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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Was er sonst mit uns vorzunehmen gedenkt, ist gewiß schon ausgemacht, und
nun ist von unserm Verstand, von unserm Betragen gar nicht mehr die Rede.
Wenn wir nur nicht ganz schwindlicht werden, wenn er uns so die Kopfe
herumdreht! Oder vielleicht besser, wenn wir uns gar nicht besinnen. Doch
no Orions Ms potiti^ne!" -- 12. Oct. 1808. "Den Mittag um sechs Uhr
fuhr die Herzogin allein zum Napoleon, ganz ohne Begleitung, und mußte
mit allen den Königen und der westphälischen Königin in der Antichambre
warten. Sie hörte, daß Napoleon sich im Nebenzimmer laut und streitend
mit Alexander unterhielt. Als er herauskam, sagte er zu den beiden Damen:
Lvu ^'our, eng, rollt<z 6<z Wo8trMr1le I bon ^our, Naclg-mo! Ohne ein anderes
Wort ging es gleich zur Tafel und gleich nach der Tafel ins Theater, wo
Mahomet gegeben wurde. Bei Tafel war er freundlich gegen die Herzogin,
bat sie zu essen und zu trinken, wo er ihr selbst einschenkte. Als sie sich
weigerte, sagte er: Uns buvo?: äone, v"u<ki-a,i8 Vous "zirtonÄro äeriusonner!
. . . In dem Theater war in einer kleinen Loge eine Estrade gemacht mit
zwei kleinen Fauteuils; darauf setzten sich der König und die Königin von
Westphalen, doch ohne Kron und Scepter. An der Seite, niedriger, saß unsre
Herzogin, und so freundlich die westphälische Dame mit der Herzogin allein
war, so sah sie sie nun, im Publicum, nicht mehr an, und sprach kein Wort
mehr." -- Napoleons Unterhaltungen mit den jungen Damen über die Tanz¬
kunst möge man im Buche selbst nachsehn. -- 26. Dec. 1809: "Was sagst
du dazu, daß unser Napoleon wieder heirathet? Die ganze Nacht hab ich
schon von ihm geträumt. Sollten wir unsre theure Princeß ja einmal verlieren
müssen, so wäre es um keinen Preis als daß sie Kaiserin würde. Dann
ziehen wir allesammt nach Frankreich und mein Karl lernt Französisch ohne
meine Kosten." Bekanntlich wurde der Wunsch nicht erfüllt. Princeß Caroline
heirathete den Erbprinzen von Meklenburg, und ihre Erzieherin begleitete sie
nach Ludwigslust, wo sie im Sommer 1813 starb.

"Wir leben, schreibt Knebel 4. Mai 1810, zuviel in Gesellschaften, daher
wir auch meist immer zerstreut und gleichsam nußer uns sind. Bei den Alten,
die große Charaktere geliefert haben, war es nicht so. Die Frauen waren
mehr auf ihr häusliches Wesen beschränkt, und ihre Gesellschaften mochten
wol, wie ihre Feste und Schauspiele, nur etwas Seltenes sein. Nicht daß
nicht eine Freundin die andre öfter besucht hätte, aber dergleichen fast tägliche
Besuche, wie unsre Theegesellschaften, wären ihnen gewiß etwas Gemeines
und unter ihrer Würde gewesen. Wie soll sich ein Charakter bilden, wenn
er täglich nur zu sinnen hat, wie er etwa eine langweilige Unterhaltung noch
mit einer geringfügigen Erzählung oder Neuigkeit zu unterstützen hat? Daher
bei uns die Nothwendigkeit des öftern Reifens, damit man nur wieder etwas
neuen Stoff sammele, wovon doch ihre Frauen nichts wußten."


Was er sonst mit uns vorzunehmen gedenkt, ist gewiß schon ausgemacht, und
nun ist von unserm Verstand, von unserm Betragen gar nicht mehr die Rede.
Wenn wir nur nicht ganz schwindlicht werden, wenn er uns so die Kopfe
herumdreht! Oder vielleicht besser, wenn wir uns gar nicht besinnen. Doch
no Orions Ms potiti^ne!" — 12. Oct. 1808. „Den Mittag um sechs Uhr
fuhr die Herzogin allein zum Napoleon, ganz ohne Begleitung, und mußte
mit allen den Königen und der westphälischen Königin in der Antichambre
warten. Sie hörte, daß Napoleon sich im Nebenzimmer laut und streitend
mit Alexander unterhielt. Als er herauskam, sagte er zu den beiden Damen:
Lvu ^'our, eng, rollt<z 6<z Wo8trMr1le I bon ^our, Naclg-mo! Ohne ein anderes
Wort ging es gleich zur Tafel und gleich nach der Tafel ins Theater, wo
Mahomet gegeben wurde. Bei Tafel war er freundlich gegen die Herzogin,
bat sie zu essen und zu trinken, wo er ihr selbst einschenkte. Als sie sich
weigerte, sagte er: Uns buvo?: äone, v»u<ki-a,i8 Vous «zirtonÄro äeriusonner!
. . . In dem Theater war in einer kleinen Loge eine Estrade gemacht mit
zwei kleinen Fauteuils; darauf setzten sich der König und die Königin von
Westphalen, doch ohne Kron und Scepter. An der Seite, niedriger, saß unsre
Herzogin, und so freundlich die westphälische Dame mit der Herzogin allein
war, so sah sie sie nun, im Publicum, nicht mehr an, und sprach kein Wort
mehr." — Napoleons Unterhaltungen mit den jungen Damen über die Tanz¬
kunst möge man im Buche selbst nachsehn. — 26. Dec. 1809: „Was sagst
du dazu, daß unser Napoleon wieder heirathet? Die ganze Nacht hab ich
schon von ihm geträumt. Sollten wir unsre theure Princeß ja einmal verlieren
müssen, so wäre es um keinen Preis als daß sie Kaiserin würde. Dann
ziehen wir allesammt nach Frankreich und mein Karl lernt Französisch ohne
meine Kosten." Bekanntlich wurde der Wunsch nicht erfüllt. Princeß Caroline
heirathete den Erbprinzen von Meklenburg, und ihre Erzieherin begleitete sie
nach Ludwigslust, wo sie im Sommer 1813 starb.

„Wir leben, schreibt Knebel 4. Mai 1810, zuviel in Gesellschaften, daher
wir auch meist immer zerstreut und gleichsam nußer uns sind. Bei den Alten,
die große Charaktere geliefert haben, war es nicht so. Die Frauen waren
mehr auf ihr häusliches Wesen beschränkt, und ihre Gesellschaften mochten
wol, wie ihre Feste und Schauspiele, nur etwas Seltenes sein. Nicht daß
nicht eine Freundin die andre öfter besucht hätte, aber dergleichen fast tägliche
Besuche, wie unsre Theegesellschaften, wären ihnen gewiß etwas Gemeines
und unter ihrer Würde gewesen. Wie soll sich ein Charakter bilden, wenn
er täglich nur zu sinnen hat, wie er etwa eine langweilige Unterhaltung noch
mit einer geringfügigen Erzählung oder Neuigkeit zu unterstützen hat? Daher
bei uns die Nothwendigkeit des öftern Reifens, damit man nur wieder etwas
neuen Stoff sammele, wovon doch ihre Frauen nichts wußten."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/58>, abgerufen am 24.07.2024.