Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.pfing uns an der Thür, ergriff die Zügel meines Pferdes, gab mir seine Hand Dies war Sultan Baspasihan. Er war ein starker Mann mit einem 63 *
pfing uns an der Thür, ergriff die Zügel meines Pferdes, gab mir seine Hand Dies war Sultan Baspasihan. Er war ein starker Mann mit einem 63 *
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0509" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187461"/> <p xml:id="ID_1465" prev="#ID_1464"> pfing uns an der Thür, ergriff die Zügel meines Pferdes, gab mir seine Hand<lb/> zum Absteigen und führte mich in die Jurte.</p><lb/> <p xml:id="ID_1466" next="#ID_1467"> Dies war Sultan Baspasihan. Er war ein starker Mann mit einem<lb/> rothen Gesicht und trug einen schwarzen Sammetkalat mit Zobel besetzt und<lb/> um die Hüften einen karmoisinrothen Shawl; seinen Kops bedeckte eine kegel¬<lb/> förmige Mütze von rothem Tuch, die mit Fuchspelz besetzt war und von deren<lb/> Spitze eine Eulenfeder herabhing — das Zeichen seiner Abstammung von<lb/> Dschingiskhan. Ein bocharischer Teppich wurde ausgebreitet, auf welchem<lb/> wir Platz nahmen. Dann brachten zwei Knaben Thee und Obst herein. Sie<lb/> waren in gestreifte seidene Kalats gekleidet, hatten Fuchspelzmützen auf und<lb/> grüne Schärpen um den Leib. Es waren seine Söhne. Die Sultana war<lb/> bei einem andern Sultan auf Besuch. Die Jurte war geräumig. Aus der<lb/> einen Seite verbargen seidene Vorhänge die Schlafstelle. Daneben standen ein<lb/> Berkut, d. h. ein großer schwarzer Jagdadler und ein Falke, die mit Ketten<lb/> an ihre Sitzstäbe gefesselt waren, und ich bemerkte, daß alle Eintretenden sich<lb/> in respectvoller Entfernung von dem gefiederten Monarchen hielten. Auf der<lb/> andern Seite befanden sich drei Böckchen und zwei Lämmer in einem kleinen<lb/> Verschlag. Hinter mir lag ein Hausen von Kasten und bocharischen Teppichen,<lb/> so wie der große Kumisschlauch der Sultansfamilie. Zwischen uns und der<lb/> Thür saßen acht oder zehn Kirgisen, welche alles, was ich that, mit großer<lb/> Aufmerksamkeit beobachteten, und draußen war eine Gruppe von Weibern,<lb/> deren kleine schwarze Augen sich starr auf den Fremden hefteten. Meine Jagd¬<lb/> jacke, meine Aufschlagstiefeln und mein Filzhut waren Gegenstände von Inter¬<lb/> esse, aber mein Gürtel mit den Pistolen darin bildete den Hauptanziehungs¬<lb/> punkt. Der Sultan wünschte die letztern zu untersuchen, ich händigte ihm<lb/> eine ein, er drehte sie nach allen Seiten um und sah in die Läuse hinein.<lb/> Dies genügte ihm nicht, er wünschte mich damit schießen zu sehen und bot<lb/> ein Böckchen als Scheibe an, indem er wahrscheinlich dachte, daß ein so<lb/> kleines Feuergewehr keine Wirkung haben werde. Ich lehnte sein Böckchen<lb/> ab, riß ein Blatt aus meinem Skizzenbuch, machte ein Ziel in die Mitte und<lb/> gab es dem Kosaken, welcher es als Scheibe aus einen gespaltenen Stock<lb/> steckte. Der Sultan erhob sich, und alle verließen die Jurte. Ich folgte ihm<lb/> und ging nach der Scheibe. Mir wohlbewußt. daß wir unter gefährlichen<lb/> Leuten waren, nahm ich mir vor. ihnen zu zeigen, daß selbst diese kleinen<lb/> Dinger gefährlich seien. Ich entfernte mich fünfzehn Schritt von der Scheibe,<lb/> drehte mich um und schoß ein Loch durch das Papier. Der Sultan hielt<lb/> dies augenscheinlich für ein Taschenspielerstückchen und sagte etwas zu seinem<lb/> Sohn, welcher sogleich in die Jurte lies und seinem Vater eine chinesische<lb/> Holzschüssel brachte. Diese hing er eigenhändig auf den Stock, und als er<lb/> zu seiner Stelle neben mir zurückgekehrt war. sandte ich eine Kugel hindurch.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 63 *</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0509]
pfing uns an der Thür, ergriff die Zügel meines Pferdes, gab mir seine Hand
zum Absteigen und führte mich in die Jurte.
