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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Die Bürgerschaft konnte ihr Auge solchen Verdiensten nicht verschließen,.,
um so weniger da er auch ein Uebersehen des Rathes zu verhindern suchte
und die Konsuln uicht nur wiederholt zur strengsten unparteiischen Gerechtig-
keitspflege ermahnte, sondern auch sehr bezeichnend beifügte, der Nath solle
Unruhen und Streitigkeiten weniger durch Gewalt als durch Klugheit nieder-
linltcn. Hatte er doch auch in einer oftmaligen Zuziehung der Vertreter der
Zünfte, der Geschworenen, ein Mittel in den Händen, den Wünschen der Hand¬
werker einigermaßen gerecht zu werden, und wir sehen den Kaiser wie den
Nath oft davon Gebrauch macheu. Und selbst die Geldopfer, die er von der
Stadt verlangte, und die uicht unbedeutend waren, wurden nicht mehr, so
drückend empfunden als früher, indem mau es inzwischen gelernt hatte, ganz
kunstgemäß Schulden zu machen und städtische Schuldverschreibungen in Cours
zu setzen, so daß die ungeheuern Verschiedenheiten des Finanzctats, die früher
so sehr den Unwillen der Bevölkerung erregt, nun uicht mehr vorkommen.

Freilich hörte die gute Zeit auf, als nach dem Tode Karls 1378 dessen
Sohn Wenzel zur Negierung kam. Zwar nicht augenblicklich ließ sich die
Ordnung des Gemeinwesens erschüttern, es ist auch für uns uicht wahrzu
nehmen, daß etwa besondere Mißbräuche sich jetzt eingeschlichen und das Boll
aufgeregt hätten, es zeigte sich aber doch, wie viel Karl, obwol er scheinbar
die Stadt sich ganz selbst überlassen, durch eine kluge und für Breslau wahr¬
haft förderliche Oberleitung zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe beigetragen
hatte. Der König Wenzel, wie viel Uebles wußte nicht das Volk immer von
ihm zu erzählen, daß er den Beichtvater seiner Gemahlin Jot), v. Nepomuk
in der Moldau ertränken lassen, daß er mit dem Scharfrichter enge Freund¬
schaft geschlossen, und ihm die Tilgung seiner Schulden übertragen, auf die
allerbequemste Weise, indem er seine Gläubiger eiuen Kopf kürzer machen ließ,
daß er sich entsetzliche Bestien von Hunden gehalten, durch welche eine seiner
Gemahlinnen eines Nachts zerrissen wurde. Nun hat zwar die historische
Kritik unsrer Zeit unter jenen Geschichten gewaltig aufgeräumt, etwas ist aber
doch immer geblieben, man muß immer noch zugestehn, daß Wenzel etwas von
einem orientalischen Despoten an sich holte. Was Wenzels Unglück gewesen ist,
war eben jenes Schwanken zwischen auffahrender Gewaltsamkeit und schlaffer
Nachgiebigkeit, Eigenschaften, welche, wo immer sie vereint bei einem gekrönten
Haupte ausgetreten sind, nie verfehlt haben großes Unglück anzurichten. Man
muß sagen, den Brcslauern gegenüber war es vor allein die Schwäche Wenzels,
die viel Unheil verschuldet hat, weil sie eben dann auch eine sehr berechtigte
Strenge im Lichte eine"! Gewaltthat erscheinen ließ.

Es konnte den Brcslauern nicht lange verborgen bleiben, daß nicht mehr
die kluge und feste Hand Karls die Zügel der Negierung halte, und daß der
Schild der königlichen Majestät, der so lange schützend über dem breslaucr


Die Bürgerschaft konnte ihr Auge solchen Verdiensten nicht verschließen,.,
um so weniger da er auch ein Uebersehen des Rathes zu verhindern suchte
und die Konsuln uicht nur wiederholt zur strengsten unparteiischen Gerechtig-
keitspflege ermahnte, sondern auch sehr bezeichnend beifügte, der Nath solle
Unruhen und Streitigkeiten weniger durch Gewalt als durch Klugheit nieder-
linltcn. Hatte er doch auch in einer oftmaligen Zuziehung der Vertreter der
Zünfte, der Geschworenen, ein Mittel in den Händen, den Wünschen der Hand¬
werker einigermaßen gerecht zu werden, und wir sehen den Kaiser wie den
Nath oft davon Gebrauch macheu. Und selbst die Geldopfer, die er von der
Stadt verlangte, und die uicht unbedeutend waren, wurden nicht mehr, so
drückend empfunden als früher, indem mau es inzwischen gelernt hatte, ganz
kunstgemäß Schulden zu machen und städtische Schuldverschreibungen in Cours
zu setzen, so daß die ungeheuern Verschiedenheiten des Finanzctats, die früher
so sehr den Unwillen der Bevölkerung erregt, nun uicht mehr vorkommen.

