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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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konnten, verborgen. Zudem waren die Würden, die er spendete, nicht eben ein¬
träglich. Der monatliche Gehalt, der sich an seine Herzogstitel knüpfte, betrug nach
unserm Gelde etwa sechzehn Thaler, so viel wie bei uns ein Feldwebel bekommt,
und seine Herzoginnen und Gräfinnen hielten es nicht für einen Raub, wenn Hof¬
feste sie nicht in Anspruch nahmen, sich mit Kram- und Putzhandel zu beschäftigen.

In den ersten Monaten des Jahres 1852 herrschte in Port an Prince
ein reges Leben. Der Krönungsornat, Krone und Scepter. Ring und Reichs¬
apfel, die Hand der Gerechtigkeit, das Schwert und der blaue mit goldenen
Bienen bedeckte Kaisermantel war, in Paris nach dem Muster des Napoleo¬
nischen Gezeugs angefertigt, eingetroffen. Die Krönungsstiefeln, in Neuyork
gemacht und mit 300 Dollars bezahlt, ebenfalls. Die einheimischen Schneider
nähten an nichts als den Hosuniformen, welche den Adel schmücken sollten
und sür welche das Programm -- sehr bezeichnend für die Verhältnisse --
aufs genaueste die Stickereien, Fransen, Borten, Spitzen, Federn und Mäntel
vorgeschrieben, aber nichts von den Hosen und der Fußbekleidung gesagt
hatte. Von allen Gegenden des Landes trafen Abgeordnete ein, - um der
Ceremonie der Krönung beizuwohnen. Diese fand denn auch am 13. April
mit allem möglichen Pomp und Getöse statt. Paraden barfuß einherschreitcnder
Truppen, Vertheilung von Adlern, Kanonenschüsse, dann der Act der Sal¬
bung, dann siebentägiges Jubelgeschrei und Tanzen, sieben Nächte hindurch
fortgesetztes Jlluminiren. Wehe dem, der sich nicht freute, er ward als Ma¬
jestätsverbrecher verhaftet, und wenn er keine vollkommen schwarze Haut be¬
saß, hatte er von Glück zu sagen, wofern man ihm das Leben ließ.

Wir haben gesagt, daß der bettelhafte Adels- und Ordenspomp, mit
dem Fanstim Soulouquc sich umgab, auf sein Volk eine günstige Wirkung übte.
Anderes gefiel weniger. Der Kaiser verlieh dem Lande eine Verfassung sehr
freisinniger Art. Dieselbe gewährte bürgerliche und religiöse Freiheit. Freiheit
der Presse und des Unterrichts, in Criminalsachen Geschwornengerichte, Mi¬
nisterverantwortlichkeit u. a. Die Gesetzgebung war einem Senat und einer
aus fünf Jahre zu wählenden, jährlich vier Monate lagerten Abgeordneten¬
kammer übertragen. Dem Kaiser blieb nur die vollziehende Gewalt. Diese
und andere schöne Dinge standen aber nur auf dem Papier. In der Wirk¬
lichkeit wurde Haiti vollkommen despotisch regiert. Die Presse hatte in der
Praxis nur die Freih/it, Soulouque auf jede beliebige Weise zu loben. In
Betreff des Unterrichts bestand die Freiheit darin, daß man seine Kinder in
die Schule schicken konnte oder nicht, vorausgesetzt natürlich, daß es in der
Nähe eine gab, was nur hier und da der Fall war. Die Minister waren
verantwortlich, aber nur dem Kaiser, der so wenig Widerspruch vertragen
konnte, daß er in den ersten Jahren so ziemlich alle zwölf Monate ein Mit¬
glied seines Cabinerö erschießen ließ. Der Senat, vom Kaiser, gewählt, und


konnten, verborgen. Zudem waren die Würden, die er spendete, nicht eben ein¬
träglich. Der monatliche Gehalt, der sich an seine Herzogstitel knüpfte, betrug nach
unserm Gelde etwa sechzehn Thaler, so viel wie bei uns ein Feldwebel bekommt,
und seine Herzoginnen und Gräfinnen hielten es nicht für einen Raub, wenn Hof¬
feste sie nicht in Anspruch nahmen, sich mit Kram- und Putzhandel zu beschäftigen.

In den ersten Monaten des Jahres 1852 herrschte in Port an Prince
ein reges Leben. Der Krönungsornat, Krone und Scepter. Ring und Reichs¬
apfel, die Hand der Gerechtigkeit, das Schwert und der blaue mit goldenen
Bienen bedeckte Kaisermantel war, in Paris nach dem Muster des Napoleo¬
nischen Gezeugs angefertigt, eingetroffen. Die Krönungsstiefeln, in Neuyork
gemacht und mit 300 Dollars bezahlt, ebenfalls. Die einheimischen Schneider
nähten an nichts als den Hosuniformen, welche den Adel schmücken sollten
und sür welche das Programm — sehr bezeichnend für die Verhältnisse —
aufs genaueste die Stickereien, Fransen, Borten, Spitzen, Federn und Mäntel
vorgeschrieben, aber nichts von den Hosen und der Fußbekleidung gesagt
hatte. Von allen Gegenden des Landes trafen Abgeordnete ein, - um der
Ceremonie der Krönung beizuwohnen. Diese fand denn auch am 13. April
mit allem möglichen Pomp und Getöse statt. Paraden barfuß einherschreitcnder
Truppen, Vertheilung von Adlern, Kanonenschüsse, dann der Act der Sal¬
bung, dann siebentägiges Jubelgeschrei und Tanzen, sieben Nächte hindurch
fortgesetztes Jlluminiren. Wehe dem, der sich nicht freute, er ward als Ma¬
jestätsverbrecher verhaftet, und wenn er keine vollkommen schwarze Haut be¬
saß, hatte er von Glück zu sagen, wofern man ihm das Leben ließ.

