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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Was Deutschland betrifft, so hat Preußen infolge seiner geographischen
Zersplitterung durch den wiener Congreß -- gleichviel welche Partei am Ruder
ist -- salls es nicht zu einer östreichischen Präfectur Heralisinken will, nur
einen doppelten Weg vor sich: entweder durch Gründung eines engen Bundes¬
staats sich mit der Sache der deutschen Nation zu identificiren, oder die Arron-
dirungspolitik des vorigen Jahrhunderts wieder aufzunehmen. Dawider hilft
keine Declamation, es ist innere, naturgemäße Nothwendigkeit. -- Das Erste
hat Oestreich bis jetzt unmöglich gemacht; das Letztere könnte zum völligen
Ruin Deutschlands führen. -- Sollte nun Oestreich nicht endlich zu der Ueber¬
zeugung kommen, daß ein durch Preußen militärisch organisirtes Kleindeutsch¬
land ihm ein zuverlässigerer und mächtigerer Bundesgenosse sein würde, als
ein Staatencomplex, in dem es seine vermeintliche Hegemonie nur dadurch
aufrecht hält, daß es den Einen gegen den Andern hetzt?

Eine solche politische Combination, die in England den natürlichen Bundes¬
genossen fände, würde den Frieden der Welt und die organische Entwicklung
Europas gegen alle Gelüste Rußlands. Frankreichs und der Revolution wirk¬
samer und dauerhafter sichern, als alle pariser Konferenzen und alle Winkel¬
züge der Diplomatie, über deren Hilflosigkeit im entscheidenden Moment man
sich jetzt doch wol ins Klare gesetzt haben könnte. Und wenn alle Theile dabei
gewonnen, Oestreich hätte wahrlich nicht Grund, mit seinem eignen Antheil
unzufrieden zu sein.

Möchten sich in Oestreich noch viele finden, die gleich dem Versasser der
vorliegenden Schrift der Vernunft und ruhigen Ueberlegung vor den Deva¬
luationen hohler Eitelkeit den Vorzug gäben!




Der Stand der schleslvig-holsteinischen Frage.

Die holsteinischen Landstände haben gesprochen, und sie haben diesmal
sich nicht auf ein negatives Verhalten gegenüber den Vorlagen der Regierung
beschränkt, sondern zugleich positive Vorschläge zur Regelung des Verhältnisses
Holsteins in seiner Verbindung mit den übrigen Theilen der dänischen Mon¬
archie gemacht. Den Ständen lagen der Entwurf eines Gesetzes betreffend
die Verfassung Holsteins, serner das als Entwurf zu behandelnde, durch Pa-


Was Deutschland betrifft, so hat Preußen infolge seiner geographischen
Zersplitterung durch den wiener Congreß — gleichviel welche Partei am Ruder
ist — salls es nicht zu einer östreichischen Präfectur Heralisinken will, nur
einen doppelten Weg vor sich: entweder durch Gründung eines engen Bundes¬
staats sich mit der Sache der deutschen Nation zu identificiren, oder die Arron-
dirungspolitik des vorigen Jahrhunderts wieder aufzunehmen. Dawider hilft
keine Declamation, es ist innere, naturgemäße Nothwendigkeit. — Das Erste
hat Oestreich bis jetzt unmöglich gemacht; das Letztere könnte zum völligen
Ruin Deutschlands führen. — Sollte nun Oestreich nicht endlich zu der Ueber¬
zeugung kommen, daß ein durch Preußen militärisch organisirtes Kleindeutsch¬
land ihm ein zuverlässigerer und mächtigerer Bundesgenosse sein würde, als
ein Staatencomplex, in dem es seine vermeintliche Hegemonie nur dadurch
aufrecht hält, daß es den Einen gegen den Andern hetzt?

