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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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sich auch nicht selten in Breslau sehn und war sehr geneigt. seine kronprinzliche
Gnade und Wohlgewogenheit in gutes Silber umzusetzen. Was die Bürger¬
schaft anbetrifft, so wiederholen sich wenigstens die traurigen Scenen von
1333 nicht, obwol die jährliche Wahl der Konsuln sicher nicht ohne Aufregung
der Bürger vor sich gehen mochte. Um dieser zu begegnen, erließ Johann
1343 eine Verordnung, nach welcher das Rathsherrnamt auf lebenslang ver¬
liehen werden sollte. Gegenüber dieser Verstärkung des aristokratischen Elements
in der Verfassung war es als eine liberale Concession anzusehn. daß dabei
die Zahl der Rathsmitglieder auf 32 erhöht wurde, welche die Bürgerschaft
wählen sollte, und bei denen man ohne Zweifel auch auf eine Vertretung
der Zünfte rechnen konnte.

Ohne daß es sür uns aus den Rechnungsbüchern ersichtlich wäre, ob
und inwiefern jene Einrichtung einen Systemwechsel in der Negierung hervor¬
gebracht, wissen wir nur. daß dieselbe wenig beliebt war. und daß deshalb
beim Tode Johanns 134K einige Konsuln sich an dessen Nachfolger wandten,
ihm vorstellend. es habe um den Rath. wie um die ganze Stadt besser ge¬
standen, als die Kur der achtjährlichen Konsuln Brauch gewesen.

Karl willfahrtete diesen Bitten, und aufs neue eingelenkt in dre alten
Bahnen bewegt sich das städtische Regiment und nicht zum Nachtheil der
Stadt. Es ist bekannt, daß Karl ein ebenso guter Regent sür seine Erdtaube
war. als ein schlechter für das Reich. Er hat für Breslau in einer wahrhaft
landesväterlichen Weise gesorgt. Mit vollem Rechte trägt noch heut eme
Straße der Stadt seinen Namen; er war es. der. nachdem zwei furchtbare
Feuersbrünste Breslau verwüstet, mit Klugheit und Verständniß den Neubau
anordnete, und die alte Südgrenze der Ohlau überschreitend, die Ringmauern
Zweckmäßig weiter hinausschob, auch durch Steuererlasse und Schenkungen es
der Stadt möglich machte, über die Zeiten der Noth leichter hinwegzukommen.
Für den Handel Breslaus sorgte er in der ersprießlichsten Weise, acht blos
äußerlich, durch Ertheilung wohlbezahlter Privilegien, sondern indem er sich
selbst der Sache annahm, und das Gewicht seines Ansehens in die Wag-
schale warf. Wir finden! daß er in solcher Absicht ernstlich mit dem deutschen
Orden unterhandelt, nach Ungarn hin den Breslauern freien Handel verschafft
und den König von Polen, der Schwierigkeiten machen will, durch Drohungen
einschüchtert. Er achtet nicht der Eisersucht seiner Hauptstadt Prag, welche
den Breslauern den freien Durchzug mit ihren Waaren nicht gestatten ont.
dabei gibt er diesen einen neuen jährlichen Markt und hält selbst dem mäch¬
tigen Klerus, ebenso wie den schlesischen Fürsten gegenüber die Rechte der
Bürgerschaft mit starker Hand aufrecht. Der brcslauer Rath nahm unter
Karl IV. eine so geachtete Stellung ein. daß er mehrfach als gewählter
Schiedsrichter erscheint bei den Streitigkeiten schlesischer Fürsten.


sich auch nicht selten in Breslau sehn und war sehr geneigt. seine kronprinzliche
Gnade und Wohlgewogenheit in gutes Silber umzusetzen. Was die Bürger¬
schaft anbetrifft, so wiederholen sich wenigstens die traurigen Scenen von
1333 nicht, obwol die jährliche Wahl der Konsuln sicher nicht ohne Aufregung
der Bürger vor sich gehen mochte. Um dieser zu begegnen, erließ Johann
1343 eine Verordnung, nach welcher das Rathsherrnamt auf lebenslang ver¬
liehen werden sollte. Gegenüber dieser Verstärkung des aristokratischen Elements
in der Verfassung war es als eine liberale Concession anzusehn. daß dabei
die Zahl der Rathsmitglieder auf 32 erhöht wurde, welche die Bürgerschaft
wählen sollte, und bei denen man ohne Zweifel auch auf eine Vertretung
der Zünfte rechnen konnte.

Ohne daß es sür uns aus den Rechnungsbüchern ersichtlich wäre, ob
und inwiefern jene Einrichtung einen Systemwechsel in der Negierung hervor¬
gebracht, wissen wir nur. daß dieselbe wenig beliebt war. und daß deshalb
beim Tode Johanns 134K einige Konsuln sich an dessen Nachfolger wandten,
ihm vorstellend. es habe um den Rath. wie um die ganze Stadt besser ge¬
standen, als die Kur der achtjährlichen Konsuln Brauch gewesen.

