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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Die Hauptsache war. daß er bei den immer bedenklicher werdenden Ver¬
wicklungen Böhmens mehr als je Geld brauchte, während auch der bres-
lauer Rath, dem immer die unangenehmste Rolle bei dem Geldeintreiben
zufiel, von beiden Seiten gedrängt endlich selbst Schwierigkeiten zu machen,
anfing, so daß Wenzel 1399 zu dem Mittel griff, der Stadt einen Rath zu oc-
troyiren, mit einigen Beisitzern aus den Zünften. Aber weit entfernt, hier¬
durch den Aufstand ganz zu dämpfen, entflammte er ihn vielmehr von
neuem. Die Breslauer hatten bisher zwar alljährlich ihre Steuern
und außerordentliche Contributionen an den König gezahlt, aber dabei
doch ihre vollständige Selbstregierung gehabt; ihnen mußte jenes Ver¬
fahren wie ein Angriff auf ihre althergebrachte Selbststündigkeit erscheinen,
es schien als sollten sie vollständig geknechtet werden, damit man sie in aller
Ruhe aussaugen konnte. Wenzel bewirkte durch jene Maßregel nichts, als daß
sich der Grimm des schon aufgeregten Volkes .von ^den Patriciern ab jetzt
allein gegen ihn wandte. Es fehlt mir um Raum, um die Ereignisse dieser
Jahre hier im Einzelnen vorzuführen, ich bemerke deshalb nur, daß von jetzt
an fast Jahr sür Jahr die Kämpfe sich wiederholen, indem die empörte Menge
den von Wenzel ernannten Rath zur Abdankung zwingt und selbst einen
neuen erwählt, der dann wiederum von dem König verworfen wird. Dieser
letztere sieht auch wol das Bedenkliche seiner Handlungsweise ein und
versucht dann zu widerholten Malen, der Bürgerschaft das Wahlrecht zurück¬
zugeben, aber dann zeigt sich ihm immer der neue Rath so ungehorsam, daß
er wieder zur Absetzung desselben schreiten muß, und als er 1407 der Stadt
eine sehr bedeutende Geldstrafe auferlegt, macht er natürlich das Uebel noch
ärger, besonders da man in Breslau sehr wohl weiß, wie sehr dem König
durch die böhmischen Wirren die Hände gebunden sind. So verwickeln sich
denn die Verhältnisse mehr und mehr. Ein recht Helles Licht auf dieselben
wirft ein im städtischen Archiv zu Breslau befindliches Actenstück, welches den
Verlauf der Ereignisse von 1413--15 schildert. Seitdem Jahre 1412 herrschte
in Breslau eine furchtbare Pest, die unzählige Opfer forderte und im Jahr
1413 auch einen großen Theil der Rathsmitglieder und Schöppen wegraffte,
weshalb die Bürgerschaft den Rath in einem ihr zusagenden Sinne neu con-
stituirte. Dieser neue Rath trat aber sofort in eine oppositionelle Stellung
zum König. "Des Rathes Tisch ist unsern Eltern sauer geworden, ich will
diesen Tisch bei Würden behalten äußerte sich einer derselben. Vergebens
wartet der König auf eine Anzeige der getroffenen Veränderungen, man er¬
wählt gegen seinen ausgesprochenen Willen bei Ablauf des Amtsjahres neue
Consuln, die noch ungehorsamer sind als die früheren; auf wiederholte Mah¬
nungen ihm Gesandte zu schicken, erhält er lange Zeit gar keine Antwort
und endlich nichts als Ausflüchte, es seien die Wege unsicher, der Jahrmarkt


Die Hauptsache war. daß er bei den immer bedenklicher werdenden Ver¬
wicklungen Böhmens mehr als je Geld brauchte, während auch der bres-
lauer Rath, dem immer die unangenehmste Rolle bei dem Geldeintreiben
zufiel, von beiden Seiten gedrängt endlich selbst Schwierigkeiten zu machen,
anfing, so daß Wenzel 1399 zu dem Mittel griff, der Stadt einen Rath zu oc-
troyiren, mit einigen Beisitzern aus den Zünften. Aber weit entfernt, hier¬
durch den Aufstand ganz zu dämpfen, entflammte er ihn vielmehr von
neuem. Die Breslauer hatten bisher zwar alljährlich ihre Steuern
und außerordentliche Contributionen an den König gezahlt, aber dabei
doch ihre vollständige Selbstregierung gehabt; ihnen mußte jenes Ver¬
fahren wie ein Angriff auf ihre althergebrachte Selbststündigkeit erscheinen,
es schien als sollten sie vollständig geknechtet werden, damit man sie in aller
Ruhe aussaugen konnte. Wenzel bewirkte durch jene Maßregel nichts, als daß
sich der Grimm des schon aufgeregten Volkes .von ^den Patriciern ab jetzt
allein gegen ihn wandte. Es fehlt mir um Raum, um die Ereignisse dieser
Jahre hier im Einzelnen vorzuführen, ich bemerke deshalb nur, daß von jetzt
an fast Jahr sür Jahr die Kämpfe sich wiederholen, indem die empörte Menge
den von Wenzel ernannten Rath zur Abdankung zwingt und selbst einen
neuen erwählt, der dann wiederum von dem König verworfen wird. Dieser
letztere sieht auch wol das Bedenkliche seiner Handlungsweise ein und
