Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

mißt er aber zehn Fuß sechs Zoll, so laufe ich davon. Man sieht daß
Schiller für das Tragische geboren ist, da er die Menschen so malen rann
und es ist unbegreiflich, daß er sich gar nichts Arges dabei denkt, und meint.
man könnte recht gut bis um eis Uhr Nachts so dasitzen. Ich kann es ihm
nie vergeben, wie er mich schon gemartert hat." Aehnliche Klagen über
Schiller ziehn sich durch den ganzen Briefwechsel. - 10. Februar 1803. Man
sieht wohl. daß.er für sich schreibt und wenig an das Pubiimm denkt, daher
seinen langen Stücken doch immer die Grazie fehlt." -- 22. Marz 1804.
.-Da ich den großen, man könnte ihn anch den langen Teil nennen, glücklich
ausgehalten habe, so kaun ich ihn auch loben; denn ich dachte, die Hitze
würde mich umbringen, und der größte Spaß an diesem Tag waren die vielen
Kutschen und Reiter, auch Fußgänger, weiche alle die Maische Straße her¬
kamen. ... Im zweiten Act der lange Bund der Eidgenossenschaft,
wobei in der Wirklichkeit nicht der dritte Theil von Worten nöthig war. dann
Zwischen Teils Geschichte noch ein langweiliger schweizer Prophet, den man
lieber hinter dein Theater sterben sahe -- denn sterben muß er. man we.ß
nicht warum Dann noch eine Liebesgeschichte eines jungen ausgearteten
Schweizers, den eine Geliebte wieder durch viele hohe Worte zur Raison und
sein Vaterland bringt. Und zuletzt wäre es doch schade gewesen, wenn
Teil, dessen starker Charakter ziemlich gut gehalten war. da er nur handelt
und wenig spricht, nicht auch noch ein langes Monolog halten sollte, woraus.
Wie aus allem, nur Schiller spricht und nicht der Mann selbst." -- 15. Mar
1805 über Schillers Tod: "Meiner armen Prinzeß kam dieser Fall zu uner¬
wartet. Sie weinte und schluchzte und konnte sich kaum fassen. obgleich dre
Erbprinzeß, der es auch sehr nahe ging, alles that, um sie zu trösten. Wir
sind fast täglich bei der Schillern, deren Schmerz zwar tief, aber doch sanft
ist- Die Wolzogen ist viel heftiger. Es ist merkwürdig, daß Schiller allem
w seinem schön organisirten Kopf gelebt hat. Die Aerzte stimmen darin
überein, daß sie nie einen so ganz verdorbenen und aufgelösten Körper ange¬
troffen hätten, alles verknorpelt, nur den kleinsten Rest von Lunge, und --
stelle dir vor! -- gar kein Herz mehr, nichts als ein Stückchen Haut. Ich
glaube, daher kommt es. daß ich Schiller nie anreden konnte, so gern ich ihn
auch sprechen hörte;,ich habe mich oft über ihn geärgert, aber jetzt muß ich
mich selbst entschuldigen. Aber ich glaube, es lebt sich gut ohne Herz, und
ich gäbe das meinige um ein Leichtes hin." --1?. December 1307. "Goethe
versicherte mich, daß er es selbst bei Schillers Stücken niemals über den
vierten Act habe aushalten können. Daß ich ihn für alle Folgezeiten in
dieser Meinung bestärkte, glaubst du mir wol."

5. April 1803: "Ich war aufgelegt, die natürliche Tochter gut zu
finden, weil mir, im Vertrauen gesagt, die Schillersche Schwere fast unerträglich