Karl willfahrtete diesen Bitten, und aufs neue eingelenkt in dre alten
Bahnen bewegt sich das städtische Regiment und nicht zum Nachtheil der
Stadt. Es ist bekannt, daß Karl ein ebenso guter Regent sür seine Erdtaube
war. als ein schlechter für das Reich. Er hat für Breslau in einer wahrhaft
landesväterlichen Weise gesorgt. Mit vollem Rechte trägt noch heut eme
Straße der Stadt seinen Namen; er war es. der. nachdem zwei furchtbare
Feuersbrünste Breslau verwüstet, mit Klugheit und Verständniß den Neubau
anordnete, und die alte Südgrenze der Ohlau überschreitend, die Ringmauern
Zweckmäßig weiter hinausschob, auch durch Steuererlasse und Schenkungen es
der Stadt möglich machte, über die Zeiten der Noth leichter hinwegzukommen.
Für den Handel Breslaus sorgte er in der ersprießlichsten Weise, acht blos
äußerlich, durch Ertheilung wohlbezahlter Privilegien, sondern indem er sich
selbst der Sache annahm, und das Gewicht seines Ansehens in die Wag-
schale warf. Wir finden! daß er in solcher Absicht ernstlich mit dem deutschen
Orden unterhandelt, nach Ungarn hin den Breslauern freien Handel verschafft
und den König von Polen, der Schwierigkeiten machen will, durch Drohungen
einschüchtert. Er achtet nicht der Eisersucht seiner Hauptstadt Prag, welche
den Breslauern den freien Durchzug mit ihren Waaren nicht gestatten ont.
dabei gibt er diesen einen neuen jährlichen Markt und hält selbst dem mäch¬
tigen Klerus, ebenso wie den schlesischen Fürsten gegenüber die Rechte der
Bürgerschaft mit starker Hand aufrecht. Der brcslauer Rath nahm unter
Karl IV. eine so geachtete Stellung ein. daß er mehrfach als gewählter
Schiedsrichter erscheint bei den Streitigkeiten schlesischer Fürsten.


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[0071] sich auch nicht selten in Breslau sehn und war sehr geneigt. seine kronprinzliche Gnade und Wohlgewogenheit in gutes Silber umzusetzen. Was die Bürger¬ schaft anbetrifft, so wiederholen sich wenigstens die traurigen Scenen von 1333 nicht, obwol die jährliche Wahl der Konsuln sicher nicht ohne Aufregung der Bürger vor sich gehen mochte. Um dieser zu begegnen, erließ Johann 1343 eine Verordnung, nach welcher das Rathsherrnamt auf lebenslang ver¬ liehen werden sollte. Gegenüber dieser Verstärkung des aristokratischen Elements in der Verfassung war es als eine liberale Concession anzusehn. daß dabei die Zahl der Rathsmitglieder auf 32 erhöht wurde, welche die Bürgerschaft wählen sollte, und bei denen man ohne Zweifel auch auf eine Vertretung der Zünfte rechnen konnte. Ohne daß es sür uns aus den Rechnungsbüchern ersichtlich wäre, ob und inwiefern jene Einrichtung einen Systemwechsel in der Negierung hervor¬ gebracht, wissen wir nur. daß dieselbe wenig beliebt war. und daß deshalb beim Tode Johanns 134K einige Konsuln sich an dessen Nachfolger wandten, ihm vorstellend. es habe um den Rath. wie um die ganze Stadt besser ge¬ standen, als die Kur der achtjährlichen Konsuln Brauch gewesen. Karl willfahrtete diesen Bitten, und aufs neue eingelenkt in dre alten Bahnen bewegt sich das städtische Regiment und nicht zum Nachtheil der Stadt. Es ist bekannt, daß Karl ein ebenso guter Regent sür seine Erdtaube war. als ein schlechter für das Reich. Er hat für Breslau in einer wahrhaft landesväterlichen Weise gesorgt. Mit vollem Rechte trägt noch heut eme Straße der Stadt seinen Namen; er war es. der. nachdem zwei furchtbare Feuersbrünste Breslau verwüstet, mit Klugheit und Verständniß den Neubau anordnete, und die alte Südgrenze der Ohlau überschreitend, die Ringmauern Zweckmäßig weiter hinausschob, auch durch Steuererlasse und Schenkungen es der Stadt möglich machte, über die Zeiten der Noth leichter hinwegzukommen. Für den Handel Breslaus sorgte er in der ersprießlichsten Weise, acht blos äußerlich, durch Ertheilung wohlbezahlter Privilegien, sondern indem er sich selbst der Sache annahm, und das Gewicht seines Ansehens in die Wag- schale warf. Wir finden! daß er in solcher Absicht ernstlich mit dem deutschen Orden unterhandelt, nach Ungarn hin den Breslauern freien Handel verschafft und den König von Polen, der Schwierigkeiten machen will, durch Drohungen einschüchtert. Er achtet nicht der Eisersucht seiner Hauptstadt Prag, welche den Breslauern den freien Durchzug mit ihren Waaren nicht gestatten ont. dabei gibt er diesen einen neuen jährlichen Markt und hält selbst dem mäch¬ tigen Klerus, ebenso wie den schlesischen Fürsten gegenüber die Rechte der Bürgerschaft mit starker Hand aufrecht. Der brcslauer Rath nahm unter Karl IV. eine so geachtete Stellung ein. daß er mehrfach als gewählter Schiedsrichter erscheint bei den Streitigkeiten schlesischer Fürsten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/71>, abgerufen am 24.07.2024.