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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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mentale würdige Fa<?abe möglich machen. Das Zerschneiden der Fronte, das
Anlegen von kleinen Vorgärten zwischen vorspringenden Gebäudetheilen, von
Gängen um dieselben ze., alles dies fließt aus einer weniger monumentalen,
mehr lyrischen Auffassungsweise. Sie ist ein Grundzug der Schule, und hat
die letztere nach dieser Richtung hin unleugbar Bedeutendes geleistet. Die
Gärtnerwohnung zu Sanssouci. Charlottcnhof u. a. sind Werke von bleiben-
der Mustergiltigkeit. die edelsten Früchte Schinkelscher Kunstthätigkeit überhaupt.
Ist nun eine derartige BeHandlungsweise bei Villen und ländlichen Gebäuden
vollkommen am Platze, so ist sie es überall da nicht, wo es sich um eine
strenge Architektur handelt, im Monumentalbau. Das freie, ziemlich will¬
kürliche Spiel mit Form und Maß. das um die malerische Erscheinung zum
Gesetz hat. ist mit der monumentalen Baukunst principiell unverträglich, wol
aber einer Richtung zusagend, die in überkommener schematischer Architektur¬
behandlung vergessen hat. dem Wesen eines Gebäudes gerecht zu werden, in
der Architektur eine bloße Decoration sieht, und ebendarum "hübsche Mo-
twe" sucht und findet.

Das Programm verlangte zwei gleich große Börsensäle, den einen für
die Fonds-, den andern für die Productcnbörse, einen großen Vorraum zum
Aufenthalt für Schiffer. Fuhrleute !c.. eine Reihe von Nebenräumen für die
Administration, die verschiedenen Bureaus :c.. von denen man, wie aus dem
Programm nicht undeutlich hervorging, je vier in möglichst enger Verbindung
mit einem jeden der beiden Säle wünschte, einen Haupteingang nach der
Vurgstmße. mehre Seiteneingänge, worunter einer für Anfahrende, eine ent-
sprechende Anzahl von Priveten; der etwa verbleibende Raum sollte mit
Gartenanlagen versehen und so gelegt werden, daß er von beiden Seiten aus be¬
begangen werden könnte. Die Mehrzahl der Projecte wendet die Hauptfronte
des Gebäudes der Burgstraße resp. Spree zu, nur zwei verlegen den Haupt¬
eingang und damit den Schwerpunkt in eine coupirte Ecke, die durch Ver-
brechung des Winkels, in dem die Burg- und Friedrichsstraße zusammenstoßen,
gewonnen ist; eine Anordnung, die schon in Rücksicht auf die andre im schar¬
fen Winkel geschlossene Straßenseite weniger zu empfehlen ist. die aber auch
abgesehen davon der klären organischen Entwicklung des Grundplans vielfache
Hindernisse entgegenstellt, eine großartige Perspective nicht gestattet, eine ein¬
heitliche würdige Fayade schwer macht, Schwierigkeiten, die auch vom besseren
der beiden Projecte "Beuth" keineswegs überwunden sind. Die Bebauung
des Terrains nach der Straßcnflucht war bei dieser Auffassung geboten; einer
jeden der beiden Straßen entlang war ein Börsensaal zu legen. Verschiedene
Eintheilung ließ die andre Auffassung zu. und zwar konnten die Säle ent¬
weder parallel miteinander oder im rechten Winkel aufeinander gelegt wer¬
den; die erstere Weise erscheint als die richtigere und ist in mehren Projecten


mentale würdige Fa<?abe möglich machen. Das Zerschneiden der Fronte, das
Anlegen von kleinen Vorgärten zwischen vorspringenden Gebäudetheilen, von
Gängen um dieselben ze., alles dies fließt aus einer weniger monumentalen,
mehr lyrischen Auffassungsweise. Sie ist ein Grundzug der Schule, und hat
die letztere nach dieser Richtung hin unleugbar Bedeutendes geleistet. Die
Gärtnerwohnung zu Sanssouci. Charlottcnhof u. a. sind Werke von bleiben-
der Mustergiltigkeit. die edelsten Früchte Schinkelscher Kunstthätigkeit überhaupt.
Ist nun eine derartige BeHandlungsweise bei Villen und ländlichen Gebäuden
vollkommen am Platze, so ist sie es überall da nicht, wo es sich um eine
strenge Architektur handelt, im Monumentalbau. Das freie, ziemlich will¬
kürliche Spiel mit Form und Maß. das um die malerische Erscheinung zum
Gesetz hat. ist mit der monumentalen Baukunst principiell unverträglich, wol
aber einer Richtung zusagend, die in überkommener schematischer Architektur¬
behandlung vergessen hat. dem Wesen eines Gebäudes gerecht zu werden, in
der Architektur eine bloße Decoration sieht, und ebendarum „hübsche Mo-
twe« sucht und findet.

