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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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man im April 1855 zu ^?an Domingo für einen Dollar in Silber siebzig
Dollars des umlaufenden Zcttelgeldes erhielt.

Diesen Moment der Zerrüttung ersah Soulouque zu einem neuen Angriff.
Im December 1855 überschritt er mit einem Negcrhcer von etwa 5000 Mann
die Westgrenze Dominicas in der offen ausgesprochnen Absicht, seine "wider¬
spenstigen Unterthanen" koste es was es wolle zum Gehorsam zurückzuführen.
Die Dominicaner wußten ihm indeß trotz ihrer Parteiungen auch diesmal
mit Energie zu begegnen. Sie gingen ihm mit einem Heer entgegen, welches
allerdings weit schwächer als das der Angreifer war, aber wieder von San-
tana, dem bewahrten Feldherrn, dem "Löwen von Seybo" befehligt wurde.
In dem ersten Treffen bei San Tome schwankte der Ausgang, so daß beide
Theile sich den Sieg zuschrieben. Im zweiten aber, welches bei dem Orte
Cambronal stattfand, wurden die Truppen Soulouques aufs Haupt geschlagen
und beinahe völlig aufgerieben. Auch der Kaiser ward einige Wochen zu
den Todten gezählt. Aber plötzlich stellte er sich in Port an Prince wieder
ein und begann eine neue Armee zu sammeln. Die entschlossene Haltung
der Dominicaner indeß so wie die Einmischung Englands und Frankreichs zu
deren Gunsten verhütete vorläufig weitere kriegerische Maßregeln, und es kam
zu einem Waffenstillstand, der auf drei Jahre abgeschlossen wurde.

Als dieser Waffenstillstand sich seinem Ende näherte, begann Soulouque
sich wieder zu rüsten, da neue Wirren in Dominica ihm neue Aussichten
auf Erfolg gewährten. Aber der Napoleon Hallis hatte seine Rolle aus¬
gespielt. Nach einer Handelskrise erreichte die Noth des Volkes und die
Unzufriedenheit aller Classen eine solche Höhe, daß man offen zu murren
wagte. Der Kaiser, davon in Kenntniß gesetzt, erließ ein Gebot, dem gemäß
niemand, auch die Fremden nicht, sich unterstehen sollte, über öffentliche
Angelegenheiten zu sprechen, oder gar nachtheilige Kunde irgendwelcher Art
über die Regierung zu verbreiten. Dann schickte er sich an, eine Ver¬
schwörung, die in den nördlichen Provinzen aufgespürt worden, in seiner ge¬
wöhnlichen Weise durch massenhafte Hinrichtungen zu ersticken. Er kam in¬
deß damit zu spät. Die Verschwornen wußten, daß man ihnen auf der Spur
war. und daß es sich um ihre Köpfe handelte. So beeilten sie sich loszuschlagen,
und ein Aufstand brach aus, vor dem Faustin-Soulouque nach wenigen
Tagen die Flagge streichen mußte.

Das Haupt der Verschwornen war der Divisionsgeneral Fabre Geff-
rard, Herzog de Table. Dieser fuhr am 22. December vorigen Jahres mit
seinem Sohn und zwei Andern in einem Boote von Port an Prince nach
Gonaivcs ab, wo sich ein gewisser Legros und drei andere Verschworne mit
ihnen vereinigten. Sie verschafften sich Pferde, und diese acht Personen
sprengten" dann mit verhängtem Zügel und gespannten Pistolen in den Ort


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man im April 1855 zu ^?an Domingo für einen Dollar in Silber siebzig
Dollars des umlaufenden Zcttelgeldes erhielt.

Diesen Moment der Zerrüttung ersah Soulouque zu einem neuen Angriff.
Im December 1855 überschritt er mit einem Negcrhcer von etwa 5000 Mann
die Westgrenze Dominicas in der offen ausgesprochnen Absicht, seine „wider¬
spenstigen Unterthanen" koste es was es wolle zum Gehorsam zurückzuführen.
Die Dominicaner wußten ihm indeß trotz ihrer Parteiungen auch diesmal
mit Energie zu begegnen. Sie gingen ihm mit einem Heer entgegen, welches
allerdings weit schwächer als das der Angreifer war, aber wieder von San-
tana, dem bewahrten Feldherrn, dem „Löwen von Seybo" befehligt wurde.
In dem ersten Treffen bei San Tome schwankte der Ausgang, so daß beide
Theile sich den Sieg zuschrieben. Im zweiten aber, welches bei dem Orte
Cambronal stattfand, wurden die Truppen Soulouques aufs Haupt geschlagen
und beinahe völlig aufgerieben. Auch der Kaiser ward einige Wochen zu
den Todten gezählt. Aber plötzlich stellte er sich in Port an Prince wieder
ein und begann eine neue Armee zu sammeln. Die entschlossene Haltung
der Dominicaner indeß so wie die Einmischung Englands und Frankreichs zu
deren Gunsten verhütete vorläufig weitere kriegerische Maßregeln, und es kam
zu einem Waffenstillstand, der auf drei Jahre abgeschlossen wurde.

Als dieser Waffenstillstand sich seinem Ende näherte, begann Soulouque
sich wieder zu rüsten, da neue Wirren in Dominica ihm neue Aussichten
auf Erfolg gewährten. Aber der Napoleon Hallis hatte seine Rolle aus¬
gespielt. Nach einer Handelskrise erreichte die Noth des Volkes und die
Unzufriedenheit aller Classen eine solche Höhe, daß man offen zu murren
wagte. Der Kaiser, davon in Kenntniß gesetzt, erließ ein Gebot, dem gemäß
niemand, auch die Fremden nicht, sich unterstehen sollte, über öffentliche
Angelegenheiten zu sprechen, oder gar nachtheilige Kunde irgendwelcher Art
über die Regierung zu verbreiten. Dann schickte er sich an, eine Ver¬
schwörung, die in den nördlichen Provinzen aufgespürt worden, in seiner ge¬
wöhnlichen Weise durch massenhafte Hinrichtungen zu ersticken. Er kam in¬
deß damit zu spät. Die Verschwornen wußten, daß man ihnen auf der Spur
war. und daß es sich um ihre Köpfe handelte. So beeilten sie sich loszuschlagen,
und ein Aufstand brach aus, vor dem Faustin-Soulouque nach wenigen
Tagen die Flagge streichen mußte.

Das Haupt der Verschwornen war der Divisionsgeneral Fabre Geff-
rard, Herzog de Table. Dieser fuhr am 22. December vorigen Jahres mit
seinem Sohn und zwei Andern in einem Boote von Port an Prince nach
Gonaivcs ab, wo sich ein gewisser Legros und drei andere Verschworne mit
ihnen vereinigten. Sie verschafften sich Pferde, und diese acht Personen
sprengten" dann mit verhängtem Zügel und gespannten Pistolen in den Ort


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/445>, abgerufen am 24.07.2024.