Wir haben gesagt, daß der bettelhafte Adels- und Ordenspomp, mit
dem Fanstim Soulouquc sich umgab, auf sein Volk eine günstige Wirkung übte.
Anderes gefiel weniger. Der Kaiser verlieh dem Lande eine Verfassung sehr
freisinniger Art. Dieselbe gewährte bürgerliche und religiöse Freiheit. Freiheit
der Presse und des Unterrichts, in Criminalsachen Geschwornengerichte, Mi¬
nisterverantwortlichkeit u. a. Die Gesetzgebung war einem Senat und einer
aus fünf Jahre zu wählenden, jährlich vier Monate lagerten Abgeordneten¬
kammer übertragen. Dem Kaiser blieb nur die vollziehende Gewalt. Diese
und andere schöne Dinge standen aber nur auf dem Papier. In der Wirk¬
lichkeit wurde Haiti vollkommen despotisch regiert. Die Presse hatte in der
Praxis nur die Freih/it, Soulouque auf jede beliebige Weise zu loben. In
Betreff des Unterrichts bestand die Freiheit darin, daß man seine Kinder in
die Schule schicken konnte oder nicht, vorausgesetzt natürlich, daß es in der
Nähe eine gab, was nur hier und da der Fall war. Die Minister waren
verantwortlich, aber nur dem Kaiser, der so wenig Widerspruch vertragen
konnte, daß er in den ersten Jahren so ziemlich alle zwölf Monate ein Mit¬
glied seines Cabinerö erschießen ließ. Der Senat, vom Kaiser, gewählt, und


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[0436] konnten, verborgen. Zudem waren die Würden, die er spendete, nicht eben ein¬ träglich. Der monatliche Gehalt, der sich an seine Herzogstitel knüpfte, betrug nach unserm Gelde etwa sechzehn Thaler, so viel wie bei uns ein Feldwebel bekommt, und seine Herzoginnen und Gräfinnen hielten es nicht für einen Raub, wenn Hof¬ feste sie nicht in Anspruch nahmen, sich mit Kram- und Putzhandel zu beschäftigen. In den ersten Monaten des Jahres 1852 herrschte in Port an Prince ein reges Leben. Der Krönungsornat, Krone und Scepter. Ring und Reichs¬ apfel, die Hand der Gerechtigkeit, das Schwert und der blaue mit goldenen Bienen bedeckte Kaisermantel war, in Paris nach dem Muster des Napoleo¬ nischen Gezeugs angefertigt, eingetroffen. Die Krönungsstiefeln, in Neuyork gemacht und mit 300 Dollars bezahlt, ebenfalls. Die einheimischen Schneider nähten an nichts als den Hosuniformen, welche den Adel schmücken sollten und sür welche das Programm — sehr bezeichnend für die Verhältnisse — aufs genaueste die Stickereien, Fransen, Borten, Spitzen, Federn und Mäntel vorgeschrieben, aber nichts von den Hosen und der Fußbekleidung gesagt hatte. Von allen Gegenden des Landes trafen Abgeordnete ein, - um der Ceremonie der Krönung beizuwohnen. Diese fand denn auch am 13. April mit allem möglichen Pomp und Getöse statt. Paraden barfuß einherschreitcnder Truppen, Vertheilung von Adlern, Kanonenschüsse, dann der Act der Sal¬ bung, dann siebentägiges Jubelgeschrei und Tanzen, sieben Nächte hindurch fortgesetztes Jlluminiren. Wehe dem, der sich nicht freute, er ward als Ma¬ jestätsverbrecher verhaftet, und wenn er keine vollkommen schwarze Haut be¬ saß, hatte er von Glück zu sagen, wofern man ihm das Leben ließ. Wir haben gesagt, daß der bettelhafte Adels- und Ordenspomp, mit dem Fanstim Soulouquc sich umgab, auf sein Volk eine günstige Wirkung übte. Anderes gefiel weniger. Der Kaiser verlieh dem Lande eine Verfassung sehr freisinniger Art. Dieselbe gewährte bürgerliche und religiöse Freiheit. Freiheit der Presse und des Unterrichts, in Criminalsachen Geschwornengerichte, Mi¬ nisterverantwortlichkeit u. a. Die Gesetzgebung war einem Senat und einer aus fünf Jahre zu wählenden, jährlich vier Monate lagerten Abgeordneten¬ kammer übertragen. Dem Kaiser blieb nur die vollziehende Gewalt. Diese und andere schöne Dinge standen aber nur auf dem Papier. In der Wirk¬ lichkeit wurde Haiti vollkommen despotisch regiert. Die Presse hatte in der Praxis nur die Freih/it, Soulouque auf jede beliebige Weise zu loben. In Betreff des Unterrichts bestand die Freiheit darin, daß man seine Kinder in die Schule schicken konnte oder nicht, vorausgesetzt natürlich, daß es in der Nähe eine gab, was nur hier und da der Fall war. Die Minister waren verantwortlich, aber nur dem Kaiser, der so wenig Widerspruch vertragen konnte, daß er in den ersten Jahren so ziemlich alle zwölf Monate ein Mit¬ glied seines Cabinerö erschießen ließ. Der Senat, vom Kaiser, gewählt, und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/436>, abgerufen am 24.07.2024.