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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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aufzugehen hat. keine absolute sein. Absolute Form schreibt das Schema vor
und ist darum mit aller wahren Kunst unverträglich. Von den Verfassern
der Börsenprojeete macht nur der Hermesverfasser einen schwachen Versuch,
den durchgehenden Saalbau im Aeußern zu zeigen; er fehlte, weil er das
Hauptmoment des Baues, den Saalbau. nicht zum Hauptmoment der Fa?abe
machte, es nur als untergeordnetes. Motiv an der hintersten Partie der zer¬
stückelten Friedrichsftrahenfc^abe anwandte. Die übrigen Fanden zeigen besten
Falls eine Reihe von durch schwache Schäfte getrennten Fenstern in zon
Stockwerken übereinander; daß sich keines derselben über die conventionellen
Formen der berliner Schule erhebt, haben wir oben schon erwähnt.

Für die Bildung des Innenraums ist die Art und Weise der Ueberdeckung
maßgebend. Eine Reihe von Plänen construirt das Deckengerüst aus Eisen und
wölbt dasselbe mit Stein aus. Beispiele derselben Art der Ueberdeckung gewähren
die Deckenbiidungen des griechischen Saals im Neuen Museum zu Berlin, wie des
Vibliothetsaales von Se. Geneviöve zu Paris; beide Beispiele geben aber auch
den Beleg dafür, daß derartige Constructionen mit den Anforderungen, die
wir an ein monumentales Bauwerk stellen, unvereinbar sind. Die Verwen-
dung des Eisens zu solchen Constructionen geschieht in der Form von Stäben,
die Construction wird aber um so vollkommener sein, je geringer die Starke
der erforderlichen Stäbe angenommen werden kann. Die architektonische
Schönheit aber ist eine rhythmische, in den Verhältnissen ruhende, ein Mißver-
hältniß zwischen Kraft und Masse darum unschön. Ein solches Mißverhältniß wnd
aber naturnothwendig da eintreten müssen, wo eine gewaltige Last von wenigen
dünnen Stäben gestützt und getragen wird, bei der Eisenconstruction; dem
Getragenen fehlt eben das augenfällig Tragende. Dann aber wird der "Grad
der Naumeröffnung". der in der Eisenconstruction nicht nur ermöglicht, son¬
dern gradezu bedungen ist. eine Alterirung des Wohlverhültnisses herbeiführen,
die. weil den Rhythmus der Verhältnisse störend, der Aufgabe der monumen-
Wien Baukunst diametral entgegenläuft. Dazu kommt, wie Bischer richtig
bemerkt, "daß aus dem Eisen sich das decorative Element nicht organisch ent¬
wickeln läßt; denn eben weil die Leistung mit so wemg Aufwand von Masse
geschieht, eignet sie sich nicht zu einem entsprechenden Ausdruck in kräftig
hervorschwellenden und wieder eingezogenen Gliedern; aus den mechani,chen
Verbindungen durch Schweißen, Schrauben :c. läßt sich keine organisch be-
gründete Symbolik als Ausdruck des Zusammenstoßes entwickeln, und bei der
eigentlichen Ornamentik wird die Dünne übel wirken, wie in den structiven
Theilen." Die gesuchte und spielende Decoration des berliner Gewölbebinders,
die überdies der Zugstange rein äußerlich und willkürlich aufgesetzt ist. liefert
für das Gesagte einen schlagenden Beweis. Die Anwendung des Eisens zu
Ueberdeckungen in der Form von Stäben scheint demnach, sofern sie in sicht-


aufzugehen hat. keine absolute sein. Absolute Form schreibt das Schema vor
und ist darum mit aller wahren Kunst unverträglich. Von den Verfassern
der Börsenprojeete macht nur der Hermesverfasser einen schwachen Versuch,
den durchgehenden Saalbau im Aeußern zu zeigen; er fehlte, weil er das
Hauptmoment des Baues, den Saalbau. nicht zum Hauptmoment der Fa?abe
machte, es nur als untergeordnetes. Motiv an der hintersten Partie der zer¬
stückelten Friedrichsftrahenfc^abe anwandte. Die übrigen Fanden zeigen besten
Falls eine Reihe von durch schwache Schäfte getrennten Fenstern in zon
Stockwerken übereinander; daß sich keines derselben über die conventionellen
Formen der berliner Schule erhebt, haben wir oben schon erwähnt.

Für die Bildung des Innenraums ist die Art und Weise der Ueberdeckung
maßgebend. Eine Reihe von Plänen construirt das Deckengerüst aus Eisen und
wölbt dasselbe mit Stein aus. Beispiele derselben Art der Ueberdeckung gewähren
die Deckenbiidungen des griechischen Saals im Neuen Museum zu Berlin, wie des
Vibliothetsaales von Se. Geneviöve zu Paris; beide Beispiele geben aber auch
den Beleg dafür, daß derartige Constructionen mit den Anforderungen, die
wir an ein monumentales Bauwerk stellen, unvereinbar sind. Die Verwen-
dung des Eisens zu solchen Constructionen geschieht in der Form von Stäben,
die Construction wird aber um so vollkommener sein, je geringer die Starke
der erforderlichen Stäbe angenommen werden kann. Die architektonische
Schönheit aber ist eine rhythmische, in den Verhältnissen ruhende, ein Mißver-
hältniß zwischen Kraft und Masse darum unschön. Ein solches Mißverhältniß wnd
aber naturnothwendig da eintreten müssen, wo eine gewaltige Last von wenigen
dünnen Stäben gestützt und getragen wird, bei der Eisenconstruction; dem
Getragenen fehlt eben das augenfällig Tragende. Dann aber wird der „Grad
der Naumeröffnung". der in der Eisenconstruction nicht nur ermöglicht, son¬
dern gradezu bedungen ist. eine Alterirung des Wohlverhültnisses herbeiführen,
die. weil den Rhythmus der Verhältnisse störend, der Aufgabe der monumen-
Wien Baukunst diametral entgegenläuft. Dazu kommt, wie Bischer richtig
bemerkt, „daß aus dem Eisen sich das decorative Element nicht organisch ent¬
wickeln läßt; denn eben weil die Leistung mit so wemg Aufwand von Masse
geschieht, eignet sie sich nicht zu einem entsprechenden Ausdruck in kräftig
hervorschwellenden und wieder eingezogenen Gliedern; aus den mechani,chen
Verbindungen durch Schweißen, Schrauben :c. läßt sich keine organisch be-
gründete Symbolik als Ausdruck des Zusammenstoßes entwickeln, und bei der
eigentlichen Ornamentik wird die Dünne übel wirken, wie in den structiven
Theilen." Die gesuchte und spielende Decoration des berliner Gewölbebinders,
die überdies der Zugstange rein äußerlich und willkürlich aufgesetzt ist. liefert
für das Gesagte einen schlagenden Beweis. Die Anwendung des Eisens zu
Ueberdeckungen in der Form von Stäben scheint demnach, sofern sie in sicht-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/65>, abgerufen am 24.07.2024.