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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Zweck der Behandlung der gemeinschaftlichen Angelegenheiten Bedacht genom¬
men werden solle. Von einer gemeinschaftlichen Vertretung mit constitutio-
nellen Attributen, wie sie die Verfassung von 1855 schuf, ist hier nicht die
Rede, überhaupt von keiner gemeinschaftlichen Vertretung. Nur gemeinschaft¬
liche Angelegenheiten sind nach diesen Worten eine Nothwendigkeit und eine
gemeinschaftliche Verfassung zum Zweck der Behandlung derselben. Eine
Gesetzgebung verdient aber schon den Namen einer gemeinschaftlichen Verfas¬
sung, wenn sie für alle Theile der Monarchie geltende gleichmäßige Vorschrif¬
ten für die Behandlung der betreffenden Angelegenheiten aufstellt, und die
einzelnen Landesvertretungen als die zur Geltendmachung der
verfassungsmäßigen Rechte bestimmten Organe constituirt. Mit
einer solchen Organisation stehen die der Bekanntmachung vorausgegangenen
Verhandlungen nicht im Widerspruch, denn wenn auch in denselben einer Ge-
sammtvertrctung als einer Möglichkeit gedacht und rücksichtlich einer solchen
erklärt ist, daß sie unter gewissen Voraussehungen mit den Sonderrechten Hol¬
steins und Lauenburgs nicht unverträglich sei. so geht doch sowol aus den
preußischen als aus den östreichischen Depeschen unzweideutig hervor, daß
eine Verpflichtung zur Einführung eines solchen Organs nicht eingegangen wor¬
den ist. So steht der Betretung des angedeuteten Auswegs kein Hinderniß
entgegen. Es gibt aber noch andere Gründe, welche denselben empfehlen.
Wird ein Gesammtorgan unter Aufrechthaltung der Selbstständigkeit der ein¬
zelnen Landesvertretungen gebildet, so zerfällt die Staatsverwaltung der Mon¬
archie in eine größere Anzahl von getrennten Theilen und die jedes einzel¬
nen der Monarchie angehörigen Landes in zwei voneinander unabhängige
Theile unter Mitwirkung einer nur für jeden Theil competenten Repräsentation.
Dies scheint, da selbst nach der bisherigen Einrichtung der Wirkungskreis der
Landesvertretungen sich keineswegs auf untergeordnete Verwaltungszweige be¬
schränkt, und da derselbe nie blos auf solche zu beschränken wäre, der Idee
der Einheit, welche jede Staatsverwaltung ausdrücken muß, zu widersprechen.
Dazu kommt, daß ein Organ mit der Bestimmung sämmtliche Theile der Mon¬
archie zu vertreten, kaum weniger Mitglieder haben dürfte, als der jetzige
Reichsrath, der aus achtzig Mitgliedern besteht, und dass in einer solchen Ver¬
sammlung die Verschiedenheit der Sprachen ein unüberwindliches Hinderniß
für den Austausch der Gedanken sein würde. Andere Umstände sind, daß
Kopenhagen, wo das Gesammtorgan seinen Sitz haben müßte, den Vertretern
der Herzogthümer unverhältnißmäßige Opfer auferlegen würde, während die
Abgeordneten des Königreichs größtenteils todt wohnen, und daß es bei der in¬
sularen Lage Kopenhagens leicht möglich sein könnte, daß einmal die Vertre¬
ter Holsteins und der übrigen Herzogthümer nicht dorthin gelangen könnten,


Grenzboten I. 1859. ' 59

Zweck der Behandlung der gemeinschaftlichen Angelegenheiten Bedacht genom¬
men werden solle. Von einer gemeinschaftlichen Vertretung mit constitutio-
nellen Attributen, wie sie die Verfassung von 1855 schuf, ist hier nicht die
Rede, überhaupt von keiner gemeinschaftlichen Vertretung. Nur gemeinschaft¬
liche Angelegenheiten sind nach diesen Worten eine Nothwendigkeit und eine
gemeinschaftliche Verfassung zum Zweck der Behandlung derselben. Eine
Gesetzgebung verdient aber schon den Namen einer gemeinschaftlichen Verfas¬
sung, wenn sie für alle Theile der Monarchie geltende gleichmäßige Vorschrif¬
ten für die Behandlung der betreffenden Angelegenheiten aufstellt, und die
einzelnen Landesvertretungen als die zur Geltendmachung der
verfassungsmäßigen Rechte bestimmten Organe constituirt. Mit
einer solchen Organisation stehen die der Bekanntmachung vorausgegangenen
Verhandlungen nicht im Widerspruch, denn wenn auch in denselben einer Ge-
sammtvertrctung als einer Möglichkeit gedacht und rücksichtlich einer solchen
erklärt ist, daß sie unter gewissen Voraussehungen mit den Sonderrechten Hol¬
steins und Lauenburgs nicht unverträglich sei. so geht doch sowol aus den
preußischen als aus den östreichischen Depeschen unzweideutig hervor, daß
eine Verpflichtung zur Einführung eines solchen Organs nicht eingegangen wor¬
den ist. So steht der Betretung des angedeuteten Auswegs kein Hinderniß
entgegen. Es gibt aber noch andere Gründe, welche denselben empfehlen.
Wird ein Gesammtorgan unter Aufrechthaltung der Selbstständigkeit der ein¬
zelnen Landesvertretungen gebildet, so zerfällt die Staatsverwaltung der Mon¬
archie in eine größere Anzahl von getrennten Theilen und die jedes einzel¬
nen der Monarchie angehörigen Landes in zwei voneinander unabhängige
Theile unter Mitwirkung einer nur für jeden Theil competenten Repräsentation.
Dies scheint, da selbst nach der bisherigen Einrichtung der Wirkungskreis der
Landesvertretungen sich keineswegs auf untergeordnete Verwaltungszweige be¬
schränkt, und da derselbe nie blos auf solche zu beschränken wäre, der Idee
der Einheit, welche jede Staatsverwaltung ausdrücken muß, zu widersprechen.
Dazu kommt, daß ein Organ mit der Bestimmung sämmtliche Theile der Mon¬
archie zu vertreten, kaum weniger Mitglieder haben dürfte, als der jetzige
Reichsrath, der aus achtzig Mitgliedern besteht, und dass in einer solchen Ver¬
sammlung die Verschiedenheit der Sprachen ein unüberwindliches Hinderniß
für den Austausch der Gedanken sein würde. Andere Umstände sind, daß
Kopenhagen, wo das Gesammtorgan seinen Sitz haben müßte, den Vertretern
der Herzogthümer unverhältnißmäßige Opfer auferlegen würde, während die
Abgeordneten des Königreichs größtenteils todt wohnen, und daß es bei der in¬
sularen Lage Kopenhagens leicht möglich sein könnte, daß einmal die Vertre¬
ter Holsteins und der übrigen Herzogthümer nicht dorthin gelangen könnten,


