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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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höchlich an ihrer Schlauheit. Jenseit der Weiber und umgeben von einem
Nudel Hunde saß, einen dürren Schenkelknochen in der Hand, ein Kind von
etwa vier Jahren. Ich verwunderte mich erst darüber, aber als ich Knochen
unter sie werfen und die Hundegesellschast aus diese zustürzen sah, begriff ich
den Plan des Kleinen. Er ließ sich durch ihr Geheul nicht schrecken, seine
knöcherne Waffe fiel gewichtig auf ihre Nasen, und häufig trug er die Beute
davon. So verschwanden die gekochten Schafe in merkwürdig kurzer Zeit,
dann wurde in großen Schüsseln das Wasser, in denen sie gesotten worden,
herumgereicht und von den Kirgisen mit augenscheinlichem Behagen getrun¬
ken. Hierauf gössen wieder zwei Maun uns warmes Wasser über die Hände
und nun stand alles auf und ging wieder an seine Geschäfte."

Der Sultan wünschte dann auch die Büchsen der Fremden kennen zu ler¬
nen und war außerordentlich erstaunt, als er Atkinson und seine Leute ein
Papier von sieben Zoll Breite-und Länge auf zweihundert Schritt weit treffen sah,
während seine Kirgisen die Scheibe auf sechzig Schritt fehlten. Die Reisenden
wünschten am nächsten Morgen aufzubrechen. Der Sultan begleitete sie bis zu
einem andern, ihm ebenfalls angehörigen Ani, und sie hatten bei dieser Tour
Gelegenheit, an einer Jagd Theil zu nehmen, bei welcher sie die Geschicklichkeit
und Starke seines Jagdadlers kennen lernen sollten.

"Nachdem wir unsern Morgenimbiß eingenommen, wurden für mich und
den Sultan Pferde gebracht. Ich sollte diesen Tag eines seiner besten Rosse
reiten, einen schönen Grauschimmel, welchem mein englisches Gebiß gar nicht
zu gefallen schien. Auch der Sultan und seine beiden Söhne ritten schöne
Thiere. Der älteste Knabe trug den Falken, welcher nach dem Federwild
ausfliegen sollte. Ein wohlberittener Kirgise hielt den Adler, welcher an eine
Sitzstange befestigt war, die in einer Art Fahncnschuh auf seinem Sattel
stand. Der Adler trug Fesseln und eine Kappe und schien vollkommen ruhig.
Im Gefolge des Sultans waren seine drei Jäger oder Leibwächter mit ihren
Gewehren und etwa zwanzig andere Kirgisen in hellfarbigen Kalats, von
denen mehr als die Hälfte mit Streitäxten bewaffnet waren." --

"Wir waren' noch nicht weit gekommen, als verschiedene Stücke Roth¬
wild aus dem Schilf eines stehenden Gewässers hervorsprangen und in der Ent¬
fernung von etwa dreihundert Uards von uns über die Ebene hinsetzten. Augen¬
blicklich wurden dem Adler die Kappe und die Fesseln abgenommen, er sprang
von seiner Stange auf und stieg in die Lüfte empor. Ich beobachtete ihn,
als er sich drehte, und glaubte, er habe die Thiere nicht gesehen, aber das
war ein Mißverständniß. Er hatte sich setzt zu einer beträchtlichen Höhe er¬
hoben und schien sich eine Minute lang sammeln zu wollen. Dann that er
ein paar Flügelschläge und schwebte in gerader Richtung auf seine Beute zu.
Ich konnte nicht bemerken, ob er seine Fittige bewegte, aber er schoß mit


höchlich an ihrer Schlauheit. Jenseit der Weiber und umgeben von einem
Nudel Hunde saß, einen dürren Schenkelknochen in der Hand, ein Kind von
etwa vier Jahren. Ich verwunderte mich erst darüber, aber als ich Knochen
unter sie werfen und die Hundegesellschast aus diese zustürzen sah, begriff ich
den Plan des Kleinen. Er ließ sich durch ihr Geheul nicht schrecken, seine
knöcherne Waffe fiel gewichtig auf ihre Nasen, und häufig trug er die Beute
davon. So verschwanden die gekochten Schafe in merkwürdig kurzer Zeit,
dann wurde in großen Schüsseln das Wasser, in denen sie gesotten worden,
herumgereicht und von den Kirgisen mit augenscheinlichem Behagen getrun¬
ken. Hierauf gössen wieder zwei Maun uns warmes Wasser über die Hände
und nun stand alles auf und ging wieder an seine Geschäfte."

Der Sultan wünschte dann auch die Büchsen der Fremden kennen zu ler¬
nen und war außerordentlich erstaunt, als er Atkinson und seine Leute ein
Papier von sieben Zoll Breite-und Länge auf zweihundert Schritt weit treffen sah,
während seine Kirgisen die Scheibe auf sechzig Schritt fehlten. Die Reisenden
wünschten am nächsten Morgen aufzubrechen. Der Sultan begleitete sie bis zu
einem andern, ihm ebenfalls angehörigen Ani, und sie hatten bei dieser Tour
Gelegenheit, an einer Jagd Theil zu nehmen, bei welcher sie die Geschicklichkeit
und Starke seines Jagdadlers kennen lernen sollten.