Eine solche politische Combination, die in England den natürlichen Bundes¬
genossen fände, würde den Frieden der Welt und die organische Entwicklung
Europas gegen alle Gelüste Rußlands. Frankreichs und der Revolution wirk¬
samer und dauerhafter sichern, als alle pariser Konferenzen und alle Winkel¬
züge der Diplomatie, über deren Hilflosigkeit im entscheidenden Moment man
sich jetzt doch wol ins Klare gesetzt haben könnte. Und wenn alle Theile dabei
gewonnen, Oestreich hätte wahrlich nicht Grund, mit seinem eignen Antheil
unzufrieden zu sein.

Möchten sich in Oestreich noch viele finden, die gleich dem Versasser der
vorliegenden Schrift der Vernunft und ruhigen Ueberlegung vor den Deva¬
luationen hohler Eitelkeit den Vorzug gäben!




Der Stand der schleslvig-holsteinischen Frage.

Die holsteinischen Landstände haben gesprochen, und sie haben diesmal
sich nicht auf ein negatives Verhalten gegenüber den Vorlagen der Regierung
beschränkt, sondern zugleich positive Vorschläge zur Regelung des Verhältnisses
Holsteins in seiner Verbindung mit den übrigen Theilen der dänischen Mon¬
archie gemacht. Den Ständen lagen der Entwurf eines Gesetzes betreffend
die Verfassung Holsteins, serner das als Entwurf zu behandelnde, durch Pa-


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[0465] Was Deutschland betrifft, so hat Preußen infolge seiner geographischen Zersplitterung durch den wiener Congreß — gleichviel welche Partei am Ruder ist — salls es nicht zu einer östreichischen Präfectur Heralisinken will, nur einen doppelten Weg vor sich: entweder durch Gründung eines engen Bundes¬ staats sich mit der Sache der deutschen Nation zu identificiren, oder die Arron- dirungspolitik des vorigen Jahrhunderts wieder aufzunehmen. Dawider hilft keine Declamation, es ist innere, naturgemäße Nothwendigkeit. — Das Erste hat Oestreich bis jetzt unmöglich gemacht; das Letztere könnte zum völligen Ruin Deutschlands führen. — Sollte nun Oestreich nicht endlich zu der Ueber¬ zeugung kommen, daß ein durch Preußen militärisch organisirtes Kleindeutsch¬ land ihm ein zuverlässigerer und mächtigerer Bundesgenosse sein würde, als ein Staatencomplex, in dem es seine vermeintliche Hegemonie nur dadurch aufrecht hält, daß es den Einen gegen den Andern hetzt? Eine solche politische Combination, die in England den natürlichen Bundes¬ genossen fände, würde den Frieden der Welt und die organische Entwicklung Europas gegen alle Gelüste Rußlands. Frankreichs und der Revolution wirk¬ samer und dauerhafter sichern, als alle pariser Konferenzen und alle Winkel¬ züge der Diplomatie, über deren Hilflosigkeit im entscheidenden Moment man sich jetzt doch wol ins Klare gesetzt haben könnte. Und wenn alle Theile dabei gewonnen, Oestreich hätte wahrlich nicht Grund, mit seinem eignen Antheil unzufrieden zu sein. Möchten sich in Oestreich noch viele finden, die gleich dem Versasser der vorliegenden Schrift der Vernunft und ruhigen Ueberlegung vor den Deva¬ luationen hohler Eitelkeit den Vorzug gäben! Der Stand der schleslvig-holsteinischen Frage. Die holsteinischen Landstände haben gesprochen, und sie haben diesmal sich nicht auf ein negatives Verhalten gegenüber den Vorlagen der Regierung beschränkt, sondern zugleich positive Vorschläge zur Regelung des Verhältnisses Holsteins in seiner Verbindung mit den übrigen Theilen der dänischen Mon¬ archie gemacht. Den Ständen lagen der Entwurf eines Gesetzes betreffend die Verfassung Holsteins, serner das als Entwurf zu behandelnde, durch Pa-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/465>, abgerufen am 24.07.2024.