mißt er aber zehn Fuß sechs Zoll, so laufe ich davon. Man sieht daß
Schiller für das Tragische geboren ist, da er die Menschen so malen rann
und es ist unbegreiflich, daß er sich gar nichts Arges dabei denkt, und meint.
man könnte recht gut bis um eis Uhr Nachts so dasitzen. Ich kann es ihm
nie vergeben, wie er mich schon gemartert hat." Aehnliche Klagen über
Schiller ziehn sich durch den ganzen Briefwechsel. - 10. Februar 1803. Man
sieht wohl. daß.er für sich schreibt und wenig an das Pubiimm denkt, daher
seinen langen Stücken doch immer die Grazie fehlt." — 22. Marz 1804.
.-Da ich den großen, man könnte ihn anch den langen Teil nennen, glücklich
ausgehalten habe, so kaun ich ihn auch loben; denn ich dachte, die Hitze
würde mich umbringen, und der größte Spaß an diesem Tag waren die vielen
Kutschen und Reiter, auch Fußgänger, weiche alle die Maische Straße her¬
kamen. ... Im zweiten Act der lange Bund der Eidgenossenschaft,
wobei in der Wirklichkeit nicht der dritte Theil von Worten nöthig war. dann
Zwischen Teils Geschichte noch ein langweiliger schweizer Prophet, den man
lieber hinter dein Theater sterben sahe — denn sterben muß er. man we.ß
nicht warum Dann noch eine Liebesgeschichte eines jungen ausgearteten
Schweizers, den eine Geliebte wieder durch viele hohe Worte zur Raison und
sein Vaterland bringt. Und zuletzt wäre es doch schade gewesen, wenn
Teil, dessen starker Charakter ziemlich gut gehalten war. da er nur handelt
und wenig spricht, nicht auch noch ein langes Monolog halten sollte, woraus.
Wie aus allem, nur Schiller spricht und nicht der Mann selbst." — 15. Mar
1805 über Schillers Tod: „Meiner armen Prinzeß kam dieser Fall zu uner¬
wartet. Sie weinte und schluchzte und konnte sich kaum fassen. obgleich dre
Erbprinzeß, der es auch sehr nahe ging, alles that, um sie zu trösten. Wir
sind fast täglich bei der Schillern, deren Schmerz zwar tief, aber doch sanft
ist- Die Wolzogen ist viel heftiger. Es ist merkwürdig, daß Schiller allem
w seinem schön organisirten Kopf gelebt hat. Die Aerzte stimmen darin
überein, daß sie nie einen so ganz verdorbenen und aufgelösten Körper ange¬
troffen hätten, alles verknorpelt, nur den kleinsten Rest von Lunge, und —
stelle dir vor! — gar kein Herz mehr, nichts als ein Stückchen Haut. Ich
glaube, daher kommt es. daß ich Schiller nie anreden konnte, so gern ich ihn
auch sprechen hörte;,ich habe mich oft über ihn geärgert, aber jetzt muß ich
mich selbst entschuldigen. Aber ich glaube, es lebt sich gut ohne Herz, und
ich gäbe das meinige um ein Leichtes hin." —1?. December 1307. „Goethe
versicherte mich, daß er es selbst bei Schillers Stücken niemals über den
vierten Act habe aushalten können. Daß ich ihn für alle Folgezeiten in
dieser Meinung bestärkte, glaubst du mir wol."

5. April 1803: „Ich war aufgelegt, die natürliche Tochter gut zu
finden, weil mir, im Vertrauen gesagt, die Schillersche Schwere fast unerträglich


