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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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die ein wohldisponirter Plan verlangt. Bedacht genommen werde, ist wol ein
selbstverständliches Verlangen, dem freilich in den Planen wenig Rechnung
getragen worden ist. Bei einem Gebäude von so öffentlichem Charakter
mußte die Raumeintheilung eine gewisse Großartigkeit der Anordnung zeigen,
die diesem Charakter wesentlich entspricht. Die Aufgabe des Architekten war
es. selbst bei mäßigen NaumverlMnissen und trotz derselben eine solche Gro߬
artigkeit zu erzielen. Ein guter Architekt zeigt sich eben ganz besonders rin
Grundplan, in der Art und Weise, wie er ihn ordnet. Den klaren Sinn, der
das Wesen der Aufgabe durchdringt und ihr aus ihr heraus instinctiv Ge-
Währung schafft auf die den gebotenen Mitteln und gegebenen Verhältnissen
entsprechende Weise vermissen wir in diesen Plänen, wie wir ihn in den Planen
d"r berliner Schule überhaupt vermißt haben. Die Poesie der räumlichen
Verhältnisse, die Semper als den Triumph der Architektur bezeichnet, feiert in
diesen Plänen keinen Triumph. Daß aber selbst von Laien öffentlich und zu
wiederholten Malen die Pläne für ungenügend befunden, verzeichnen w>r ein¬
fach als eine vox xoMi, nur mit dem Bemerken, daß wir do Schuld nicht
dem Raume nur den Bearbeitern des Raumes, den Architekten, geben können.

Betrachten wir nun den Aufbau. Mit Ausnahme einer flüchtigen Skizze
"Lr, voluws Mai", behandelt nur ein Project ..Hermes", denselben als
ungeputzten Ziegelrohbau. Die Darstellungsgesetze für den Rohbau sind im
Material gegeben . Schinkel hat in seiner Bauschule ein Beispiel dafür
aufgestellt. Slüter in seiner Marcuskirche. Seller in seiner Michaelskirche
Ad (jedoch mit entschiedener Hinneigung zur mittelalterlichen Bauweise) im
Ganzen glücklich gefolgt; weniger glücklich ist der, Verfasser, des Hermesproiects
gewesen. Nach der Burgstrabe zeigt er uns eine langweilige. Fenster an
Fenster gerichtete Nundbogenfa^abe. eine Kaserne oder Schule könnte ebenso aus¬
sehen; nach der neuen Friedrichsstraße dagegen macht sich in.der hintern Hälfte der-
getheilten Fronte in zwei, großen Bogenfenstern ein dahinter liegender Borsen¬
saal bemerklich. Ueber den Bogenfenstern zieht sich ein gemauerter Architrav
hin. der von gemauerten, mit Fuß und Capital- versehenen Pilastern scheinbar
gelingen wird. Ein Epistylion. d. i. einen von Stütze zu Stütze sich frei tra¬
genden Steinbalken. Monolith, aus einzelnen wagrechten Backsteinschichten auf
w weiten Entfernungen gestellten Pilastern auflegen zu wollen, ist, eine Un-
Möglichkeit ein Unsinn. Der Hermesverfasser behandelt den Backsteinbau nach
der Schablone des Monolithenbaues; daß es für den gebrannten Stein andre
Stilgesetze als- für den gewachsenen Stein gebe, scheint! ihm nicht klar ge¬
worden zu sein. Alle übrigen Projecte führen uns eine durch Putz auf Back¬
stein hergestellte Hausteinarchitektur vor. und was, aw diesem Bestreben wahr
und gut sei. glauben, wir im. Obigen angedeutet zu haben.

So bleibt uns noch, übrig, den Aufbau in.Rücksicht auf die Charakteristik.


die ein wohldisponirter Plan verlangt. Bedacht genommen werde, ist wol ein
selbstverständliches Verlangen, dem freilich in den Planen wenig Rechnung
getragen worden ist. Bei einem Gebäude von so öffentlichem Charakter
mußte die Raumeintheilung eine gewisse Großartigkeit der Anordnung zeigen,
die diesem Charakter wesentlich entspricht. Die Aufgabe des Architekten war
es. selbst bei mäßigen NaumverlMnissen und trotz derselben eine solche Gro߬
artigkeit zu erzielen. Ein guter Architekt zeigt sich eben ganz besonders rin
Grundplan, in der Art und Weise, wie er ihn ordnet. Den klaren Sinn, der
das Wesen der Aufgabe durchdringt und ihr aus ihr heraus instinctiv Ge-
Währung schafft auf die den gebotenen Mitteln und gegebenen Verhältnissen
entsprechende Weise vermissen wir in diesen Plänen, wie wir ihn in den Planen
d«r berliner Schule überhaupt vermißt haben. Die Poesie der räumlichen
Verhältnisse, die Semper als den Triumph der Architektur bezeichnet, feiert in
diesen Plänen keinen Triumph. Daß aber selbst von Laien öffentlich und zu
wiederholten Malen die Pläne für ungenügend befunden, verzeichnen w>r ein¬
fach als eine vox xoMi, nur mit dem Bemerken, daß wir do Schuld nicht
dem Raume nur den Bearbeitern des Raumes, den Architekten, geben können.

