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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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fast flüssigen Zustand in die Form einer ungeheuren Blase emporgetrieben
worden. Es war nach allen Richtungen gespalten und gebrochen, aber nicht
in regelmäßigen Schichten. Nachdem ich das Gestein genau untersucht, ent¬
deckte ich, daß die ganze äußere Hülle basaltartig war. Ich fand Olivin in
kleinen grünlichen Krystallen, an einigen Stellen schien es durch die ganze
Masse hindurchzugehen, aber nur in kleinen Theilchen. Der Hügel, welcher
keinen einzigen Grashalm trug, war kein regelmüßig kreisförmiger, sondern
von elliptischer Gestalt. Als ich auf dem Gipfel stand, bemerkte ich in der
Entfernung von zwanzig bis fünfundzwanzig Werst im Südosten einen ähnlich
gestalteten Hügel. Wir richteten unsre Schritte nach dieser Gegend und stiegen
so allmälig nach der Ebene hinab.

Bald nach Mittag sahen wir zwischen einigen andern niedern Hügeln im
Westen etwa zehn Werst entfernt einen Ani. Nach einer Berathung hielten wir es
für das Beste, uns nach demselben hinzubegeben und zu sehen, wie seine
Bewohner Fremde behandeln würden. Nach kurzer Zeit ritten wir durch eine
große Herde von Pferden und Kameelen. Die kirgisischen Hirten kamen auf
uns zu und fragten nach Woher und Wohin. Wir sagten ihnen, daß
wir vom Ubsanur kämen und nach dem Ulundschur wollten. Darauf
erfuhren wir. daß der Ani ein sehr großer sei und dem Sultan Baspasihan
gehöre, und daß wir ihn dort mit seinem Stamm antreffen würden. Jeder
Kirgise, dem wir begegneten, hatte seine Streitaxt am Sattel hängen, aber
ob sie sich damit gegen Menschen oder Thiere sichern wollten, wußten wir
nicht. Nachdem wir ein paar Werst geritten, kam ein Kirgise auf uns zu
galoppirt, zeigte uns die Lage des Anis und ritt dann schnell auf denselben
zu, als ob der Anblick unsrer Waffen ihn veranlaßt, zu eilen, um dem Sul¬
tan Gelegenheit zu geben, uns einen warmen Empfang zu bereiten.

Ein kurzer Ritt weiterhin brachte uns auf den Kamm einer Hügelkette,
von welcher wir aus den Ani hinabschauten, der an einem Bach im Thale
lag. Etwa eine Werst entfernt von dem Ani glänzte ein Landsee. Auf der
einen Seite desselben stand dichtes Schilf, auf der andern breitete sich ein
grasbewachsenes User aus, auf welchem Schafe und Ziegen weideten. Wir
bemerkten jetzt, daß mehre Leute auf ihre Pferde sprangen, um uns entgegen¬
zukommen; das war sicher eine Friedensgesandtschaft. Als wir zusammen¬
trafen, legte einer seine Hand auf meine Brust und sagte "Amar". Ich folgte
seinem Beispiel und so ritten wir weiter. Bei unsrer Annäherung schien in
dem Ani große Bewegung zu herrschen. Zwei Männer hatten ihre Pferde
bestiegen und waren davongeritten. Andere sammelten Strauchwerk, und alle
waren beschäftigt. Unsere Escorte führte uns zu einer großen Jurte, an deren
Thür ein langer Spieß in den Boden gesteckt war, von dessen blitzender Spitze
ein schwarzer Roßschweif herabhing. Ein schöner hochgewachsener Mann em-


fast flüssigen Zustand in die Form einer ungeheuren Blase emporgetrieben
worden. Es war nach allen Richtungen gespalten und gebrochen, aber nicht
in regelmäßigen Schichten. Nachdem ich das Gestein genau untersucht, ent¬
deckte ich, daß die ganze äußere Hülle basaltartig war. Ich fand Olivin in
kleinen grünlichen Krystallen, an einigen Stellen schien es durch die ganze
Masse hindurchzugehen, aber nur in kleinen Theilchen. Der Hügel, welcher
keinen einzigen Grashalm trug, war kein regelmüßig kreisförmiger, sondern
von elliptischer Gestalt. Als ich auf dem Gipfel stand, bemerkte ich in der
Entfernung von zwanzig bis fünfundzwanzig Werst im Südosten einen ähnlich
gestalteten Hügel. Wir richteten unsre Schritte nach dieser Gegend und stiegen
so allmälig nach der Ebene hinab.

Bald nach Mittag sahen wir zwischen einigen andern niedern Hügeln im
Westen etwa zehn Werst entfernt einen Ani. Nach einer Berathung hielten wir es
für das Beste, uns nach demselben hinzubegeben und zu sehen, wie seine
Bewohner Fremde behandeln würden. Nach kurzer Zeit ritten wir durch eine
große Herde von Pferden und Kameelen. Die kirgisischen Hirten kamen auf
uns zu und fragten nach Woher und Wohin. Wir sagten ihnen, daß
wir vom Ubsanur kämen und nach dem Ulundschur wollten. Darauf
erfuhren wir. daß der Ani ein sehr großer sei und dem Sultan Baspasihan
gehöre, und daß wir ihn dort mit seinem Stamm antreffen würden. Jeder
Kirgise, dem wir begegneten, hatte seine Streitaxt am Sattel hängen, aber
ob sie sich damit gegen Menschen oder Thiere sichern wollten, wußten wir
nicht. Nachdem wir ein paar Werst geritten, kam ein Kirgise auf uns zu
galoppirt, zeigte uns die Lage des Anis und ritt dann schnell auf denselben
zu, als ob der Anblick unsrer Waffen ihn veranlaßt, zu eilen, um dem Sul¬
tan Gelegenheit zu geben, uns einen warmen Empfang zu bereiten.

