^nich Lastiäe, g-neieir inimstre ach s-Mires etrangeres
ac ?iÄnee. — I^eixi-iF, ^. Dürr. —

Die neulichen Vorfälle in Serbien, den Donaufürstenthümern und Mon¬
tenegro verrathen augenscheinlich, daß trotz der pariser Conferenzen — um
wie Kaiser Nikolaus zu reden — „der Mann" noch immer krank ist; kränker
als je. Trotz des Falles von Sebastopol. und obgleich alle Welt weiß, daß
Nußland in den nächsten Jahren an keine aggressive Politik denken kann, ist
bei den „christlichen" Unterthanen der Pforte Rußlands Einfluß in beständigem
Steigen, und zur Abwechselung ist es einmal die Demokratie, die serbische wie die
rumänische, die ihre Fahne erhebt. Vor fünf Jahren wurde Rußlands Ueber¬
gewicht hauptsächlich durch den französischen Kaiser paralysirt, den eigentlichen
Führer des orientalischen Kreuzzugs; und jetzt wirst Napoleon III. das Ge¬
richt seiner Waffen und seiner Diplomatie für Nußland in die Wagschale. Da
^ ihm schwerlich um das Seelenheil der Tschernagorzen, der Ranzen und der
Walachen zu thun ist, da man ebenso wenig vermuthen darf, er denke an einen
neuen Krieg im Orient, der Frankreich wenig Ruhm und Beute verheißt, so
uegt der Grund dieser Politik wol nur in dem Wunsch, eine Gelegenheit zu
eurem Conflict mit Oestreich offen zu halten, der keine französische, sondern
eme weltbürgerliche Färbung habe. Nebenbei läßt sich voraussehen, daß für
die guten Dienste, die ihm Frankreich im'5Orient leistet, Nußland zu Gegen¬
diensten in Italien bereit sein werde.

Ebenso bestimmt wie Rußland, ist Oestreich durch die Natur der Dinge
seine orientalische Politik vorgezeichnet. Was die Pforte an Macht verliert,
gewinnt Nußland, und jeder Fortschritt Rußlands verringert die Garantien,
die den östreichischen Ländercomplex zusammenhalten. Ist Rußland erst voll¬
ständig Herr in Serbien, Montenegro und Rumänien, so ist auch Galizien,
°as Banat. Kroatien — kurz das ganze Vorland Oestreichs in Gefahr, von
dem mächtigen Nachbar absorbirt zu werden. Es muß Oestreich also alles


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[0091] Frankreich und Italien. I^s, rexublique I^anya-iso et l'Italie VN 1348, recits, Notes et äoouments äivlo- mkticiuss x»r ^nich Lastiäe, g-neieir inimstre ach s-Mires etrangeres ac ?iÄnee. — I^eixi-iF, ^. Dürr. — Die neulichen Vorfälle in Serbien, den Donaufürstenthümern und Mon¬ tenegro verrathen augenscheinlich, daß trotz der pariser Conferenzen — um wie Kaiser Nikolaus zu reden — „der Mann" noch immer krank ist; kränker als je. Trotz des Falles von Sebastopol. und obgleich alle Welt weiß, daß Nußland in den nächsten Jahren an keine aggressive Politik denken kann, ist bei den „christlichen" Unterthanen der Pforte Rußlands Einfluß in beständigem Steigen, und zur Abwechselung ist es einmal die Demokratie, die serbische wie die rumänische, die ihre Fahne erhebt. Vor fünf Jahren wurde Rußlands Ueber¬ gewicht hauptsächlich durch den französischen Kaiser paralysirt, den eigentlichen Führer des orientalischen Kreuzzugs; und jetzt wirst Napoleon III. das Ge¬ richt seiner Waffen und seiner Diplomatie für Nußland in die Wagschale. Da ^ ihm schwerlich um das Seelenheil der Tschernagorzen, der Ranzen und der Walachen zu thun ist, da man ebenso wenig vermuthen darf, er denke an einen neuen Krieg im Orient, der Frankreich wenig Ruhm und Beute verheißt, so uegt der Grund dieser Politik wol nur in dem Wunsch, eine Gelegenheit zu eurem Conflict mit Oestreich offen zu halten, der keine französische, sondern eme weltbürgerliche Färbung habe. Nebenbei läßt sich voraussehen, daß für die guten Dienste, die ihm Frankreich im'5Orient leistet, Nußland zu Gegen¬ diensten in Italien bereit sein werde. Ebenso bestimmt wie Rußland, ist Oestreich durch die Natur der Dinge seine orientalische Politik vorgezeichnet. Was die Pforte an Macht verliert, gewinnt Nußland, und jeder Fortschritt Rußlands verringert die Garantien, die den östreichischen Ländercomplex zusammenhalten. Ist Rußland erst voll¬ ständig Herr in Serbien, Montenegro und Rumänien, so ist auch Galizien, °as Banat. Kroatien — kurz das ganze Vorland Oestreichs in Gefahr, von dem mächtigen Nachbar absorbirt zu werden. Es muß Oestreich also alles Hrtn»boten I. 135S. 11

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/91>, abgerufen am 24.07.2024.