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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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abhängiges. Und wiederum mußte die Schönheit als absolute überall Gel¬
tung finden, so war es auch gleichgiltig, in welchem Material sie realisirt
wurde, handelte es sich ja eben nur und wieder nur um die sür absolut er¬
klärte griechische Schönheit. -- Das Lebensprincip der griechischen Kunst wie
aller wahren Kunst ist es. in der Form eines Gebildes dessen innerstes Wesen
auszusprechen. Indem Schinkel die relative Schönheit für absolute Schön¬
heit hielt, sie in ihrer Totalität nachzuschafsen sich bemühte, verletzte er das
Lebenspriucip derselben auf das tödtlichste. Nur das Wahre ist schön. Ein
Monolithenbau über Ziegelbögcn durch Kalkputz bewerkstelligt ist unschön, weil
unwahr. Die griechische Kunst ist schön, weil sie zum Reflector des dem grie¬
chischen Volk inwohnenden Gnstes wurde, die griechische Gedankenwelt in
'hr zum vollen, rückhaltlosen Ausdruck gelangte. Das Bestreben. dle Gricchen-
kunst in ihrer Totalität zur unseren machen zu wollen, muß Schiffbruch lei¬
den, denn unsere Cult- und LebcnSverhültnisse. unsere ganze geistige An¬
schauung (weil durch das Christenthum gegangen), ja Klima und Material
sind ganz anderer Art als die der Griechen. Wie die Griechenkunst als der
ideale Abglanz des griechischen Seins durch die Wahrheit zur Schönheit ge¬
langte, ganz ebenso muß die Baukunst unserer Tage wahr werden, um ein
monumentales wahrhaftiges Zeugniß des Gedankens, der uns bewegt und
'nncwohnt. zu geben, und den Inhalt desselben zur Schönheit zu verklären, zur
relativen Schönheit, der griechischen gleichberechtigt, denn er wird das Abbild
unseres Denkens und Strebens werden; tiefer und inhaltsreicher denn grie¬
chische Kunst, wie unsere Anschauung eine tiefere, geistigere ist. denn die der
Griechen war. Das Singuläre. Einseitige der griechischen Kunst ist der Mo¬
nolithenbau, das Dauernde und Giltige das Darstcllungsprincip derselben,
dauernd und giltig. weil identisch dem Gcstaltungsprincip der schaffenden
Natur, in der Form den inliegenden Begriff zur Erscheinung zu bringen.
"Hob aber die griechische Kunst die körperliche Darstellung zur Höhe der
Natur selbst und macht ein weiteres Aufschwingen unmöglich, weil es über
die Grenzen der Natur nicht hinaus kann." so wird ihr Formenprincip "jedem
kunstliebenden Geschlecht, je nach dem Material, aus dem es bildet, ein
Kanon sein müssen, um sür seine in ihm auftauchenden Begriffe Werte und
Formen auf gleichem Wege und nach gleichem Princip, in gleicher allgemei¬
ner Wahrheit und gesetzlicher Giltigkeit hervorzubringen." Daß Schinkel den
griechischen Monolithenbau vom griechischen Formenprincip untrennbar glaubte,
war sein Irrthum, daß er uns aber jenes Formenprincip wieder erweckte, sein
unsterbliches Vermächtnis;, das wir festhalten, aus das wir bauen wollen und
müssen, wenn anders wir die Lösung der uns gestellten Aufgabe wahr zu
sein, um schön zu werden, versuchen wollen.

Grund aller Kunst und insbesondere der Baukunst ist Wahrheit. Wahr


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abhängiges. Und wiederum mußte die Schönheit als absolute überall Gel¬
tung finden, so war es auch gleichgiltig, in welchem Material sie realisirt
wurde, handelte es sich ja eben nur und wieder nur um die sür absolut er¬
klärte griechische Schönheit. — Das Lebensprincip der griechischen Kunst wie
aller wahren Kunst ist es. in der Form eines Gebildes dessen innerstes Wesen
auszusprechen. Indem Schinkel die relative Schönheit für absolute Schön¬
heit hielt, sie in ihrer Totalität nachzuschafsen sich bemühte, verletzte er das
Lebenspriucip derselben auf das tödtlichste. Nur das Wahre ist schön. Ein
Monolithenbau über Ziegelbögcn durch Kalkputz bewerkstelligt ist unschön, weil
unwahr. Die griechische Kunst ist schön, weil sie zum Reflector des dem grie¬
chischen Volk inwohnenden Gnstes wurde, die griechische Gedankenwelt in
'hr zum vollen, rückhaltlosen Ausdruck gelangte. Das Bestreben. dle Gricchen-
kunst in ihrer Totalität zur unseren machen zu wollen, muß Schiffbruch lei¬
den, denn unsere Cult- und LebcnSverhültnisse. unsere ganze geistige An¬
schauung (weil durch das Christenthum gegangen), ja Klima und Material
sind ganz anderer Art als die der Griechen. Wie die Griechenkunst als der
ideale Abglanz des griechischen Seins durch die Wahrheit zur Schönheit ge¬
langte, ganz ebenso muß die Baukunst unserer Tage wahr werden, um ein
monumentales wahrhaftiges Zeugniß des Gedankens, der uns bewegt und
'nncwohnt. zu geben, und den Inhalt desselben zur Schönheit zu verklären, zur
relativen Schönheit, der griechischen gleichberechtigt, denn er wird das Abbild
unseres Denkens und Strebens werden; tiefer und inhaltsreicher denn grie¬
chische Kunst, wie unsere Anschauung eine tiefere, geistigere ist. denn die der
Griechen war. Das Singuläre. Einseitige der griechischen Kunst ist der Mo¬
nolithenbau, das Dauernde und Giltige das Darstcllungsprincip derselben,
dauernd und giltig. weil identisch dem Gcstaltungsprincip der schaffenden
Natur, in der Form den inliegenden Begriff zur Erscheinung zu bringen.
»Hob aber die griechische Kunst die körperliche Darstellung zur Höhe der
Natur selbst und macht ein weiteres Aufschwingen unmöglich, weil es über
die Grenzen der Natur nicht hinaus kann." so wird ihr Formenprincip „jedem
kunstliebenden Geschlecht, je nach dem Material, aus dem es bildet, ein
Kanon sein müssen, um sür seine in ihm auftauchenden Begriffe Werte und
Formen auf gleichem Wege und nach gleichem Princip, in gleicher allgemei¬
ner Wahrheit und gesetzlicher Giltigkeit hervorzubringen." Daß Schinkel den
griechischen Monolithenbau vom griechischen Formenprincip untrennbar glaubte,
war sein Irrthum, daß er uns aber jenes Formenprincip wieder erweckte, sein
unsterbliches Vermächtnis;, das wir festhalten, aus das wir bauen wollen und
müssen, wenn anders wir die Lösung der uns gestellten Aufgabe wahr zu
sein, um schön zu werden, versuchen wollen.