„Nachdem wir unsern Morgenimbiß eingenommen, wurden für mich und
den Sultan Pferde gebracht. Ich sollte diesen Tag eines seiner besten Rosse
reiten, einen schönen Grauschimmel, welchem mein englisches Gebiß gar nicht
zu gefallen schien. Auch der Sultan und seine beiden Söhne ritten schöne
Thiere. Der älteste Knabe trug den Falken, welcher nach dem Federwild
ausfliegen sollte. Ein wohlberittener Kirgise hielt den Adler, welcher an eine
Sitzstange befestigt war, die in einer Art Fahncnschuh auf seinem Sattel
stand. Der Adler trug Fesseln und eine Kappe und schien vollkommen ruhig.
Im Gefolge des Sultans waren seine drei Jäger oder Leibwächter mit ihren
Gewehren und etwa zwanzig andere Kirgisen in hellfarbigen Kalats, von
denen mehr als die Hälfte mit Streitäxten bewaffnet waren." —

„Wir waren' noch nicht weit gekommen, als verschiedene Stücke Roth¬
wild aus dem Schilf eines stehenden Gewässers hervorsprangen und in der Ent¬
fernung von etwa dreihundert Uards von uns über die Ebene hinsetzten. Augen¬
blicklich wurden dem Adler die Kappe und die Fesseln abgenommen, er sprang
von seiner Stange auf und stieg in die Lüfte empor. Ich beobachtete ihn,
als er sich drehte, und glaubte, er habe die Thiere nicht gesehen, aber das
war ein Mißverständniß. Er hatte sich setzt zu einer beträchtlichen Höhe er¬
hoben und schien sich eine Minute lang sammeln zu wollen. Dann that er
ein paar Flügelschläge und schwebte in gerader Richtung auf seine Beute zu.
Ich konnte nicht bemerken, ob er seine Fittige bewegte, aber er schoß mit


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[0511] höchlich an ihrer Schlauheit. Jenseit der Weiber und umgeben von einem Nudel Hunde saß, einen dürren Schenkelknochen in der Hand, ein Kind von etwa vier Jahren. Ich verwunderte mich erst darüber, aber als ich Knochen unter sie werfen und die Hundegesellschast aus diese zustürzen sah, begriff ich den Plan des Kleinen. Er ließ sich durch ihr Geheul nicht schrecken, seine knöcherne Waffe fiel gewichtig auf ihre Nasen, und häufig trug er die Beute davon. So verschwanden die gekochten Schafe in merkwürdig kurzer Zeit, dann wurde in großen Schüsseln das Wasser, in denen sie gesotten worden, herumgereicht und von den Kirgisen mit augenscheinlichem Behagen getrun¬ ken. Hierauf gössen wieder zwei Maun uns warmes Wasser über die Hände und nun stand alles auf und ging wieder an seine Geschäfte." Der Sultan wünschte dann auch die Büchsen der Fremden kennen zu ler¬ nen und war außerordentlich erstaunt, als er Atkinson und seine Leute ein Papier von sieben Zoll Breite-und Länge auf zweihundert Schritt weit treffen sah, während seine Kirgisen die Scheibe auf sechzig Schritt fehlten. Die Reisenden wünschten am nächsten Morgen aufzubrechen. Der Sultan begleitete sie bis zu einem andern, ihm ebenfalls angehörigen Ani, und sie hatten bei dieser Tour Gelegenheit, an einer Jagd Theil zu nehmen, bei welcher sie die Geschicklichkeit und Starke seines Jagdadlers kennen lernen sollten. „Nachdem wir unsern Morgenimbiß eingenommen, wurden für mich und den Sultan Pferde gebracht. Ich sollte diesen Tag eines seiner besten Rosse reiten, einen schönen Grauschimmel, welchem mein englisches Gebiß gar nicht zu gefallen schien. Auch der Sultan und seine beiden Söhne ritten schöne Thiere. Der älteste Knabe trug den Falken, welcher nach dem Federwild ausfliegen sollte. Ein wohlberittener Kirgise hielt den Adler, welcher an eine Sitzstange befestigt war, die in einer Art Fahncnschuh auf seinem Sattel stand. Der Adler trug Fesseln und eine Kappe und schien vollkommen ruhig. Im Gefolge des Sultans waren seine drei Jäger oder Leibwächter mit ihren Gewehren und etwa zwanzig andere Kirgisen in hellfarbigen Kalats, von denen mehr als die Hälfte mit Streitäxten bewaffnet waren." — „Wir waren' noch nicht weit gekommen, als verschiedene Stücke Roth¬ wild aus dem Schilf eines stehenden Gewässers hervorsprangen und in der Ent¬ fernung von etwa dreihundert Uards von uns über die Ebene hinsetzten. Augen¬ blicklich wurden dem Adler die Kappe und die Fesseln abgenommen, er sprang von seiner Stange auf und stieg in die Lüfte empor. Ich beobachtete ihn, als er sich drehte, und glaubte, er habe die Thiere nicht gesehen, aber das war ein Mißverständniß. Er hatte sich setzt zu einer beträchtlichen Höhe er¬ hoben und schien sich eine Minute lang sammeln zu wollen. Dann that er ein paar Flügelschläge und schwebte in gerader Richtung auf seine Beute zu. Ich konnte nicht bemerken, ob er seine Fittige bewegte, aber er schoß mit

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/511>, abgerufen am 24.07.2024.