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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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nah,, der Landeshauptmann nicht anwesend. Als Wenzel nun einen neuen
Termin bestimmt, sür den jene Ausflüchte acht mehr gelten können, schicken,
sie endlich zwei Abgeordnete, aber ohne Vollmachten. Es hilft dem König
nichts, daß er in besonderen Schreiben die Kaufmannschaft und die Zünfte
Mu Gehorsam ermahnt, sie erinnernd an den Brief, den sie ihm kurz vorher
gemeinsam geschrieben, und worin sie ihn ihrer Treue versichert. Es half
dies nichts, denn auch jener Brief hatte, was das Wichtigste war. schwere
Klagen enthalten über die hohen Steuern und die Schuldenlast der Stadt
und jetzt .verbreitete der Rath selbst auf das eifrigste das Gerücht, was der
König von ihnen wolle, seien weiter nichts als neue Gelyforderungen. So
sieht sich Wenzel genöthigt, den Rath abermals abzusetzen, und zugleich be¬
fiehlt er. daß der'Brief.'in dem er dieses anzeigt, allen Kaufleuten und allen
Handwerkern votgelegt werde, damit sie durch Namensunterschrift bekennen,
"b sie ihm Gehorsam leisten wollen oder nicht.

Das ganze Document zeigt recht deutlich, wie sich die Verhältnisse ge-
ändert haben; die Zünfte erscheinen hier keineswegs mehr feindlich gegenüber¬
stehend der Kaufmannschaft als dem Patnciat. und der König kann sich auf
diese nicht mehr verlassen, als auf jene. Ju dieser Lage, durch die bös.
wischen Verhältnisse bedrängt und fortwährend in Geldnoth, muß er bald
wieder zur Milde greifen; er erläßt eine allgemeine Amnestie, und damit der
von ihm ernannte Nath nicht gleich wieder abgesetzt werde, verordnet er 1417,
daß vier aus den Kaufleuten, von den Handwerkern gewühlt, und vier aus
den Zünften, von den Kaufleuten gewählt, zur Controle der Finanzverwaltung
zugezogen werde" sollten. Ernstlich warnt er zugleich die Jüngeren aus beiden
Ständen, nicht ihre AeUesten und Geschworenen zum Ungehorsam zu reizen
"der wol gar zu zwingen.

So kam das verhängnißvolle Jahr 1418 heran; die Verhältnisse
waren nicht besser geworden, die Urkunden der letzten Jahre erzählen uns von
bedeutenden Schulden, welche die Stadt machen müssen. Es konnte nun wenig
wehr helfen, daß Wenzel am Anfang dieses Jahres den Bürgern das
Wahlrecht wiedergab, mußte er doch zu derselben Zeit eine neue Steuer auf-
schreiben, eine Einkommensteuer vou mehr als ein Procent. Die Eintreibung
dieses Geschosses zu Johanni gab das Signal zu einem abermaligen, aber
diesmal mit größerer Erbitterung als je unternommenen Aufstande, nicht gegen
die vatricischen Kaufleute, souderu gegen den König und die kleine Partei, die
ihm unbedingt anhing; jene Leute, welche zum Theil schon bei dem letzten
Aufstand entflohen, aber gestützt auf die Drohbriefe Wenzels zurückgekehrt
waren und nun durch Gesandtschaften und Briefe mit diesem in engster Ver¬
bindung standen. Aber mochte schon die Unzufriedenheit allgemeiner verbreitet
sein, die eigentliche Revolution ging, wie es immer zu geschehn pflegt, von
Gr


enzlwteu I. 185S, 9

nah,, der Landeshauptmann nicht anwesend. Als Wenzel nun einen neuen
Termin bestimmt, sür den jene Ausflüchte acht mehr gelten können, schicken,
sie endlich zwei Abgeordnete, aber ohne Vollmachten. Es hilft dem König
nichts, daß er in besonderen Schreiben die Kaufmannschaft und die Zünfte
Mu Gehorsam ermahnt, sie erinnernd an den Brief, den sie ihm kurz vorher
gemeinsam geschrieben, und worin sie ihn ihrer Treue versichert. Es half
dies nichts, denn auch jener Brief hatte, was das Wichtigste war. schwere
Klagen enthalten über die hohen Steuern und die Schuldenlast der Stadt
und jetzt .verbreitete der Rath selbst auf das eifrigste das Gerücht, was der
König von ihnen wolle, seien weiter nichts als neue Gelyforderungen. So
sieht sich Wenzel genöthigt, den Rath abermals abzusetzen, und zugleich be¬
fiehlt er. daß der'Brief.'in dem er dieses anzeigt, allen Kaufleuten und allen
Handwerkern votgelegt werde, damit sie durch Namensunterschrift bekennen,
"b sie ihm Gehorsam leisten wollen oder nicht.

Das ganze Document zeigt recht deutlich, wie sich die Verhältnisse ge-
ändert haben; die Zünfte erscheinen hier keineswegs mehr feindlich gegenüber¬
stehend der Kaufmannschaft als dem Patnciat. und der König kann sich auf
diese nicht mehr verlassen, als auf jene. Ju dieser Lage, durch die bös.
wischen Verhältnisse bedrängt und fortwährend in Geldnoth, muß er bald
wieder zur Milde greifen; er erläßt eine allgemeine Amnestie, und damit der
von ihm ernannte Nath nicht gleich wieder abgesetzt werde, verordnet er 1417,
daß vier aus den Kaufleuten, von den Handwerkern gewühlt, und vier aus
den Zünften, von den Kaufleuten gewählt, zur Controle der Finanzverwaltung
zugezogen werde» sollten. Ernstlich warnt er zugleich die Jüngeren aus beiden
Ständen, nicht ihre AeUesten und Geschworenen zum Ungehorsam zu reizen
"der wol gar zu zwingen.

So kam das verhängnißvolle Jahr 1418 heran; die Verhältnisse
waren nicht besser geworden, die Urkunden der letzten Jahre erzählen uns von
bedeutenden Schulden, welche die Stadt machen müssen. Es konnte nun wenig
wehr helfen, daß Wenzel am Anfang dieses Jahres den Bürgern das
Wahlrecht wiedergab, mußte er doch zu derselben Zeit eine neue Steuer auf-
schreiben, eine Einkommensteuer vou mehr als ein Procent. Die Eintreibung
dieses Geschosses zu Johanni gab das Signal zu einem abermaligen, aber
diesmal mit größerer Erbitterung als je unternommenen Aufstande, nicht gegen
die vatricischen Kaufleute, souderu gegen den König und die kleine Partei, die
ihm unbedingt anhing; jene Leute, welche zum Theil schon bei dem letzten
Aufstand entflohen, aber gestützt auf die Drohbriefe Wenzels zurückgekehrt
waren und nun durch Gesandtschaften und Briefe mit diesem in engster Ver¬
bindung standen. Aber mochte schon die Unzufriedenheit allgemeiner verbreitet
sein, die eigentliche Revolution ging, wie es immer zu geschehn pflegt, von
Gr


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/75>, abgerufen am 24.07.2024.