Grund aller Kunst und insbesondere der Baukunst ist Wahrheit. Wahr


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[0045] abhängiges. Und wiederum mußte die Schönheit als absolute überall Gel¬ tung finden, so war es auch gleichgiltig, in welchem Material sie realisirt wurde, handelte es sich ja eben nur und wieder nur um die sür absolut er¬ klärte griechische Schönheit. — Das Lebensprincip der griechischen Kunst wie aller wahren Kunst ist es. in der Form eines Gebildes dessen innerstes Wesen auszusprechen. Indem Schinkel die relative Schönheit für absolute Schön¬ heit hielt, sie in ihrer Totalität nachzuschafsen sich bemühte, verletzte er das Lebenspriucip derselben auf das tödtlichste. Nur das Wahre ist schön. Ein Monolithenbau über Ziegelbögcn durch Kalkputz bewerkstelligt ist unschön, weil unwahr. Die griechische Kunst ist schön, weil sie zum Reflector des dem grie¬ chischen Volk inwohnenden Gnstes wurde, die griechische Gedankenwelt in 'hr zum vollen, rückhaltlosen Ausdruck gelangte. Das Bestreben. dle Gricchen- kunst in ihrer Totalität zur unseren machen zu wollen, muß Schiffbruch lei¬ den, denn unsere Cult- und LebcnSverhültnisse. unsere ganze geistige An¬ schauung (weil durch das Christenthum gegangen), ja Klima und Material sind ganz anderer Art als die der Griechen. Wie die Griechenkunst als der ideale Abglanz des griechischen Seins durch die Wahrheit zur Schönheit ge¬ langte, ganz ebenso muß die Baukunst unserer Tage wahr werden, um ein monumentales wahrhaftiges Zeugniß des Gedankens, der uns bewegt und 'nncwohnt. zu geben, und den Inhalt desselben zur Schönheit zu verklären, zur relativen Schönheit, der griechischen gleichberechtigt, denn er wird das Abbild unseres Denkens und Strebens werden; tiefer und inhaltsreicher denn grie¬ chische Kunst, wie unsere Anschauung eine tiefere, geistigere ist. denn die der Griechen war. Das Singuläre. Einseitige der griechischen Kunst ist der Mo¬ nolithenbau, das Dauernde und Giltige das Darstcllungsprincip derselben, dauernd und giltig. weil identisch dem Gcstaltungsprincip der schaffenden Natur, in der Form den inliegenden Begriff zur Erscheinung zu bringen. »Hob aber die griechische Kunst die körperliche Darstellung zur Höhe der Natur selbst und macht ein weiteres Aufschwingen unmöglich, weil es über die Grenzen der Natur nicht hinaus kann." so wird ihr Formenprincip „jedem kunstliebenden Geschlecht, je nach dem Material, aus dem es bildet, ein Kanon sein müssen, um sür seine in ihm auftauchenden Begriffe Werte und Formen auf gleichem Wege und nach gleichem Princip, in gleicher allgemei¬ ner Wahrheit und gesetzlicher Giltigkeit hervorzubringen." Daß Schinkel den griechischen Monolithenbau vom griechischen Formenprincip untrennbar glaubte, war sein Irrthum, daß er uns aber jenes Formenprincip wieder erweckte, sein unsterbliches Vermächtnis;, das wir festhalten, aus das wir bauen wollen und müssen, wenn anders wir die Lösung der uns gestellten Aufgabe wahr zu sein, um schön zu werden, versuchen wollen. Grund aller Kunst und insbesondere der Baukunst ist Wahrheit. Wahr 5*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/45>, abgerufen am 24.07.2024.