Ein kurzer Ritt weiterhin brachte uns auf den Kamm einer Hügelkette,
von welcher wir aus den Ani hinabschauten, der an einem Bach im Thale
lag. Etwa eine Werst entfernt von dem Ani glänzte ein Landsee. Auf der
einen Seite desselben stand dichtes Schilf, auf der andern breitete sich ein
grasbewachsenes User aus, auf welchem Schafe und Ziegen weideten. Wir
bemerkten jetzt, daß mehre Leute auf ihre Pferde sprangen, um uns entgegen¬
zukommen; das war sicher eine Friedensgesandtschaft. Als wir zusammen¬
trafen, legte einer seine Hand auf meine Brust und sagte „Amar". Ich folgte
seinem Beispiel und so ritten wir weiter. Bei unsrer Annäherung schien in
dem Ani große Bewegung zu herrschen. Zwei Männer hatten ihre Pferde
bestiegen und waren davongeritten. Andere sammelten Strauchwerk, und alle
waren beschäftigt. Unsere Escorte führte uns zu einer großen Jurte, an deren
Thür ein langer Spieß in den Boden gesteckt war, von dessen blitzender Spitze
ein schwarzer Roßschweif herabhing. Ein schöner hochgewachsener Mann em-


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[0508] fast flüssigen Zustand in die Form einer ungeheuren Blase emporgetrieben worden. Es war nach allen Richtungen gespalten und gebrochen, aber nicht in regelmäßigen Schichten. Nachdem ich das Gestein genau untersucht, ent¬ deckte ich, daß die ganze äußere Hülle basaltartig war. Ich fand Olivin in kleinen grünlichen Krystallen, an einigen Stellen schien es durch die ganze Masse hindurchzugehen, aber nur in kleinen Theilchen. Der Hügel, welcher keinen einzigen Grashalm trug, war kein regelmüßig kreisförmiger, sondern von elliptischer Gestalt. Als ich auf dem Gipfel stand, bemerkte ich in der Entfernung von zwanzig bis fünfundzwanzig Werst im Südosten einen ähnlich gestalteten Hügel. Wir richteten unsre Schritte nach dieser Gegend und stiegen so allmälig nach der Ebene hinab. Bald nach Mittag sahen wir zwischen einigen andern niedern Hügeln im Westen etwa zehn Werst entfernt einen Ani. Nach einer Berathung hielten wir es für das Beste, uns nach demselben hinzubegeben und zu sehen, wie seine Bewohner Fremde behandeln würden. Nach kurzer Zeit ritten wir durch eine große Herde von Pferden und Kameelen. Die kirgisischen Hirten kamen auf uns zu und fragten nach Woher und Wohin. Wir sagten ihnen, daß wir vom Ubsanur kämen und nach dem Ulundschur wollten. Darauf erfuhren wir. daß der Ani ein sehr großer sei und dem Sultan Baspasihan gehöre, und daß wir ihn dort mit seinem Stamm antreffen würden. Jeder Kirgise, dem wir begegneten, hatte seine Streitaxt am Sattel hängen, aber ob sie sich damit gegen Menschen oder Thiere sichern wollten, wußten wir nicht. Nachdem wir ein paar Werst geritten, kam ein Kirgise auf uns zu galoppirt, zeigte uns die Lage des Anis und ritt dann schnell auf denselben zu, als ob der Anblick unsrer Waffen ihn veranlaßt, zu eilen, um dem Sul¬ tan Gelegenheit zu geben, uns einen warmen Empfang zu bereiten. Ein kurzer Ritt weiterhin brachte uns auf den Kamm einer Hügelkette, von welcher wir aus den Ani hinabschauten, der an einem Bach im Thale lag. Etwa eine Werst entfernt von dem Ani glänzte ein Landsee. Auf der einen Seite desselben stand dichtes Schilf, auf der andern breitete sich ein grasbewachsenes User aus, auf welchem Schafe und Ziegen weideten. Wir bemerkten jetzt, daß mehre Leute auf ihre Pferde sprangen, um uns entgegen¬ zukommen; das war sicher eine Friedensgesandtschaft. Als wir zusammen¬ trafen, legte einer seine Hand auf meine Brust und sagte „Amar". Ich folgte seinem Beispiel und so ritten wir weiter. Bei unsrer Annäherung schien in dem Ani große Bewegung zu herrschen. Zwei Männer hatten ihre Pferde bestiegen und waren davongeritten. Andere sammelten Strauchwerk, und alle waren beschäftigt. Unsere Escorte führte uns zu einer großen Jurte, an deren Thür ein langer Spieß in den Boden gesteckt war, von dessen blitzender Spitze ein schwarzer Roßschweif herabhing. Ein schöner hochgewachsener Mann em-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/508>, abgerufen am 24.07.2024.