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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Aufstand erregten. Die Zeit war günstig gewühlt, denn eben das Jahr vor¬
her war eine solche erhöhte Besteuerung der Bürgerschaft, die das Budget
um mehr als ein Drittel steigerte, dadurch nothwendig geworden, daß die Bürger
König Johann bei Gelegenheit seines Aufenthalts in Breslau dreimal hatten
auslösen, d. h. dreimal für ihn die Bezahlung seiner Schulden übernehmen
müssen, und die neue Art der Steuererhebung, bei welcher der Rath eine eid¬
liche Angabe des Einkommens zum Zweck der Schützung verlangt hatte, er¬
bitterte noch mehr.

Tumultuarisch zog denn eine Schar, an der Spitze die Tuchmacher, vor
den Herzog, um den Nath anzuklagen wegen Vergeudung der öffentlichen
Gelder. "Nicht in Eure Kasse kommt das Geld," sagten sie dem Herzog,
"sondern ihre Töchter und Anverwandten statten sie damit aus." Freilich
vermochten sie auf des Herzogs Frage keine andern Beweise vorzubringen,
als daß der Stärkste unter ihnen um seinen Dolch schlug, und die Rädels¬
führer von 900 Bewaffneten sprachen, die ihres Winkes gewärtig ständen.
Dann fügten sie zur Drohung die Versprechung, vermaßen sich, dem Herzog
ein Faß gefüllt mit Silber und eins mit Gold zu geben, wenn er ihre Partei
ergreifen wolle.

Es ist dies nicht unerhört in der Geschichte der städtischen Verfassungs¬
kämpfe, daß die Zünfte den Fürsten durch Geldversprechungen auf ihre Seite
bringen; in Regensburg haben auf diese Weise die Handwerker den Schutz
der bairischen Herzöge erlangt. Hier aber mußte eine solche Bestrebung noth¬
wendig scheitern; Herzog Heinrich Hütte, selbst wenn er gewollt Hütte, gebun¬
den wie er war durch sein Verhältniß zu Böhmen, nicht wol ein Bündniß
mit der Revolution eingehen und so tumultuarisch angebotene Vortheile an¬
nehmen können. Er hielt ernst und fest den Aufstand nieder. Drei der schul¬
digster wurden enthauptet, sechs des Landes verwiesen.

Schon zwei Jahr darauf starb Herzog Heinrich. den Breslauern unver¬
geßlich durch seine liebenswürdigen, uns urkundlich überlieferten Worte, er
wolle, daß man in Breslau nicht nur lebe und esse, sondern gut lebe und
gut esse.

Nun siel Breslau definitiv an Böhmen und jene oben angedeuteten Ver¬
hältnisse entwickelten sich noch deutlicher als früher. Schon die unmittelbar
darauf folgenden Jahre zeigen uns eine Fülle königlicher Privilegien, durch
welche theils Hindernisse des Handels weggeräumt, theils neue Einnahme¬
quellen der Stadt eröffnet, theils auch die Autorität des Rathes befestigt
werden sollte. Dafür zahlt die Stadt. Der Ausgabcetat erhält sich in diesen
Zeiten auf einer Höhe, die früher nur in ganz außerordentlichen Fällen er¬
reicht worden war, der König leistete selbst viel im Geldverbrauchen, und sein
Sohn, der spätere römische Kaiser, damals noch Markgraf von Mähren, ließ


Aufstand erregten. Die Zeit war günstig gewühlt, denn eben das Jahr vor¬
her war eine solche erhöhte Besteuerung der Bürgerschaft, die das Budget
um mehr als ein Drittel steigerte, dadurch nothwendig geworden, daß die Bürger
König Johann bei Gelegenheit seines Aufenthalts in Breslau dreimal hatten
auslösen, d. h. dreimal für ihn die Bezahlung seiner Schulden übernehmen
müssen, und die neue Art der Steuererhebung, bei welcher der Rath eine eid¬
liche Angabe des Einkommens zum Zweck der Schützung verlangt hatte, er¬
bitterte noch mehr.

Tumultuarisch zog denn eine Schar, an der Spitze die Tuchmacher, vor
den Herzog, um den Nath anzuklagen wegen Vergeudung der öffentlichen
Gelder. „Nicht in Eure Kasse kommt das Geld," sagten sie dem Herzog,
„sondern ihre Töchter und Anverwandten statten sie damit aus." Freilich
vermochten sie auf des Herzogs Frage keine andern Beweise vorzubringen,
als daß der Stärkste unter ihnen um seinen Dolch schlug, und die Rädels¬
führer von 900 Bewaffneten sprachen, die ihres Winkes gewärtig ständen.
Dann fügten sie zur Drohung die Versprechung, vermaßen sich, dem Herzog
ein Faß gefüllt mit Silber und eins mit Gold zu geben, wenn er ihre Partei
ergreifen wolle.

Es ist dies nicht unerhört in der Geschichte der städtischen Verfassungs¬
kämpfe, daß die Zünfte den Fürsten durch Geldversprechungen auf ihre Seite
bringen; in Regensburg haben auf diese Weise die Handwerker den Schutz
der bairischen Herzöge erlangt. Hier aber mußte eine solche Bestrebung noth¬
wendig scheitern; Herzog Heinrich Hütte, selbst wenn er gewollt Hütte, gebun¬
den wie er war durch sein Verhältniß zu Böhmen, nicht wol ein Bündniß
mit der Revolution eingehen und so tumultuarisch angebotene Vortheile an¬
nehmen können. Er hielt ernst und fest den Aufstand nieder. Drei der schul¬
digster wurden enthauptet, sechs des Landes verwiesen.

Schon zwei Jahr darauf starb Herzog Heinrich. den Breslauern unver¬
geßlich durch seine liebenswürdigen, uns urkundlich überlieferten Worte, er
wolle, daß man in Breslau nicht nur lebe und esse, sondern gut lebe und
gut esse.

Nun siel Breslau definitiv an Böhmen und jene oben angedeuteten Ver¬
hältnisse entwickelten sich noch deutlicher als früher. Schon die unmittelbar
darauf folgenden Jahre zeigen uns eine Fülle königlicher Privilegien, durch
welche theils Hindernisse des Handels weggeräumt, theils neue Einnahme¬
quellen der Stadt eröffnet, theils auch die Autorität des Rathes befestigt
werden sollte. Dafür zahlt die Stadt. Der Ausgabcetat erhält sich in diesen
Zeiten auf einer Höhe, die früher nur in ganz außerordentlichen Fällen er¬
reicht worden war, der König leistete selbst viel im Geldverbrauchen, und sein
Sohn, der spätere römische Kaiser, damals noch Markgraf von Mähren, ließ


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/70>, abgerufen am 24.07.2024.