Das Programm verlangte zwei gleich große Börsensäle, den einen für
die Fonds-, den andern für die Productcnbörse, einen großen Vorraum zum
Aufenthalt für Schiffer. Fuhrleute !c.. eine Reihe von Nebenräumen für die
Administration, die verschiedenen Bureaus :c.. von denen man, wie aus dem
Programm nicht undeutlich hervorging, je vier in möglichst enger Verbindung
mit einem jeden der beiden Säle wünschte, einen Haupteingang nach der
Vurgstmße. mehre Seiteneingänge, worunter einer für Anfahrende, eine ent-
sprechende Anzahl von Priveten; der etwa verbleibende Raum sollte mit
Gartenanlagen versehen und so gelegt werden, daß er von beiden Seiten aus be¬
begangen werden könnte. Die Mehrzahl der Projecte wendet die Hauptfronte
des Gebäudes der Burgstraße resp. Spree zu, nur zwei verlegen den Haupt¬
eingang und damit den Schwerpunkt in eine coupirte Ecke, die durch Ver-
brechung des Winkels, in dem die Burg- und Friedrichsstraße zusammenstoßen,
gewonnen ist; eine Anordnung, die schon in Rücksicht auf die andre im schar¬
fen Winkel geschlossene Straßenseite weniger zu empfehlen ist. die aber auch
abgesehen davon der klären organischen Entwicklung des Grundplans vielfache
Hindernisse entgegenstellt, eine großartige Perspective nicht gestattet, eine ein¬
heitliche würdige Fayade schwer macht, Schwierigkeiten, die auch vom besseren
der beiden Projecte „Beuth" keineswegs überwunden sind. Die Bebauung
des Terrains nach der Straßcnflucht war bei dieser Auffassung geboten; einer
jeden der beiden Straßen entlang war ein Börsensaal zu legen. Verschiedene
Eintheilung ließ die andre Auffassung zu. und zwar konnten die Säle ent¬
weder parallel miteinander oder im rechten Winkel aufeinander gelegt wer¬
den; die erstere Weise erscheint als die richtigere und ist in mehren Projecten


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[0061] mentale würdige Fa<?abe möglich machen. Das Zerschneiden der Fronte, das Anlegen von kleinen Vorgärten zwischen vorspringenden Gebäudetheilen, von Gängen um dieselben ze., alles dies fließt aus einer weniger monumentalen, mehr lyrischen Auffassungsweise. Sie ist ein Grundzug der Schule, und hat die letztere nach dieser Richtung hin unleugbar Bedeutendes geleistet. Die Gärtnerwohnung zu Sanssouci. Charlottcnhof u. a. sind Werke von bleiben- der Mustergiltigkeit. die edelsten Früchte Schinkelscher Kunstthätigkeit überhaupt. Ist nun eine derartige BeHandlungsweise bei Villen und ländlichen Gebäuden vollkommen am Platze, so ist sie es überall da nicht, wo es sich um eine strenge Architektur handelt, im Monumentalbau. Das freie, ziemlich will¬ kürliche Spiel mit Form und Maß. das um die malerische Erscheinung zum Gesetz hat. ist mit der monumentalen Baukunst principiell unverträglich, wol aber einer Richtung zusagend, die in überkommener schematischer Architektur¬ behandlung vergessen hat. dem Wesen eines Gebäudes gerecht zu werden, in der Architektur eine bloße Decoration sieht, und ebendarum „hübsche Mo- twe« sucht und findet. Das Programm verlangte zwei gleich große Börsensäle, den einen für die Fonds-, den andern für die Productcnbörse, einen großen Vorraum zum Aufenthalt für Schiffer. Fuhrleute !c.. eine Reihe von Nebenräumen für die Administration, die verschiedenen Bureaus :c.. von denen man, wie aus dem Programm nicht undeutlich hervorging, je vier in möglichst enger Verbindung mit einem jeden der beiden Säle wünschte, einen Haupteingang nach der Vurgstmße. mehre Seiteneingänge, worunter einer für Anfahrende, eine ent- sprechende Anzahl von Priveten; der etwa verbleibende Raum sollte mit Gartenanlagen versehen und so gelegt werden, daß er von beiden Seiten aus be¬ begangen werden könnte. Die Mehrzahl der Projecte wendet die Hauptfronte des Gebäudes der Burgstraße resp. Spree zu, nur zwei verlegen den Haupt¬ eingang und damit den Schwerpunkt in eine coupirte Ecke, die durch Ver- brechung des Winkels, in dem die Burg- und Friedrichsstraße zusammenstoßen, gewonnen ist; eine Anordnung, die schon in Rücksicht auf die andre im schar¬ fen Winkel geschlossene Straßenseite weniger zu empfehlen ist. die aber auch abgesehen davon der klären organischen Entwicklung des Grundplans vielfache Hindernisse entgegenstellt, eine großartige Perspective nicht gestattet, eine ein¬ heitliche würdige Fayade schwer macht, Schwierigkeiten, die auch vom besseren der beiden Projecte „Beuth" keineswegs überwunden sind. Die Bebauung des Terrains nach der Straßcnflucht war bei dieser Auffassung geboten; einer jeden der beiden Straßen entlang war ein Börsensaal zu legen. Verschiedene Eintheilung ließ die andre Auffassung zu. und zwar konnten die Säle ent¬ weder parallel miteinander oder im rechten Winkel aufeinander gelegt wer¬ den; die erstere Weise erscheint als die richtigere und ist in mehren Projecten

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/61>, abgerufen am 24.07.2024.