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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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im Klaren war, so war es das Streben der Staatsregierung, diese Ungewi߬
heit zu heben. Im vorigen Jahre trat daher eine Commission von wissen¬
schaftlichen Nerwaltungsbeamten und Militärs zusammen, um mit allen wissen¬
schaftlich gegebenen Mitteln die für viele Culturverhältnisse höchst wichtige
genaue Vermessung des Landes zu veranlassen. Gedachte Commission weist
nach, daß die einfache Vermessung des Landes einen Zeitraum von zwanzig
Jahren^mit einem Kostenaufwand von jährlich 50,000 Rthlr. beanspruche.

Nun bestehn aber noch neben diesen Kosten viele, die durch die Abfindung
derer bewirkt werden, weiche ein verbrieftes Privilegium für die Immu¬
nität ihrer Grundstücke haben, selbst wenn man eine allgemeine aus Billig¬
keitsrücksichten gebotene Abfindung aller bis dahin befreit gebliebenen Grund-
eigenthümer übergeht. Gewährt man diesen, wie es schon vorgeschlagen sein
soll, das Dreizehn- bis Vicrzehnfache der zu zahlenden Steuer, so wird die
Einführung der Steuer dem Finanzetat eine große Last aufbürden. Die Grund¬
steuer trifft da grade derselbe Vorwurf, welcher gegen die meisten indirecten
Steuern erhoben wird, daß ihre Ausführung und Erhebung mit bedeutenden
Kosten verbunden ist. Diesen Mangel will man aber grade durch die directe
Besteurung vermeiden.

Faßt man alle diese Bedenken zusammen und zieht mit in Betracht, daß
die Grundsteuer principiell und materiell gegen das Interesse einer mehr oder
minder einflußreichen Classe ist. so wird man, wie ich hoffe, eine Erklärung
dafür finden, daß in dem sonst organisch wohlgegliedertcn Staate Preußen
eine so wichtige Frage erst jetzt an die Schwelle einer bestimmten Entscheidung
D. gelangt ist.




Neurussische Realpolitik.
3.

Hatte die Periode vom Friedensschluß bis zur Kaiserkrönung vorzugs¬
weise dahin gearbeitet, die nationalaristvkratischen und militärischen Oppositionen
gegen das neue Regiment theils abzulenken, theils abzustumpfen, so blieb
jetzt noch die viel schwerere Aufgabe übrig, die inneren Reformen des Lebens,
die Erweckung der productiven Kräfte durch Freiheit der Arbeit- ins Leben zu
rufen. Den aristokratischen Gegnerschaften durfte zugleich die Möglichkeit nicht
gelassen werden, sich von neuem zu consolidiren. Außerdem mußte das Aus-


im Klaren war, so war es das Streben der Staatsregierung, diese Ungewi߬
heit zu heben. Im vorigen Jahre trat daher eine Commission von wissen¬
schaftlichen Nerwaltungsbeamten und Militärs zusammen, um mit allen wissen¬
schaftlich gegebenen Mitteln die für viele Culturverhältnisse höchst wichtige
genaue Vermessung des Landes zu veranlassen. Gedachte Commission weist
nach, daß die einfache Vermessung des Landes einen Zeitraum von zwanzig
Jahren^mit einem Kostenaufwand von jährlich 50,000 Rthlr. beanspruche.

Nun bestehn aber noch neben diesen Kosten viele, die durch die Abfindung
derer bewirkt werden, weiche ein verbrieftes Privilegium für die Immu¬
nität ihrer Grundstücke haben, selbst wenn man eine allgemeine aus Billig¬
keitsrücksichten gebotene Abfindung aller bis dahin befreit gebliebenen Grund-
eigenthümer übergeht. Gewährt man diesen, wie es schon vorgeschlagen sein
soll, das Dreizehn- bis Vicrzehnfache der zu zahlenden Steuer, so wird die
Einführung der Steuer dem Finanzetat eine große Last aufbürden. Die Grund¬
steuer trifft da grade derselbe Vorwurf, welcher gegen die meisten indirecten
Steuern erhoben wird, daß ihre Ausführung und Erhebung mit bedeutenden
Kosten verbunden ist. Diesen Mangel will man aber grade durch die directe
Besteurung vermeiden.

Faßt man alle diese Bedenken zusammen und zieht mit in Betracht, daß
die Grundsteuer principiell und materiell gegen das Interesse einer mehr oder
minder einflußreichen Classe ist. so wird man, wie ich hoffe, eine Erklärung
dafür finden, daß in dem sonst organisch wohlgegliedertcn Staate Preußen
eine so wichtige Frage erst jetzt an die Schwelle einer bestimmten Entscheidung
D. gelangt ist.




Neurussische Realpolitik.
3.

Hatte die Periode vom Friedensschluß bis zur Kaiserkrönung vorzugs¬
weise dahin gearbeitet, die nationalaristvkratischen und militärischen Oppositionen
gegen das neue Regiment theils abzulenken, theils abzustumpfen, so blieb
jetzt noch die viel schwerere Aufgabe übrig, die inneren Reformen des Lebens,
die Erweckung der productiven Kräfte durch Freiheit der Arbeit- ins Leben zu
rufen. Den aristokratischen Gegnerschaften durfte zugleich die Möglichkeit nicht
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[0422] im Klaren war, so war es das Streben der Staatsregierung, diese Ungewi߬ heit zu heben. Im vorigen Jahre trat daher eine Commission von wissen¬ schaftlichen Nerwaltungsbeamten und Militärs zusammen, um mit allen wissen¬ schaftlich gegebenen Mitteln die für viele Culturverhältnisse höchst wichtige genaue Vermessung des Landes zu veranlassen. Gedachte Commission weist nach, daß die einfache Vermessung des Landes einen Zeitraum von zwanzig Jahren^mit einem Kostenaufwand von jährlich 50,000 Rthlr. beanspruche. Nun bestehn aber noch neben diesen Kosten viele, die durch die Abfindung derer bewirkt werden, weiche ein verbrieftes Privilegium für die Immu¬ nität ihrer Grundstücke haben, selbst wenn man eine allgemeine aus Billig¬ keitsrücksichten gebotene Abfindung aller bis dahin befreit gebliebenen Grund- eigenthümer übergeht. Gewährt man diesen, wie es schon vorgeschlagen sein soll, das Dreizehn- bis Vicrzehnfache der zu zahlenden Steuer, so wird die Einführung der Steuer dem Finanzetat eine große Last aufbürden. Die Grund¬ steuer trifft da grade derselbe Vorwurf, welcher gegen die meisten indirecten Steuern erhoben wird, daß ihre Ausführung und Erhebung mit bedeutenden Kosten verbunden ist. Diesen Mangel will man aber grade durch die directe Besteurung vermeiden. Faßt man alle diese Bedenken zusammen und zieht mit in Betracht, daß die Grundsteuer principiell und materiell gegen das Interesse einer mehr oder minder einflußreichen Classe ist. so wird man, wie ich hoffe, eine Erklärung dafür finden, daß in dem sonst organisch wohlgegliedertcn Staate Preußen eine so wichtige Frage erst jetzt an die Schwelle einer bestimmten Entscheidung D. gelangt ist. Neurussische Realpolitik. 3. Hatte die Periode vom Friedensschluß bis zur Kaiserkrönung vorzugs¬ weise dahin gearbeitet, die nationalaristvkratischen und militärischen Oppositionen gegen das neue Regiment theils abzulenken, theils abzustumpfen, so blieb jetzt noch die viel schwerere Aufgabe übrig, die inneren Reformen des Lebens, die Erweckung der productiven Kräfte durch Freiheit der Arbeit- ins Leben zu rufen. Den aristokratischen Gegnerschaften durfte zugleich die Möglichkeit nicht gelassen werden, sich von neuem zu consolidiren. Außerdem mußte das Aus-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/422>, abgerufen am 24.07.2024.