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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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noch braucht es dieselben zu entschuldigen, denn es bereitet sich nur vor, einem
unrechtmäßigen Angriff kräftig entgegentreten zu können. So ist man in Tu¬
rin wie in Paris gewiß sehr gut über uns") unterrichtet. Jedermann kann
ja die einrückenden Truppen zählen und die Geschütze auf den Wällen sehen.
Dies soll auch das Publicum in Deutschland erfahren. Es wird daraus er¬
sehen, wie vortrefflich die neue militärische Organisation des Kaiserstaates
und wie gut Oestreich gerüstet ist, die anmaßende Einmischungspolitik von der
Seine her am Po zu empfangen.'

Die östreichische Armee in Italien zählte zu Anfang dieses Jahres, wo
sie sich noch auf dem Friedcnsfuß befand, in drei Armeecorps 55,000 Mann
und 120 bespannte Geschütze. Inder ersten Hälfte des Januar rückte ein viertes
Corps aus Wien nebst einigen Bataillonen Grenzern u. s. f. in die Lombardei,
wodurch die Streitkräfte in Italien eine Vermehrung um 25,000 Mann und
48 Geschützen erhielten. Gegen Ende Februar, als eine friedliche Lösung der
Differenzen mit Frankreich unwahrscheinlicher wurde, kündigte die officielle
östreichische Korrespondenz an, daß einige der in dem lombardisch-venetianischen
Königreich stationirten Regimenter, welche ihre Werbbezirke in den entfernteren
Provinzen der Monarchie haben, angewiesen wären, die beurlaubte Mannschaft
einzuberufen. Wenige Tage später, am letzten Februar, (es war der Tag nach
der Ankunft Lord Cowlcys in Wien) erging von Wien der telegraphische Be¬
fehl, die Armee in Italien aus den Kriegsstand zu setzen, was gleichzeitig auch-
mit mehren in den deutschen Provinzen stehenden Corps geschieht. Bereits
treffen die Transporte zur Ergänzung der zur hiesigen Armee gehörenden Re¬
gimenter ein, und die aus allen Punkten der Monarchie einberufenen Urlauber
werden ihre Abtheilungen completirt haben, ehe vierzehn Tage seit Erlaß
des Befehls verflossen sind. Die im Frieden unbespannten Batterien, deren
Cadres immer bestanden hatten, werden mit den in den andern Provinzen
der Monarchie bereits eingekauften Pferden bespannt, der Train orgnnisirt;
die Armirung der Festungen und festen Plätze ist schon vollendet, ihre Appro-
visionirung im Werke. Oestreich steht also in dem Augenblick, wo diese Zeilen
zur Öffentlichkeit gelangt sein werden, vollkommen schlagfertig da. Die öst¬
reichischen Streitkräfte sind durch diese Ergänzungen augenblicklich aus ungefähr
150,000 Mann und 320 disponible Feldgeschütze gebracht, was als authen¬
tischer Effectivbestand betrachtet werden darf. Hierzu kommen die vierten
Bataillone der in Italien stehenden Regimenter, und die in Mobilität gesetzten
Grenzbataillone, welche ebenfalls in kürzester Zeit nachrücken und im Laufe
dieses Monates noch hier eintreffend die disponible Armee abermals um
40,000 bis 50,000 Mann verstärken werden. Daß endlich noch eine beliebige



') Der Verfasser ist ein östreichischer Militär in Mailand.

noch braucht es dieselben zu entschuldigen, denn es bereitet sich nur vor, einem
unrechtmäßigen Angriff kräftig entgegentreten zu können. So ist man in Tu¬
rin wie in Paris gewiß sehr gut über uns") unterrichtet. Jedermann kann
ja die einrückenden Truppen zählen und die Geschütze auf den Wällen sehen.
Dies soll auch das Publicum in Deutschland erfahren. Es wird daraus er¬
sehen, wie vortrefflich die neue militärische Organisation des Kaiserstaates
und wie gut Oestreich gerüstet ist, die anmaßende Einmischungspolitik von der
Seine her am Po zu empfangen.'