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0055" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187006"/>
          <p xml:id="ID_147" prev="#ID_146"> mißt er aber zehn Fuß sechs Zoll, so laufe ich davon. Man sieht daß<lb/>
Schiller für das Tragische geboren ist, da er die Menschen so malen rann<lb/>
und es ist unbegreiflich, daß er sich gar nichts Arges dabei denkt, und meint.<lb/>
man könnte recht gut bis um eis Uhr Nachts so dasitzen. Ich kann es ihm<lb/>
nie vergeben, wie er mich schon gemartert hat." Aehnliche Klagen über<lb/>
Schiller ziehn sich durch den ganzen Briefwechsel. - 10. Februar 1803. Man<lb/>
sieht wohl. daß.er für sich schreibt und wenig an das Pubiimm denkt, daher<lb/>
seinen langen Stücken doch immer die Grazie fehlt." &#x2014; 22. Marz 1804.<lb/>
.-Da ich den großen, man könnte ihn anch den langen Teil nennen, glücklich<lb/>
ausgehalten habe, so kaun ich ihn auch loben; denn ich dachte, die Hitze<lb/>
würde mich umbringen, und der größte Spaß an diesem Tag waren die vielen<lb/>
Kutschen und Reiter, auch Fußgänger, weiche alle die Maische Straße her¬<lb/>
kamen. ... Im zweiten Act der lange Bund der Eidgenossenschaft,<lb/>
wobei in der Wirklichkeit nicht der dritte Theil von Worten nöthig war. dann<lb/>
Zwischen Teils Geschichte noch ein langweiliger schweizer Prophet, den man<lb/>
lieber hinter dein Theater sterben sahe &#x2014; denn sterben muß er. man we.ß<lb/>
nicht warum Dann noch eine Liebesgeschichte eines jungen ausgearteten<lb/>
Schweizers, den eine Geliebte wieder durch viele hohe Worte zur Raison und<lb/>
sein Vaterland bringt. Und zuletzt wäre es doch schade gewesen, wenn<lb/>
Teil, dessen starker Charakter ziemlich gut gehalten war. da er nur handelt<lb/>
und wenig spricht, nicht auch noch ein langes Monolog halten sollte, woraus.<lb/>
Wie aus allem, nur Schiller spricht und nicht der Mann selbst." &#x2014; 15. Mar<lb/>
1805 über Schillers Tod: &#x201E;Meiner armen Prinzeß kam dieser Fall zu uner¬<lb/>
wartet. Sie weinte und schluchzte und konnte sich kaum fassen. obgleich dre<lb/>
Erbprinzeß, der es auch sehr nahe ging, alles that, um sie zu trösten. Wir<lb/>
sind fast täglich bei der Schillern, deren Schmerz zwar tief, aber doch sanft<lb/>
ist- Die Wolzogen ist viel heftiger. Es ist merkwürdig, daß Schiller allem<lb/>
w seinem schön organisirten Kopf gelebt hat. Die Aerzte stimmen darin<lb/>
überein, daß sie nie einen so ganz verdorbenen und aufgelösten Körper ange¬<lb/>
troffen hätten, alles verknorpelt, nur den kleinsten Rest von Lunge, und &#x2014;<lb/>
stelle dir vor! &#x2014; gar kein Herz mehr, nichts als ein Stückchen Haut. Ich<lb/>
glaube, daher kommt es. daß ich Schiller nie anreden konnte, so gern ich ihn<lb/>
auch sprechen hörte;,ich habe mich oft über ihn geärgert, aber jetzt muß ich<lb/>
mich selbst entschuldigen. Aber ich glaube, es lebt sich gut ohne Herz, und<lb/>
ich gäbe das meinige um ein Leichtes hin." &#x2014;1?. December 1307. &#x201E;Goethe<lb/>
versicherte mich, daß er es selbst bei Schillers Stücken niemals über den<lb/>
vierten Act habe aushalten können. Daß ich ihn für alle Folgezeiten in<lb/>
dieser Meinung bestärkte, glaubst du mir wol."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_148" next="#ID_149"> 5. April 1803: &#x201E;Ich war aufgelegt, die natürliche Tochter gut zu<lb/>
finden, weil mir, im Vertrauen gesagt, die Schillersche Schwere fast unerträglich</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0055] mißt er aber zehn Fuß sechs Zoll, so laufe ich davon. Man sieht daß Schiller für das Tragische geboren ist, da er die Menschen so malen rann und es ist unbegreiflich, daß er sich gar nichts Arges dabei denkt, und meint. man könnte recht gut bis um eis Uhr Nachts so dasitzen. Ich kann es ihm nie vergeben, wie er mich schon gemartert hat." Aehnliche Klagen über Schiller ziehn sich durch den ganzen Briefwechsel. - 10. Februar 1803. Man sieht wohl. daß.er für sich schreibt und wenig an das Pubiimm denkt, daher seinen langen Stücken doch immer die Grazie fehlt." — 22. Marz 1804. .-Da ich den großen, man könnte ihn anch den langen Teil nennen, glücklich ausgehalten habe, so kaun ich ihn auch loben; denn ich dachte, die Hitze würde mich umbringen, und der größte Spaß an diesem Tag waren die vielen Kutschen und Reiter, auch Fußgänger, weiche alle die Maische Straße her¬ kamen. ... Im zweiten Act der lange Bund der Eidgenossenschaft, wobei in der Wirklichkeit nicht der dritte Theil von Worten nöthig war. dann Zwischen Teils Geschichte noch ein langweiliger schweizer Prophet, den man lieber hinter dein Theater sterben sahe — denn sterben muß er. man we.ß nicht warum Dann noch eine Liebesgeschichte eines jungen ausgearteten Schweizers, den eine Geliebte wieder durch viele hohe Worte zur Raison und sein Vaterland bringt. Und zuletzt wäre es doch schade gewesen, wenn Teil, dessen starker Charakter ziemlich gut gehalten war. da er nur handelt und wenig spricht, nicht auch noch ein langes Monolog halten sollte, woraus. Wie aus allem, nur Schiller spricht und nicht der Mann selbst." — 15. Mar 1805 über Schillers Tod: „Meiner armen Prinzeß kam dieser Fall zu uner¬ wartet. Sie weinte und schluchzte und konnte sich kaum fassen. obgleich dre Erbprinzeß, der es auch sehr nahe ging, alles that, um sie zu trösten. Wir sind fast täglich bei der Schillern, deren Schmerz zwar tief, aber doch sanft ist- Die Wolzogen ist viel heftiger. Es ist merkwürdig, daß Schiller allem w seinem schön organisirten Kopf gelebt hat. Die Aerzte stimmen darin überein, daß sie nie einen so ganz verdorbenen und aufgelösten Körper ange¬ troffen hätten, alles verknorpelt, nur den kleinsten Rest von Lunge, und — stelle dir vor! — gar kein Herz mehr, nichts als ein Stückchen Haut. Ich glaube, daher kommt es. daß ich Schiller nie anreden konnte, so gern ich ihn auch sprechen hörte;,ich habe mich oft über ihn geärgert, aber jetzt muß ich mich selbst entschuldigen. Aber ich glaube, es lebt sich gut ohne Herz, und ich gäbe das meinige um ein Leichtes hin." —1?. December 1307. „Goethe versicherte mich, daß er es selbst bei Schillers Stücken niemals über den vierten Act habe aushalten können. Daß ich ihn für alle Folgezeiten in dieser Meinung bestärkte, glaubst du mir wol." 5. April 1803: „Ich war aufgelegt, die natürliche Tochter gut zu finden, weil mir, im Vertrauen gesagt, die Schillersche Schwere fast unerträglich

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/55
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/55>, abgerufen am 24.07.2024.