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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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und mehr als sechstausend Schafe und Ziegen weideten. Das Geschrei der
Kameele, das Gebrüll der Bullen, das Wiehern der Pferde, das Blöken der
Schafe und das Geinecker der Ziegen bildete ein Concert, wie ich es in Europa
nie gehört hatte."--

Von Sultan Baspaschan begab sich Atkinson zu Sultan Sabeck, den er
glücklich erreichte, nachdem er vorher mehren Hordenführern geringern Ranges
und dem berüchtigten Räuber Kubaldos einen Besuch abgestattet hatte. Der
Weg ging theils über Weidegründe, theils über nackte Steppen und kahle
Hügelwellen. An einer Stelle war die Steppe auf eine weite Strecke mit
den Löchern und Geweben von Taranteln bedeckt, weiterhin schössen sie mehre
Fasanen, noch weiterhin passirten sie Salzseen, deren Ränder in der Abend¬
sonne prachtvoll wie Ketten von Rubinen und Diamanten flimmerten. Ein¬
mal erblickten sie auf der Steppe das Spiel der Fata Morgana: einen schönen
See, an dessen Gestade ein große Stadt sich ausbreitete, einzelne hohe Bäume
und einen ausgedehnten Wald, alles so getreu gemalt, daß es schwer war,
sich zu überzeugen, wie man nur ein Bild, keine Wirklichkeit vor sich habe.
Endlich erreichte man den Ani des Kubaldos, der aus siebenundzwanzig Jurten
bestand. Die Fremden wurden wie bei Baspasihan freundlich empfangen, mit
Thee, getrocknetem Obst und Hammelfleisch bewirthet und überhaupt mit Aufmerk¬
samkeit behandelt. Indeß merkten sie bald, daß die Räuber etwas gegen sie
im Schilde führten. Der Räuberhauptmann that verdächtige Fragen, er-
kundigte sich nach den Feuerwaffen der Reisenden, wünschte die Pistolen At-
kinsons zu kaufen und erweckte auch sonst Argwohn, indem er namentlich
wollte, die Fremden sollten aus ihrer Reise zu Säbel seinen Freund Ultigun
besuchen. Atkinson stellte sich, als werde er diesem Wunsche folgen, beschloß
aber, einen andern Weg einzuschlagen. An dem Essen vermochte er nicht Theil
zu nehmen, da die Eingeweide des geschlachteten Schafes nach echter Kirgisen¬
sitte so wenig gereinigt waren, daß ganze Klumpen verdauten Grases in
den Kesseln schwammen. Die Leute des Kubaldos sahen außerordentlich
wild aus. Die meisten hatten Pelzröcke an, einige auch Kleider aus Pserdc-
haut, bei denen die Mähne am Rücken herabhing, was ihnen ein besonders
abenteuerliches Aeußere gab. Atkinson 'fürchtete nicht, während seines
Aufenthaltes im Ani selbst angegriffen zu werden und schlief ruhig neben dem
Nüuberhauvtmann. Als er aufstand, war Kubaldos fort, und ein Kosak
meldete ihm, daß er während der Nacht mit einigen seiner Leute davon-
geritten war. Dies war seltsam, da Kubaldos sie am Tage zuvor eingeladen
hatte, noch einige Zeit bei ihm zu bleiben, und Atkinson beschloß, sofort auf¬
zubrechen. Man frühstückte, sattelte die Pferde, steckte frische Zündhütchen auf
die Gewehre und ritt fort.

"Ich befahl dem Kosaken, einen der Kirgisen nach Kubaldos zu fragen.


und mehr als sechstausend Schafe und Ziegen weideten. Das Geschrei der
Kameele, das Gebrüll der Bullen, das Wiehern der Pferde, das Blöken der
Schafe und das Geinecker der Ziegen bildete ein Concert, wie ich es in Europa
nie gehört hatte."--

Von Sultan Baspaschan begab sich Atkinson zu Sultan Sabeck, den er
glücklich erreichte, nachdem er vorher mehren Hordenführern geringern Ranges
und dem berüchtigten Räuber Kubaldos einen Besuch abgestattet hatte. Der
Weg ging theils über Weidegründe, theils über nackte Steppen und kahle
Hügelwellen. An einer Stelle war die Steppe auf eine weite Strecke mit
den Löchern und Geweben von Taranteln bedeckt, weiterhin schössen sie mehre
Fasanen, noch weiterhin passirten sie Salzseen, deren Ränder in der Abend¬
sonne prachtvoll wie Ketten von Rubinen und Diamanten flimmerten. Ein¬
mal erblickten sie auf der Steppe das Spiel der Fata Morgana: einen schönen
See, an dessen Gestade ein große Stadt sich ausbreitete, einzelne hohe Bäume
und einen ausgedehnten Wald, alles so getreu gemalt, daß es schwer war,
sich zu überzeugen, wie man nur ein Bild, keine Wirklichkeit vor sich habe.
Endlich erreichte man den Ani des Kubaldos, der aus siebenundzwanzig Jurten
bestand. Die Fremden wurden wie bei Baspasihan freundlich empfangen, mit
Thee, getrocknetem Obst und Hammelfleisch bewirthet und überhaupt mit Aufmerk¬
samkeit behandelt. Indeß merkten sie bald, daß die Räuber etwas gegen sie
im Schilde führten. Der Räuberhauptmann that verdächtige Fragen, er-
kundigte sich nach den Feuerwaffen der Reisenden, wünschte die Pistolen At-
kinsons zu kaufen und erweckte auch sonst Argwohn, indem er namentlich
wollte, die Fremden sollten aus ihrer Reise zu Säbel seinen Freund Ultigun
besuchen. Atkinson stellte sich, als werde er diesem Wunsche folgen, beschloß
aber, einen andern Weg einzuschlagen. An dem Essen vermochte er nicht Theil
zu nehmen, da die Eingeweide des geschlachteten Schafes nach echter Kirgisen¬
sitte so wenig gereinigt waren, daß ganze Klumpen verdauten Grases in
den Kesseln schwammen. Die Leute des Kubaldos sahen außerordentlich
wild aus. Die meisten hatten Pelzröcke an, einige auch Kleider aus Pserdc-
haut, bei denen die Mähne am Rücken herabhing, was ihnen ein besonders
abenteuerliches Aeußere gab. Atkinson 'fürchtete nicht, während seines
Aufenthaltes im Ani selbst angegriffen zu werden und schlief ruhig neben dem
Nüuberhauvtmann. Als er aufstand, war Kubaldos fort, und ein Kosak
meldete ihm, daß er während der Nacht mit einigen seiner Leute davon-
geritten war. Dies war seltsam, da Kubaldos sie am Tage zuvor eingeladen
hatte, noch einige Zeit bei ihm zu bleiben, und Atkinson beschloß, sofort auf¬
zubrechen. Man frühstückte, sattelte die Pferde, steckte frische Zündhütchen auf
die Gewehre und ritt fort.

„Ich befahl dem Kosaken, einen der Kirgisen nach Kubaldos zu fragen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/513>, abgerufen am 24.07.2024.