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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Gesellschaft an Bord. Sie hatte ihren Mittelpunkt in einem hohen Wür¬
denträger der Pforte. Seiner Excellenz Omer Pascha -- nicht der be¬
rühmte, wie jedermann sogleich zum Verständniß -- und sicherlich verletzend
für den Mann -- hinzufügte, sondern "ein anderer", gegenwärtig Präsident
der vielbesprochenen Donaucommission in Galatsch. Ich habe späterhin das
Vergnügen gehabt, mit ihm näher bekannt zu werden, und gestehe, daß
Leute seinesgleichen wohlgeeignet sind, das Vorurtheil gegen die Türken her¬
abzustimmen. Er ist ein kleiner, feiner Mann, mit scharfen Gesichtszügen
und blitzenden Augen; in Wien erzogen, spricht er fertig deutsch und hat alle
Ansichten der christlichen Civilisation in sich aufgenommen -- bis auf eine,
die das Allerheiligste des Türken angeht, den Harem. In seiner Begleitung
war ein etwas beleibter graublondcr Herr, welchem jedermann, trotz der tür¬
kischen Uniform und dem nach hinten gerückten Fes, aus der Stelle ansehen
mußte, daß gutes deutsches Blut und zwar ohne jede falsche Färbung, in
seinen Adern floß; es war der Oberst Malinowsky, ein Magdeburger, welcher
als preußischer Jnstructeur nach der Türkei gekommen war. sich nach und
nach zu seinem jetzigen Rang emporschwang und gegenwärtig als Commissär
der Pforte bei der Donauregulirung fungirt. Er hat sich in Tultscha ein
prächtiges Haus erbaut, d. h. der Staat hat es bezahlt, und er wohnt da,
weitschauend über die Lande, wie jemand, dem die Donau nur zum Privat¬
vergnügen fließt. Auch Albion war vertreten in einem seiner besten und
schönsten Söhne; es war der Capitän Hartley, aus der bekannten britischen
Jngenieursamilie, der Stationscommandant in Sulina. Auffällig war mir,
daß unter den einzelnen Herren von der Donaucvmmission -- wie ich dies
nicht blos hier, sondern mehrfach gefunden, kein besonders kameradschaft¬
liches Verhältniß zu herrschen schien. Dennoch hat dieselbe in diese Gegen¬
den ein ganz neues Leben gebracht, wie mir allgemein versichert wurde; es
hat sich ein anderer gesellschaftlicher Ton, eine Concentration der bessern so¬
cialen Elemente durch den Zusammenfluß einer Menge von Männern der
Elite der Civilisation gebildet, deren Siege sich mehr und mehr vergrößern,
und die gewiß von bleibendem Einfluß auf den Landstrich und seine Bewoh¬
ner sein wird. Es ist um so mehr vorauszusehen, daß eine derartige Ein¬
wirkung dauernde Folgen zu begründen vermag, je weniger es vorauszusehen
ist, wann das Donaueinigungs- und Neinigungswerk zu Stande kommt. In
fünfundzwanzig Jahren werden wir erst wissen, was eigentlich zu thun ist, hat
mir einer der Eingeweihten gesagt; und die Gemüthlichkeit, mit welcher die
meisten davon hier ihren Fuß in den Boden pflanzen, zum Festwachscn, spricht
allerdings ebenso sehr für diese Ansicht, wie die erschreckend dürftigen, wenigen
Anstalten und Bauten, welche die Türkei bis heute für ihre dreimalhundert-
tausend Ducaten zum Besten der Donau hat entstehen sehen.


Gesellschaft an Bord. Sie hatte ihren Mittelpunkt in einem hohen Wür¬
denträger der Pforte. Seiner Excellenz Omer Pascha — nicht der be¬
rühmte, wie jedermann sogleich zum Verständniß — und sicherlich verletzend
für den Mann — hinzufügte, sondern „ein anderer", gegenwärtig Präsident
der vielbesprochenen Donaucommission in Galatsch. Ich habe späterhin das
Vergnügen gehabt, mit ihm näher bekannt zu werden, und gestehe, daß
Leute seinesgleichen wohlgeeignet sind, das Vorurtheil gegen die Türken her¬
abzustimmen. Er ist ein kleiner, feiner Mann, mit scharfen Gesichtszügen
und blitzenden Augen; in Wien erzogen, spricht er fertig deutsch und hat alle
Ansichten der christlichen Civilisation in sich aufgenommen — bis auf eine,
die das Allerheiligste des Türken angeht, den Harem. In seiner Begleitung
war ein etwas beleibter graublondcr Herr, welchem jedermann, trotz der tür¬
kischen Uniform und dem nach hinten gerückten Fes, aus der Stelle ansehen
mußte, daß gutes deutsches Blut und zwar ohne jede falsche Färbung, in
seinen Adern floß; es war der Oberst Malinowsky, ein Magdeburger, welcher
als preußischer Jnstructeur nach der Türkei gekommen war. sich nach und
nach zu seinem jetzigen Rang emporschwang und gegenwärtig als Commissär
der Pforte bei der Donauregulirung fungirt. Er hat sich in Tultscha ein
prächtiges Haus erbaut, d. h. der Staat hat es bezahlt, und er wohnt da,
weitschauend über die Lande, wie jemand, dem die Donau nur zum Privat¬
vergnügen fließt. Auch Albion war vertreten in einem seiner besten und
schönsten Söhne; es war der Capitän Hartley, aus der bekannten britischen
Jngenieursamilie, der Stationscommandant in Sulina. Auffällig war mir,
daß unter den einzelnen Herren von der Donaucvmmission — wie ich dies
nicht blos hier, sondern mehrfach gefunden, kein besonders kameradschaft¬
liches Verhältniß zu herrschen schien. Dennoch hat dieselbe in diese Gegen¬
den ein ganz neues Leben gebracht, wie mir allgemein versichert wurde; es
hat sich ein anderer gesellschaftlicher Ton, eine Concentration der bessern so¬
cialen Elemente durch den Zusammenfluß einer Menge von Männern der
Elite der Civilisation gebildet, deren Siege sich mehr und mehr vergrößern,
und die gewiß von bleibendem Einfluß auf den Landstrich und seine Bewoh¬
ner sein wird. Es ist um so mehr vorauszusehen, daß eine derartige Ein¬
wirkung dauernde Folgen zu begründen vermag, je weniger es vorauszusehen
ist, wann das Donaueinigungs- und Neinigungswerk zu Stande kommt. In
fünfundzwanzig Jahren werden wir erst wissen, was eigentlich zu thun ist, hat
mir einer der Eingeweihten gesagt; und die Gemüthlichkeit, mit welcher die
meisten davon hier ihren Fuß in den Boden pflanzen, zum Festwachscn, spricht
allerdings ebenso sehr für diese Ansicht, wie die erschreckend dürftigen, wenigen
Anstalten und Bauten, welche die Türkei bis heute für ihre dreimalhundert-
tausend Ducaten zum Besten der Donau hat entstehen sehen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/500>, abgerufen am 24.07.2024.