versucht dann zu widerholten Malen, der Bürgerschaft das Wahlrecht zurück¬
zugeben, aber dann zeigt sich ihm immer der neue Rath so ungehorsam, daß
er wieder zur Absetzung desselben schreiten muß, und als er 1407 der Stadt
eine sehr bedeutende Geldstrafe auferlegt, macht er natürlich das Uebel noch
ärger, besonders da man in Breslau sehr wohl weiß, wie sehr dem König
durch die böhmischen Wirren die Hände gebunden sind. So verwickeln sich
denn die Verhältnisse mehr und mehr. Ein recht Helles Licht auf dieselben
wirft ein im städtischen Archiv zu Breslau befindliches Actenstück, welches den
Verlauf der Ereignisse von 1413—15 schildert. Seitdem Jahre 1412 herrschte
in Breslau eine furchtbare Pest, die unzählige Opfer forderte und im Jahr
1413 auch einen großen Theil der Rathsmitglieder und Schöppen wegraffte,
weshalb die Bürgerschaft den Rath in einem ihr zusagenden Sinne neu con-
stituirte. Dieser neue Rath trat aber sofort in eine oppositionelle Stellung
zum König. „Des Rathes Tisch ist unsern Eltern sauer geworden, ich will
diesen Tisch bei Würden behalten äußerte sich einer derselben. Vergebens
wartet der König auf eine Anzeige der getroffenen Veränderungen, man er¬
wählt gegen seinen ausgesprochenen Willen bei Ablauf des Amtsjahres neue
Consuln, die noch ungehorsamer sind als die früheren; auf wiederholte Mah¬
nungen ihm Gesandte zu schicken, erhält er lange Zeit gar keine Antwort
und endlich nichts als Ausflüchte, es seien die Wege unsicher, der Jahrmarkt


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[0074] Die Hauptsache war. daß er bei den immer bedenklicher werdenden Ver¬ wicklungen Böhmens mehr als je Geld brauchte, während auch der bres- lauer Rath, dem immer die unangenehmste Rolle bei dem Geldeintreiben zufiel, von beiden Seiten gedrängt endlich selbst Schwierigkeiten zu machen, anfing, so daß Wenzel 1399 zu dem Mittel griff, der Stadt einen Rath zu oc- troyiren, mit einigen Beisitzern aus den Zünften. Aber weit entfernt, hier¬ durch den Aufstand ganz zu dämpfen, entflammte er ihn vielmehr von neuem. Die Breslauer hatten bisher zwar alljährlich ihre Steuern und außerordentliche Contributionen an den König gezahlt, aber dabei doch ihre vollständige Selbstregierung gehabt; ihnen mußte jenes Ver¬ fahren wie ein Angriff auf ihre althergebrachte Selbststündigkeit erscheinen, es schien als sollten sie vollständig geknechtet werden, damit man sie in aller Ruhe aussaugen konnte. Wenzel bewirkte durch jene Maßregel nichts, als daß sich der Grimm des schon aufgeregten Volkes .von ^den Patriciern ab jetzt allein gegen ihn wandte. Es fehlt mir um Raum, um die Ereignisse dieser Jahre hier im Einzelnen vorzuführen, ich bemerke deshalb nur, daß von jetzt an fast Jahr sür Jahr die Kämpfe sich wiederholen, indem die empörte Menge den von Wenzel ernannten Rath zur Abdankung zwingt und selbst einen neuen erwählt, der dann wiederum von dem König verworfen wird. Dieser letztere sieht auch wol das Bedenkliche seiner Handlungsweise ein und versucht dann zu widerholten Malen, der Bürgerschaft das Wahlrecht zurück¬ zugeben, aber dann zeigt sich ihm immer der neue Rath so ungehorsam, daß er wieder zur Absetzung desselben schreiten muß, und als er 1407 der Stadt eine sehr bedeutende Geldstrafe auferlegt, macht er natürlich das Uebel noch ärger, besonders da man in Breslau sehr wohl weiß, wie sehr dem König durch die böhmischen Wirren die Hände gebunden sind. So verwickeln sich denn die Verhältnisse mehr und mehr. Ein recht Helles Licht auf dieselben wirft ein im städtischen Archiv zu Breslau befindliches Actenstück, welches den Verlauf der Ereignisse von 1413—15 schildert. Seitdem Jahre 1412 herrschte in Breslau eine furchtbare Pest, die unzählige Opfer forderte und im Jahr 1413 auch einen großen Theil der Rathsmitglieder und Schöppen wegraffte, weshalb die Bürgerschaft den Rath in einem ihr zusagenden Sinne neu con- stituirte. Dieser neue Rath trat aber sofort in eine oppositionelle Stellung zum König. „Des Rathes Tisch ist unsern Eltern sauer geworden, ich will diesen Tisch bei Würden behalten äußerte sich einer derselben. Vergebens wartet der König auf eine Anzeige der getroffenen Veränderungen, man er¬ wählt gegen seinen ausgesprochenen Willen bei Ablauf des Amtsjahres neue Consuln, die noch ungehorsamer sind als die früheren; auf wiederholte Mah¬ nungen ihm Gesandte zu schicken, erhält er lange Zeit gar keine Antwort und endlich nichts als Ausflüchte, es seien die Wege unsicher, der Jahrmarkt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/74>, abgerufen am 24.07.2024.