Freilich hörte die gute Zeit auf, als nach dem Tode Karls 1378 dessen
Sohn Wenzel zur Negierung kam. Zwar nicht augenblicklich ließ sich die
Ordnung des Gemeinwesens erschüttern, es ist auch für uns uicht wahrzu
nehmen, daß etwa besondere Mißbräuche sich jetzt eingeschlichen und das Boll
aufgeregt hätten, es zeigte sich aber doch, wie viel Karl, obwol er scheinbar
die Stadt sich ganz selbst überlassen, durch eine kluge und für Breslau wahr¬
haft förderliche Oberleitung zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe beigetragen
hatte. Der König Wenzel, wie viel Uebles wußte nicht das Volk immer von
ihm zu erzählen, daß er den Beichtvater seiner Gemahlin Jot), v. Nepomuk
in der Moldau ertränken lassen, daß er mit dem Scharfrichter enge Freund¬
schaft geschlossen, und ihm die Tilgung seiner Schulden übertragen, auf die
allerbequemste Weise, indem er seine Gläubiger eiuen Kopf kürzer machen ließ,
daß er sich entsetzliche Bestien von Hunden gehalten, durch welche eine seiner
Gemahlinnen eines Nachts zerrissen wurde. Nun hat zwar die historische
Kritik unsrer Zeit unter jenen Geschichten gewaltig aufgeräumt, etwas ist aber
doch immer geblieben, man muß immer noch zugestehn, daß Wenzel etwas von
einem orientalischen Despoten an sich holte. Was Wenzels Unglück gewesen ist,
war eben jenes Schwanken zwischen auffahrender Gewaltsamkeit und schlaffer
Nachgiebigkeit, Eigenschaften, welche, wo immer sie vereint bei einem gekrönten
Haupte ausgetreten sind, nie verfehlt haben großes Unglück anzurichten. Man
muß sagen, den Brcslauern gegenüber war es vor allein die Schwäche Wenzels,
die viel Unheil verschuldet hat, weil sie eben dann auch eine sehr berechtigte
Strenge im Lichte eine»! Gewaltthat erscheinen ließ.

Es konnte den Brcslauern nicht lange verborgen bleiben, daß nicht mehr
die kluge und feste Hand Karls die Zügel der Negierung halte, und daß der
Schild der königlichen Majestät, der so lange schützend über dem breslaucr


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[0072] Die Bürgerschaft konnte ihr Auge solchen Verdiensten nicht verschließen,., um so weniger da er auch ein Uebersehen des Rathes zu verhindern suchte und die Konsuln uicht nur wiederholt zur strengsten unparteiischen Gerechtig- keitspflege ermahnte, sondern auch sehr bezeichnend beifügte, der Nath solle Unruhen und Streitigkeiten weniger durch Gewalt als durch Klugheit nieder- linltcn. Hatte er doch auch in einer oftmaligen Zuziehung der Vertreter der Zünfte, der Geschworenen, ein Mittel in den Händen, den Wünschen der Hand¬ werker einigermaßen gerecht zu werden, und wir sehen den Kaiser wie den Nath oft davon Gebrauch macheu. Und selbst die Geldopfer, die er von der Stadt verlangte, und die uicht unbedeutend waren, wurden nicht mehr, so drückend empfunden als früher, indem mau es inzwischen gelernt hatte, ganz kunstgemäß Schulden zu machen und städtische Schuldverschreibungen in Cours zu setzen, so daß die ungeheuern Verschiedenheiten des Finanzctats, die früher so sehr den Unwillen der Bevölkerung erregt, nun uicht mehr vorkommen. Freilich hörte die gute Zeit auf, als nach dem Tode Karls 1378 dessen Sohn Wenzel zur Negierung kam. Zwar nicht augenblicklich ließ sich die Ordnung des Gemeinwesens erschüttern, es ist auch für uns uicht wahrzu nehmen, daß etwa besondere Mißbräuche sich jetzt eingeschlichen und das Boll aufgeregt hätten, es zeigte sich aber doch, wie viel Karl, obwol er scheinbar die Stadt sich ganz selbst überlassen, durch eine kluge und für Breslau wahr¬ haft förderliche Oberleitung zur Erhaltung der öffentlichen Ruhe beigetragen hatte. Der König Wenzel, wie viel Uebles wußte nicht das Volk immer von ihm zu erzählen, daß er den Beichtvater seiner Gemahlin Jot), v. Nepomuk in der Moldau ertränken lassen, daß er mit dem Scharfrichter enge Freund¬ schaft geschlossen, und ihm die Tilgung seiner Schulden übertragen, auf die allerbequemste Weise, indem er seine Gläubiger eiuen Kopf kürzer machen ließ, daß er sich entsetzliche Bestien von Hunden gehalten, durch welche eine seiner Gemahlinnen eines Nachts zerrissen wurde. Nun hat zwar die historische Kritik unsrer Zeit unter jenen Geschichten gewaltig aufgeräumt, etwas ist aber doch immer geblieben, man muß immer noch zugestehn, daß Wenzel etwas von einem orientalischen Despoten an sich holte. Was Wenzels Unglück gewesen ist, war eben jenes Schwanken zwischen auffahrender Gewaltsamkeit und schlaffer Nachgiebigkeit, Eigenschaften, welche, wo immer sie vereint bei einem gekrönten Haupte ausgetreten sind, nie verfehlt haben großes Unglück anzurichten. Man muß sagen, den Brcslauern gegenüber war es vor allein die Schwäche Wenzels, die viel Unheil verschuldet hat, weil sie eben dann auch eine sehr berechtigte Strenge im Lichte eine»! Gewaltthat erscheinen ließ. Es konnte den Brcslauern nicht lange verborgen bleiben, daß nicht mehr die kluge und feste Hand Karls die Zügel der Negierung halte, und daß der Schild der königlichen Majestät, der so lange schützend über dem breslaucr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/72>, abgerufen am 24.07.2024.