Betrachten wir nun den Aufbau. Mit Ausnahme einer flüchtigen Skizze
"Lr, voluws Mai", behandelt nur ein Project ..Hermes", denselben als
ungeputzten Ziegelrohbau. Die Darstellungsgesetze für den Rohbau sind im
Material gegeben . Schinkel hat in seiner Bauschule ein Beispiel dafür
aufgestellt. Slüter in seiner Marcuskirche. Seller in seiner Michaelskirche
Ad (jedoch mit entschiedener Hinneigung zur mittelalterlichen Bauweise) im
Ganzen glücklich gefolgt; weniger glücklich ist der, Verfasser, des Hermesproiects
gewesen. Nach der Burgstrabe zeigt er uns eine langweilige. Fenster an
Fenster gerichtete Nundbogenfa^abe. eine Kaserne oder Schule könnte ebenso aus¬
sehen; nach der neuen Friedrichsstraße dagegen macht sich in.der hintern Hälfte der-
getheilten Fronte in zwei, großen Bogenfenstern ein dahinter liegender Borsen¬
saal bemerklich. Ueber den Bogenfenstern zieht sich ein gemauerter Architrav
hin. der von gemauerten, mit Fuß und Capital- versehenen Pilastern scheinbar
gelingen wird. Ein Epistylion. d. i. einen von Stütze zu Stütze sich frei tra¬
genden Steinbalken. Monolith, aus einzelnen wagrechten Backsteinschichten auf
w weiten Entfernungen gestellten Pilastern auflegen zu wollen, ist, eine Un-
Möglichkeit ein Unsinn. Der Hermesverfasser behandelt den Backsteinbau nach
der Schablone des Monolithenbaues; daß es für den gebrannten Stein andre
Stilgesetze als- für den gewachsenen Stein gebe, scheint! ihm nicht klar ge¬
worden zu sein. Alle übrigen Projecte führen uns eine durch Putz auf Back¬
stein hergestellte Hausteinarchitektur vor. und was, aw diesem Bestreben wahr
und gut sei. glauben, wir im. Obigen angedeutet zu haben.

So bleibt uns noch, übrig, den Aufbau in.Rücksicht auf die Charakteristik.


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[0063] die ein wohldisponirter Plan verlangt. Bedacht genommen werde, ist wol ein selbstverständliches Verlangen, dem freilich in den Planen wenig Rechnung getragen worden ist. Bei einem Gebäude von so öffentlichem Charakter mußte die Raumeintheilung eine gewisse Großartigkeit der Anordnung zeigen, die diesem Charakter wesentlich entspricht. Die Aufgabe des Architekten war es. selbst bei mäßigen NaumverlMnissen und trotz derselben eine solche Gro߬ artigkeit zu erzielen. Ein guter Architekt zeigt sich eben ganz besonders rin Grundplan, in der Art und Weise, wie er ihn ordnet. Den klaren Sinn, der das Wesen der Aufgabe durchdringt und ihr aus ihr heraus instinctiv Ge- Währung schafft auf die den gebotenen Mitteln und gegebenen Verhältnissen entsprechende Weise vermissen wir in diesen Plänen, wie wir ihn in den Planen d«r berliner Schule überhaupt vermißt haben. Die Poesie der räumlichen Verhältnisse, die Semper als den Triumph der Architektur bezeichnet, feiert in diesen Plänen keinen Triumph. Daß aber selbst von Laien öffentlich und zu wiederholten Malen die Pläne für ungenügend befunden, verzeichnen w>r ein¬ fach als eine vox xoMi, nur mit dem Bemerken, daß wir do Schuld nicht dem Raume nur den Bearbeitern des Raumes, den Architekten, geben können. Betrachten wir nun den Aufbau. Mit Ausnahme einer flüchtigen Skizze "Lr, voluws Mai", behandelt nur ein Project ..Hermes", denselben als ungeputzten Ziegelrohbau. Die Darstellungsgesetze für den Rohbau sind im Material gegeben . Schinkel hat in seiner Bauschule ein Beispiel dafür aufgestellt. Slüter in seiner Marcuskirche. Seller in seiner Michaelskirche Ad (jedoch mit entschiedener Hinneigung zur mittelalterlichen Bauweise) im Ganzen glücklich gefolgt; weniger glücklich ist der, Verfasser, des Hermesproiects gewesen. Nach der Burgstrabe zeigt er uns eine langweilige. Fenster an Fenster gerichtete Nundbogenfa^abe. eine Kaserne oder Schule könnte ebenso aus¬ sehen; nach der neuen Friedrichsstraße dagegen macht sich in.der hintern Hälfte der- getheilten Fronte in zwei, großen Bogenfenstern ein dahinter liegender Borsen¬ saal bemerklich. Ueber den Bogenfenstern zieht sich ein gemauerter Architrav hin. der von gemauerten, mit Fuß und Capital- versehenen Pilastern scheinbar gelingen wird. Ein Epistylion. d. i. einen von Stütze zu Stütze sich frei tra¬ genden Steinbalken. Monolith, aus einzelnen wagrechten Backsteinschichten auf w weiten Entfernungen gestellten Pilastern auflegen zu wollen, ist, eine Un- Möglichkeit ein Unsinn. Der Hermesverfasser behandelt den Backsteinbau nach der Schablone des Monolithenbaues; daß es für den gebrannten Stein andre Stilgesetze als- für den gewachsenen Stein gebe, scheint! ihm nicht klar ge¬ worden zu sein. Alle übrigen Projecte führen uns eine durch Putz auf Back¬ stein hergestellte Hausteinarchitektur vor. und was, aw diesem Bestreben wahr und gut sei. glauben, wir im. Obigen angedeutet zu haben. So bleibt uns noch, übrig, den Aufbau in.Rücksicht auf die Charakteristik.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/63>, abgerufen am 24.07.2024.