Dies war Sultan Baspasihan. Er war ein starker Mann mit einem
rothen Gesicht und trug einen schwarzen Sammetkalat mit Zobel besetzt und
um die Hüften einen karmoisinrothen Shawl; seinen Kops bedeckte eine kegel¬
förmige Mütze von rothem Tuch, die mit Fuchspelz besetzt war und von deren
Spitze eine Eulenfeder herabhing — das Zeichen seiner Abstammung von
Dschingiskhan. Ein bocharischer Teppich wurde ausgebreitet, auf welchem
wir Platz nahmen. Dann brachten zwei Knaben Thee und Obst herein. Sie
waren in gestreifte seidene Kalats gekleidet, hatten Fuchspelzmützen auf und
grüne Schärpen um den Leib. Es waren seine Söhne. Die Sultana war
bei einem andern Sultan auf Besuch. Die Jurte war geräumig. Aus der
einen Seite verbargen seidene Vorhänge die Schlafstelle. Daneben standen ein
Berkut, d. h. ein großer schwarzer Jagdadler und ein Falke, die mit Ketten
an ihre Sitzstäbe gefesselt waren, und ich bemerkte, daß alle Eintretenden sich
in respectvoller Entfernung von dem gefiederten Monarchen hielten. Auf der
andern Seite befanden sich drei Böckchen und zwei Lämmer in einem kleinen
Verschlag. Hinter mir lag ein Hausen von Kasten und bocharischen Teppichen,
so wie der große Kumisschlauch der Sultansfamilie. Zwischen uns und der
Thür saßen acht oder zehn Kirgisen, welche alles, was ich that, mit großer
Aufmerksamkeit beobachteten, und draußen war eine Gruppe von Weibern,
deren kleine schwarze Augen sich starr auf den Fremden hefteten. Meine Jagd¬
jacke, meine Aufschlagstiefeln und mein Filzhut waren Gegenstände von Inter¬
esse, aber mein Gürtel mit den Pistolen darin bildete den Hauptanziehungs¬
punkt. Der Sultan wünschte die letztern zu untersuchen, ich händigte ihm
eine ein, er drehte sie nach allen Seiten um und sah in die Läuse hinein.
Dies genügte ihm nicht, er wünschte mich damit schießen zu sehen und bot
ein Böckchen als Scheibe an, indem er wahrscheinlich dachte, daß ein so
kleines Feuergewehr keine Wirkung haben werde. Ich lehnte sein Böckchen
ab, riß ein Blatt aus meinem Skizzenbuch, machte ein Ziel in die Mitte und
gab es dem Kosaken, welcher es als Scheibe aus einen gespaltenen Stock
steckte. Der Sultan erhob sich, und alle verließen die Jurte. Ich folgte ihm
und ging nach der Scheibe. Mir wohlbewußt. daß wir unter gefährlichen
Leuten waren, nahm ich mir vor. ihnen zu zeigen, daß selbst diese kleinen
Dinger gefährlich seien. Ich entfernte mich fünfzehn Schritt von der Scheibe,
drehte mich um und schoß ein Loch durch das Papier. Der Sultan hielt
dies augenscheinlich für ein Taschenspielerstückchen und sagte etwas zu seinem
Sohn, welcher sogleich in die Jurte lies und seinem Vater eine chinesische
Holzschüssel brachte. Diese hing er eigenhändig auf den Stock, und als er
zu seiner Stelle neben mir zurückgekehrt war. sandte ich eine Kugel hindurch.
63 *
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |