Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wurden zugleich mit dem Titel Reichsmarschall begnadigt, und man hatte sie
mit "Lord und Allerdurchlauchtigste Hoheit" anzureden. Die Herzöge mußten
sich mit Ew. Gnaden begnügen. Ihre Titel klangen zum Theil ziemlich
wunderlich; denn es gab darunter einen Herzog von Marmelade, einen der¬
gleichen von Limonade, ja einen Herzog von Gefrornem Zuckerplätzchen; in¬
deß ist zu bemerken, daß dies Namen von Orten auf Haiti sind und daß
man in der französischen Geschichte ähnlichen Adelsnamen, z. B. einer Familie
des Pols und de Bouillon begegnet. Alle Fürsten und Herzöge waren Gro߬
kreuze des Ordens vom heiligen Faustin und trugen das große Band der
Ehrenlegion, alle Grafen Comthure von jenem und Offiziere von diesem Orden.
Im kaiserlichen Haushalt gab es einen Großalmosenier, einen Obcrstküchcn-
meister, einen Obersthofmarschall, einen Quartiermeister und eine Menge
Kammerherrn, Ceremonienmeister. Bibliothekare, Wappcnherolde u. d. in.
Die Gemahlin (früher Concubine) Sr. Majestät, die den wohlklingenden
Namen Adelina führt, war von einem ähnlichen Hofstaat umgeben, sie hatte
unter anderm 56 Palastdamen und 22 Damen von der Kapelle, die sämmt¬
lich Herzoginnen. Gräfinnen, Baronessen. Marquisen oder Frauen von Rittern
waren. Nicht viel weniger glänzend war der Haushalt der kaiserlichen Prin¬
zessinnen Olivia und Olivetta.

Besondere Sorgfalt verwendete Kaiser Faustin auf Anordnungen, welche
die äußere Erscheinung seines Adels betrafen. Für die Fürsten, Herzöge und
Grafen wurden weiße, für die Barone rothe, für die Ritter blaue Röcke vor¬
geschrieben. Die Fürsten hatten neun, die Herzöge sieben, die Grasen fünf,
die Barone drei, die Ritter zwei Federn auf dem Hute zu tragen. Bei den
Hoffesten gebührte den Fürsten und Herzögen und deren Gemahlinnen ein
Tabouret, während für die übrige coursähige Welt nur Feldstühle bereit
standen.

Wir lächeln über dieses Puppenspiel, bei dem eine der großen Neujahrs-
couren. von denen der "Monitem Haitien" mit so würdevoller Sprache be¬
richtet, ungemeine Aehnlichkeit mit einer Vorstellung in unsern Affenkomödien
gehabt haben dürste. Indeß wissen wir aus französischen Zeitungen, daß in
Frankreich , welches doch "an der Spitze der Civilisation marschirt", genau die¬
selbe Titelsucht grassirt, welche Soulouques Schöpfungen hervorrief, und daß
auch dort die rothen Bändchen seit einigen Jahren wie die Maikäfer schwärmen
und sich jedem ins Knopfloch nesteln, der sie haben mag, und so gilt unsre
Heiterkeit zugleich den weißen Originalen des schwarzen Abklatsches, die übrigens
nicht blos in Frankreich, wenn auch dort vorzugsweise, zu suchen sind. Den
Negern Hallis war der Titelregcn erwünscht, und Soulouque setzte sich damit
in den größten Respect. Daß alle seine Gnaden und Gaben kindischer Flitter¬
tand waren, blieb ihnen, die keine Bergleiche mit seinen Vorbildern anstellen


Grenzboten I. 1359. 54

wurden zugleich mit dem Titel Reichsmarschall begnadigt, und man hatte sie
mit „Lord und Allerdurchlauchtigste Hoheit" anzureden. Die Herzöge mußten
sich mit Ew. Gnaden begnügen. Ihre Titel klangen zum Theil ziemlich
wunderlich; denn es gab darunter einen Herzog von Marmelade, einen der¬
gleichen von Limonade, ja einen Herzog von Gefrornem Zuckerplätzchen; in¬
deß ist zu bemerken, daß dies Namen von Orten auf Haiti sind und daß
man in der französischen Geschichte ähnlichen Adelsnamen, z. B. einer Familie
des Pols und de Bouillon begegnet. Alle Fürsten und Herzöge waren Gro߬
kreuze des Ordens vom heiligen Faustin und trugen das große Band der
Ehrenlegion, alle Grafen Comthure von jenem und Offiziere von diesem Orden.
Im kaiserlichen Haushalt gab es einen Großalmosenier, einen Obcrstküchcn-
meister, einen Obersthofmarschall, einen Quartiermeister und eine Menge
Kammerherrn, Ceremonienmeister. Bibliothekare, Wappcnherolde u. d. in.
Die Gemahlin (früher Concubine) Sr. Majestät, die den wohlklingenden
Namen Adelina führt, war von einem ähnlichen Hofstaat umgeben, sie hatte
unter anderm 56 Palastdamen und 22 Damen von der Kapelle, die sämmt¬
lich Herzoginnen. Gräfinnen, Baronessen. Marquisen oder Frauen von Rittern
waren. Nicht viel weniger glänzend war der Haushalt der kaiserlichen Prin¬
zessinnen Olivia und Olivetta.

Besondere Sorgfalt verwendete Kaiser Faustin auf Anordnungen, welche
die äußere Erscheinung seines Adels betrafen. Für die Fürsten, Herzöge und
Grafen wurden weiße, für die Barone rothe, für die Ritter blaue Röcke vor¬
geschrieben. Die Fürsten hatten neun, die Herzöge sieben, die Grasen fünf,
die Barone drei, die Ritter zwei Federn auf dem Hute zu tragen. Bei den
Hoffesten gebührte den Fürsten und Herzögen und deren Gemahlinnen ein
Tabouret, während für die übrige coursähige Welt nur Feldstühle bereit
standen.

Wir lächeln über dieses Puppenspiel, bei dem eine der großen Neujahrs-
couren. von denen der „Monitem Haitien" mit so würdevoller Sprache be¬
richtet, ungemeine Aehnlichkeit mit einer Vorstellung in unsern Affenkomödien
gehabt haben dürste. Indeß wissen wir aus französischen Zeitungen, daß in
Frankreich , welches doch „an der Spitze der Civilisation marschirt", genau die¬
selbe Titelsucht grassirt, welche Soulouques Schöpfungen hervorrief, und daß
auch dort die rothen Bändchen seit einigen Jahren wie die Maikäfer schwärmen
und sich jedem ins Knopfloch nesteln, der sie haben mag, und so gilt unsre
Heiterkeit zugleich den weißen Originalen des schwarzen Abklatsches, die übrigens
nicht blos in Frankreich, wenn auch dort vorzugsweise, zu suchen sind. Den
Negern Hallis war der Titelregcn erwünscht, und Soulouque setzte sich damit
in den größten Respect. Daß alle seine Gnaden und Gaben kindischer Flitter¬
tand waren, blieb ihnen, die keine Bergleiche mit seinen Vorbildern anstellen


Grenzboten I. 1359. 54
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0435" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187387"/>
          <p xml:id="ID_1239" prev="#ID_1238"> wurden zugleich mit dem Titel Reichsmarschall begnadigt, und man hatte sie<lb/>
mit &#x201E;Lord und Allerdurchlauchtigste Hoheit" anzureden. Die Herzöge mußten<lb/>
sich mit Ew. Gnaden begnügen. Ihre Titel klangen zum Theil ziemlich<lb/>
wunderlich; denn es gab darunter einen Herzog von Marmelade, einen der¬<lb/>
gleichen von Limonade, ja einen Herzog von Gefrornem Zuckerplätzchen; in¬<lb/>
deß ist zu bemerken, daß dies Namen von Orten auf Haiti sind und daß<lb/>
man in der französischen Geschichte ähnlichen Adelsnamen, z. B. einer Familie<lb/>
des Pols und de Bouillon begegnet. Alle Fürsten und Herzöge waren Gro߬<lb/>
kreuze des Ordens vom heiligen Faustin und trugen das große Band der<lb/>
Ehrenlegion, alle Grafen Comthure von jenem und Offiziere von diesem Orden.<lb/>
Im kaiserlichen Haushalt gab es einen Großalmosenier, einen Obcrstküchcn-<lb/>
meister, einen Obersthofmarschall, einen Quartiermeister und eine Menge<lb/>
Kammerherrn, Ceremonienmeister. Bibliothekare, Wappcnherolde u. d. in.<lb/>
Die Gemahlin (früher Concubine) Sr. Majestät, die den wohlklingenden<lb/>
Namen Adelina führt, war von einem ähnlichen Hofstaat umgeben, sie hatte<lb/>
unter anderm 56 Palastdamen und 22 Damen von der Kapelle, die sämmt¬<lb/>
lich Herzoginnen. Gräfinnen, Baronessen. Marquisen oder Frauen von Rittern<lb/>
waren. Nicht viel weniger glänzend war der Haushalt der kaiserlichen Prin¬<lb/>
zessinnen Olivia und Olivetta.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1240"> Besondere Sorgfalt verwendete Kaiser Faustin auf Anordnungen, welche<lb/>
die äußere Erscheinung seines Adels betrafen. Für die Fürsten, Herzöge und<lb/>
Grafen wurden weiße, für die Barone rothe, für die Ritter blaue Röcke vor¬<lb/>
geschrieben. Die Fürsten hatten neun, die Herzöge sieben, die Grasen fünf,<lb/>
die Barone drei, die Ritter zwei Federn auf dem Hute zu tragen. Bei den<lb/>
Hoffesten gebührte den Fürsten und Herzögen und deren Gemahlinnen ein<lb/>
Tabouret, während für die übrige coursähige Welt nur Feldstühle bereit<lb/>
standen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1241" next="#ID_1242"> Wir lächeln über dieses Puppenspiel, bei dem eine der großen Neujahrs-<lb/>
couren. von denen der &#x201E;Monitem Haitien" mit so würdevoller Sprache be¬<lb/>
richtet, ungemeine Aehnlichkeit mit einer Vorstellung in unsern Affenkomödien<lb/>
gehabt haben dürste. Indeß wissen wir aus französischen Zeitungen, daß in<lb/>
Frankreich , welches doch &#x201E;an der Spitze der Civilisation marschirt", genau die¬<lb/>
selbe Titelsucht grassirt, welche Soulouques Schöpfungen hervorrief, und daß<lb/>
auch dort die rothen Bändchen seit einigen Jahren wie die Maikäfer schwärmen<lb/>
und sich jedem ins Knopfloch nesteln, der sie haben mag, und so gilt unsre<lb/>
Heiterkeit zugleich den weißen Originalen des schwarzen Abklatsches, die übrigens<lb/>
nicht blos in Frankreich, wenn auch dort vorzugsweise, zu suchen sind. Den<lb/>
Negern Hallis war der Titelregcn erwünscht, und Soulouque setzte sich damit<lb/>
in den größten Respect. Daß alle seine Gnaden und Gaben kindischer Flitter¬<lb/>
tand waren, blieb ihnen, die keine Bergleiche mit seinen Vorbildern anstellen</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1359. 54</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0435] wurden zugleich mit dem Titel Reichsmarschall begnadigt, und man hatte sie mit „Lord und Allerdurchlauchtigste Hoheit" anzureden. Die Herzöge mußten sich mit Ew. Gnaden begnügen. Ihre Titel klangen zum Theil ziemlich wunderlich; denn es gab darunter einen Herzog von Marmelade, einen der¬ gleichen von Limonade, ja einen Herzog von Gefrornem Zuckerplätzchen; in¬ deß ist zu bemerken, daß dies Namen von Orten auf Haiti sind und daß man in der französischen Geschichte ähnlichen Adelsnamen, z. B. einer Familie des Pols und de Bouillon begegnet. Alle Fürsten und Herzöge waren Gro߬ kreuze des Ordens vom heiligen Faustin und trugen das große Band der Ehrenlegion, alle Grafen Comthure von jenem und Offiziere von diesem Orden. Im kaiserlichen Haushalt gab es einen Großalmosenier, einen Obcrstküchcn- meister, einen Obersthofmarschall, einen Quartiermeister und eine Menge Kammerherrn, Ceremonienmeister. Bibliothekare, Wappcnherolde u. d. in. Die Gemahlin (früher Concubine) Sr. Majestät, die den wohlklingenden Namen Adelina führt, war von einem ähnlichen Hofstaat umgeben, sie hatte unter anderm 56 Palastdamen und 22 Damen von der Kapelle, die sämmt¬ lich Herzoginnen. Gräfinnen, Baronessen. Marquisen oder Frauen von Rittern waren. Nicht viel weniger glänzend war der Haushalt der kaiserlichen Prin¬ zessinnen Olivia und Olivetta. Besondere Sorgfalt verwendete Kaiser Faustin auf Anordnungen, welche die äußere Erscheinung seines Adels betrafen. Für die Fürsten, Herzöge und Grafen wurden weiße, für die Barone rothe, für die Ritter blaue Röcke vor¬ geschrieben. Die Fürsten hatten neun, die Herzöge sieben, die Grasen fünf, die Barone drei, die Ritter zwei Federn auf dem Hute zu tragen. Bei den Hoffesten gebührte den Fürsten und Herzögen und deren Gemahlinnen ein Tabouret, während für die übrige coursähige Welt nur Feldstühle bereit standen. Wir lächeln über dieses Puppenspiel, bei dem eine der großen Neujahrs- couren. von denen der „Monitem Haitien" mit so würdevoller Sprache be¬ richtet, ungemeine Aehnlichkeit mit einer Vorstellung in unsern Affenkomödien gehabt haben dürste. Indeß wissen wir aus französischen Zeitungen, daß in Frankreich , welches doch „an der Spitze der Civilisation marschirt", genau die¬ selbe Titelsucht grassirt, welche Soulouques Schöpfungen hervorrief, und daß auch dort die rothen Bändchen seit einigen Jahren wie die Maikäfer schwärmen und sich jedem ins Knopfloch nesteln, der sie haben mag, und so gilt unsre Heiterkeit zugleich den weißen Originalen des schwarzen Abklatsches, die übrigens nicht blos in Frankreich, wenn auch dort vorzugsweise, zu suchen sind. Den Negern Hallis war der Titelregcn erwünscht, und Soulouque setzte sich damit in den größten Respect. Daß alle seine Gnaden und Gaben kindischer Flitter¬ tand waren, blieb ihnen, die keine Bergleiche mit seinen Vorbildern anstellen Grenzboten I. 1359. 54

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/435
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/435>, abgerufen am 24.07.2024.