Die östreichische Armee in Italien zählte zu Anfang dieses Jahres, wo
sie sich noch auf dem Friedcnsfuß befand, in drei Armeecorps 55,000 Mann
und 120 bespannte Geschütze. Inder ersten Hälfte des Januar rückte ein viertes
Corps aus Wien nebst einigen Bataillonen Grenzern u. s. f. in die Lombardei,
wodurch die Streitkräfte in Italien eine Vermehrung um 25,000 Mann und
48 Geschützen erhielten. Gegen Ende Februar, als eine friedliche Lösung der
Differenzen mit Frankreich unwahrscheinlicher wurde, kündigte die officielle
östreichische Korrespondenz an, daß einige der in dem lombardisch-venetianischen
Königreich stationirten Regimenter, welche ihre Werbbezirke in den entfernteren
Provinzen der Monarchie haben, angewiesen wären, die beurlaubte Mannschaft
einzuberufen. Wenige Tage später, am letzten Februar, (es war der Tag nach
der Ankunft Lord Cowlcys in Wien) erging von Wien der telegraphische Be¬
fehl, die Armee in Italien aus den Kriegsstand zu setzen, was gleichzeitig auch-
mit mehren in den deutschen Provinzen stehenden Corps geschieht. Bereits
treffen die Transporte zur Ergänzung der zur hiesigen Armee gehörenden Re¬
gimenter ein, und die aus allen Punkten der Monarchie einberufenen Urlauber
werden ihre Abtheilungen completirt haben, ehe vierzehn Tage seit Erlaß
des Befehls verflossen sind. Die im Frieden unbespannten Batterien, deren
Cadres immer bestanden hatten, werden mit den in den andern Provinzen
der Monarchie bereits eingekauften Pferden bespannt, der Train orgnnisirt;
die Armirung der Festungen und festen Plätze ist schon vollendet, ihre Appro-
visionirung im Werke. Oestreich steht also in dem Augenblick, wo diese Zeilen
zur Öffentlichkeit gelangt sein werden, vollkommen schlagfertig da. Die öst¬
reichischen Streitkräfte sind durch diese Ergänzungen augenblicklich aus ungefähr
150,000 Mann und 320 disponible Feldgeschütze gebracht, was als authen¬
tischer Effectivbestand betrachtet werden darf. Hierzu kommen die vierten
Bataillone der in Italien stehenden Regimenter, und die in Mobilität gesetzten
Grenzbataillone, welche ebenfalls in kürzester Zeit nachrücken und im Laufe
dieses Monates noch hier eintreffend die disponible Armee abermals um
40,000 bis 50,000 Mann verstärken werden. Daß endlich noch eine beliebige



') Der Verfasser ist ein östreichischer Militär in Mailand.
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[0521] noch braucht es dieselben zu entschuldigen, denn es bereitet sich nur vor, einem unrechtmäßigen Angriff kräftig entgegentreten zu können. So ist man in Tu¬ rin wie in Paris gewiß sehr gut über uns") unterrichtet. Jedermann kann ja die einrückenden Truppen zählen und die Geschütze auf den Wällen sehen. Dies soll auch das Publicum in Deutschland erfahren. Es wird daraus er¬ sehen, wie vortrefflich die neue militärische Organisation des Kaiserstaates und wie gut Oestreich gerüstet ist, die anmaßende Einmischungspolitik von der Seine her am Po zu empfangen.' Die östreichische Armee in Italien zählte zu Anfang dieses Jahres, wo sie sich noch auf dem Friedcnsfuß befand, in drei Armeecorps 55,000 Mann und 120 bespannte Geschütze. Inder ersten Hälfte des Januar rückte ein viertes Corps aus Wien nebst einigen Bataillonen Grenzern u. s. f. in die Lombardei, wodurch die Streitkräfte in Italien eine Vermehrung um 25,000 Mann und 48 Geschützen erhielten. Gegen Ende Februar, als eine friedliche Lösung der Differenzen mit Frankreich unwahrscheinlicher wurde, kündigte die officielle östreichische Korrespondenz an, daß einige der in dem lombardisch-venetianischen Königreich stationirten Regimenter, welche ihre Werbbezirke in den entfernteren Provinzen der Monarchie haben, angewiesen wären, die beurlaubte Mannschaft einzuberufen. Wenige Tage später, am letzten Februar, (es war der Tag nach der Ankunft Lord Cowlcys in Wien) erging von Wien der telegraphische Be¬ fehl, die Armee in Italien aus den Kriegsstand zu setzen, was gleichzeitig auch- mit mehren in den deutschen Provinzen stehenden Corps geschieht. Bereits treffen die Transporte zur Ergänzung der zur hiesigen Armee gehörenden Re¬ gimenter ein, und die aus allen Punkten der Monarchie einberufenen Urlauber werden ihre Abtheilungen completirt haben, ehe vierzehn Tage seit Erlaß des Befehls verflossen sind. Die im Frieden unbespannten Batterien, deren Cadres immer bestanden hatten, werden mit den in den andern Provinzen der Monarchie bereits eingekauften Pferden bespannt, der Train orgnnisirt; die Armirung der Festungen und festen Plätze ist schon vollendet, ihre Appro- visionirung im Werke. Oestreich steht also in dem Augenblick, wo diese Zeilen zur Öffentlichkeit gelangt sein werden, vollkommen schlagfertig da. Die öst¬ reichischen Streitkräfte sind durch diese Ergänzungen augenblicklich aus ungefähr 150,000 Mann und 320 disponible Feldgeschütze gebracht, was als authen¬ tischer Effectivbestand betrachtet werden darf. Hierzu kommen die vierten Bataillone der in Italien stehenden Regimenter, und die in Mobilität gesetzten Grenzbataillone, welche ebenfalls in kürzester Zeit nachrücken und im Laufe dieses Monates noch hier eintreffend die disponible Armee abermals um 40,000 bis 50,000 Mann verstärken werden. Daß endlich noch eine beliebige ') Der Verfasser ist ein östreichischer Militär in Mailand.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/521>, abgerufen am 24.07.2024.