Grenzboten I. 1859. ' 59
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[0475] Zweck der Behandlung der gemeinschaftlichen Angelegenheiten Bedacht genom¬ men werden solle. Von einer gemeinschaftlichen Vertretung mit constitutio- nellen Attributen, wie sie die Verfassung von 1855 schuf, ist hier nicht die Rede, überhaupt von keiner gemeinschaftlichen Vertretung. Nur gemeinschaft¬ liche Angelegenheiten sind nach diesen Worten eine Nothwendigkeit und eine gemeinschaftliche Verfassung zum Zweck der Behandlung derselben. Eine Gesetzgebung verdient aber schon den Namen einer gemeinschaftlichen Verfas¬ sung, wenn sie für alle Theile der Monarchie geltende gleichmäßige Vorschrif¬ ten für die Behandlung der betreffenden Angelegenheiten aufstellt, und die einzelnen Landesvertretungen als die zur Geltendmachung der verfassungsmäßigen Rechte bestimmten Organe constituirt. Mit einer solchen Organisation stehen die der Bekanntmachung vorausgegangenen Verhandlungen nicht im Widerspruch, denn wenn auch in denselben einer Ge- sammtvertrctung als einer Möglichkeit gedacht und rücksichtlich einer solchen erklärt ist, daß sie unter gewissen Voraussehungen mit den Sonderrechten Hol¬ steins und Lauenburgs nicht unverträglich sei. so geht doch sowol aus den preußischen als aus den östreichischen Depeschen unzweideutig hervor, daß eine Verpflichtung zur Einführung eines solchen Organs nicht eingegangen wor¬ den ist. So steht der Betretung des angedeuteten Auswegs kein Hinderniß entgegen. Es gibt aber noch andere Gründe, welche denselben empfehlen. Wird ein Gesammtorgan unter Aufrechthaltung der Selbstständigkeit der ein¬ zelnen Landesvertretungen gebildet, so zerfällt die Staatsverwaltung der Mon¬ archie in eine größere Anzahl von getrennten Theilen und die jedes einzel¬ nen der Monarchie angehörigen Landes in zwei voneinander unabhängige Theile unter Mitwirkung einer nur für jeden Theil competenten Repräsentation. Dies scheint, da selbst nach der bisherigen Einrichtung der Wirkungskreis der Landesvertretungen sich keineswegs auf untergeordnete Verwaltungszweige be¬ schränkt, und da derselbe nie blos auf solche zu beschränken wäre, der Idee der Einheit, welche jede Staatsverwaltung ausdrücken muß, zu widersprechen. Dazu kommt, daß ein Organ mit der Bestimmung sämmtliche Theile der Mon¬ archie zu vertreten, kaum weniger Mitglieder haben dürfte, als der jetzige Reichsrath, der aus achtzig Mitgliedern besteht, und dass in einer solchen Ver¬ sammlung die Verschiedenheit der Sprachen ein unüberwindliches Hinderniß für den Austausch der Gedanken sein würde. Andere Umstände sind, daß Kopenhagen, wo das Gesammtorgan seinen Sitz haben müßte, den Vertretern der Herzogthümer unverhältnißmäßige Opfer auferlegen würde, während die Abgeordneten des Königreichs größtenteils todt wohnen, und daß es bei der in¬ sularen Lage Kopenhagens leicht möglich sein könnte, daß einmal die Vertre¬ ter Holsteins und der übrigen Herzogthümer nicht dorthin gelangen könnten, Grenzboten I. 1859. ' 59

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/475>, abgerufen am 24.07.2024.