Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

der landwirthschaftlichen Erzeugnisse; denn dieser Werth oder Preis bestimmt
sich nach den Productionskosten unter den unvorteilhaftesten Umständen und
unter diesen Umständen wird, wie wir so oft bewiesen haben, ckeine Boden¬
renke bezahlt. Eine Steuer aus die Bodenrenke hat also keinen Einfluß außer
dem sichtbaren. Sie nimmt so und so viel dem Grundeigenthümer, und über¬
trüge dies auf den Staat." Bald darauf gibt er das Endresultat seiner Be¬
trachtungen folgendermaßen. "Jede besondere Besteuerung des Einkommens
einer Classe, die nicht durch Steuern, welche die andern Classen treffen, auf¬
gewogen wird, ist eine Verletzung der Gerechtigkeit und kommt einer theilwei¬
sen Confiscation gleich."

Das sind die Bedenken wissenschaftlicher Autoritäten gegen die Grund¬
steuer überhaupt. -- Andere Lehrer der Staatswissenschaften erkennen die
Grundsteuern zwar als nothwendig an, sind aber darüber principiell in Streit,
ob die Grundsteuer, so wie in England unveränderlich festgestellt (Kraus sagt,
daß im entgegengesetzten Falle die Industrie durch dieselbe besteuert werde)
oder veränderlich sein müsse. Für letzteres spricht schon überzeugend Ad. Smith,
indem er sagt, eine fixirte Grundsteuer widerspreche dem ersten Princip der
Bestcurung. der Gerechtigkeit. Auch verliert ja eine solche fixirte Abgabe völlig
den Charakter einer Steuer und wird das, was die Gegner der Grundsteuer
derselben grade vorwerfen, eine unbegründete, nicht zu rechtfertigende Hypothek
des Staats an den Grundstücken seiner Einwohner, von welcher Last, wie es
ja in England geschieht, der Wohlhabende sich befreien kann (ob zum Vor¬
theil des Staats, der dadurch allerdings momentan verhältnißmäßig enorm
viele Mittel für sich erhält, ist sehr zweifelhaft) während diese Last mit dem¬
selben Druck auf dem Rennern ruhn bleibt.

Vergleicht man nun in Anbetracht dieser vielen Bedenken und Zweifel,
die von Seiten der Wissenschaft in Betreff der Grundsteuern aufgestellt sind,
ein wie großes Gewicht im geraden Gegensatz dazu zur Zeit der Herrschaft des
physiokratischcn Systems auf Einführung der Grundsteuer als einer Hauptsteuer
gelegt wurde, wie grade diese Steuer von den Lehrern und Anhängern jener
Schule als einzige gerechte Abgabe, als "impüt uni-zuo" hingestellt wurde, so
wird man von neuem in den Jahrhunderte lang die Geister bewegenden
Interessenkampf hineingeführt, wo man darum stritt, welcher Anlegung mensch¬
lichen Fleißes und Capitals der Vorzug zu gewähren, ob der industriellen, oder
der landwirthschaftlichen. Dieser Kampf, bei dem das Merkantilsystem schroff
dem physiokratischcn gegenüberstand, ist durch Ad. Smiths Industriellstem
gemildert, aber nicht geschlichtet; er ist. wenn auch vielfach politische Fragen
und Verhältnisse bestimmend mit hineinspielten, lange Zeit von der Wissen¬
schaft geführt worden und wird an manchen Orten noch heut geführt.

Trotz aller dieser Bedenken gegen die Grundsteuer, trotz jenes noch nicht


der landwirthschaftlichen Erzeugnisse; denn dieser Werth oder Preis bestimmt
sich nach den Productionskosten unter den unvorteilhaftesten Umständen und
unter diesen Umständen wird, wie wir so oft bewiesen haben, ckeine Boden¬
renke bezahlt. Eine Steuer aus die Bodenrenke hat also keinen Einfluß außer
dem sichtbaren. Sie nimmt so und so viel dem Grundeigenthümer, und über¬
trüge dies auf den Staat." Bald darauf gibt er das Endresultat seiner Be¬
trachtungen folgendermaßen. »Jede besondere Besteuerung des Einkommens
einer Classe, die nicht durch Steuern, welche die andern Classen treffen, auf¬
gewogen wird, ist eine Verletzung der Gerechtigkeit und kommt einer theilwei¬
sen Confiscation gleich."

Das sind die Bedenken wissenschaftlicher Autoritäten gegen die Grund¬
steuer überhaupt. — Andere Lehrer der Staatswissenschaften erkennen die
Grundsteuern zwar als nothwendig an, sind aber darüber principiell in Streit,
ob die Grundsteuer, so wie in England unveränderlich festgestellt (Kraus sagt,
daß im entgegengesetzten Falle die Industrie durch dieselbe besteuert werde)
oder veränderlich sein müsse. Für letzteres spricht schon überzeugend Ad. Smith,
indem er sagt, eine fixirte Grundsteuer widerspreche dem ersten Princip der
Bestcurung. der Gerechtigkeit. Auch verliert ja eine solche fixirte Abgabe völlig
den Charakter einer Steuer und wird das, was die Gegner der Grundsteuer
derselben grade vorwerfen, eine unbegründete, nicht zu rechtfertigende Hypothek
des Staats an den Grundstücken seiner Einwohner, von welcher Last, wie es
ja in England geschieht, der Wohlhabende sich befreien kann (ob zum Vor¬
theil des Staats, der dadurch allerdings momentan verhältnißmäßig enorm
viele Mittel für sich erhält, ist sehr zweifelhaft) während diese Last mit dem¬
selben Druck auf dem Rennern ruhn bleibt.

Vergleicht man nun in Anbetracht dieser vielen Bedenken und Zweifel,
die von Seiten der Wissenschaft in Betreff der Grundsteuern aufgestellt sind,
ein wie großes Gewicht im geraden Gegensatz dazu zur Zeit der Herrschaft des
physiokratischcn Systems auf Einführung der Grundsteuer als einer Hauptsteuer
gelegt wurde, wie grade diese Steuer von den Lehrern und Anhängern jener
Schule als einzige gerechte Abgabe, als „impüt uni-zuo" hingestellt wurde, so
wird man von neuem in den Jahrhunderte lang die Geister bewegenden
Interessenkampf hineingeführt, wo man darum stritt, welcher Anlegung mensch¬
lichen Fleißes und Capitals der Vorzug zu gewähren, ob der industriellen, oder
der landwirthschaftlichen. Dieser Kampf, bei dem das Merkantilsystem schroff
dem physiokratischcn gegenüberstand, ist durch Ad. Smiths Industriellstem
gemildert, aber nicht geschlichtet; er ist. wenn auch vielfach politische Fragen
und Verhältnisse bestimmend mit hineinspielten, lange Zeit von der Wissen¬
schaft geführt worden und wird an manchen Orten noch heut geführt.

Trotz aller dieser Bedenken gegen die Grundsteuer, trotz jenes noch nicht


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0420" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187372"/>
          <p xml:id="ID_1198" prev="#ID_1197"> der landwirthschaftlichen Erzeugnisse; denn dieser Werth oder Preis bestimmt<lb/>
sich nach den Productionskosten unter den unvorteilhaftesten Umständen und<lb/>
unter diesen Umständen wird, wie wir so oft bewiesen haben, ckeine Boden¬<lb/>
renke bezahlt. Eine Steuer aus die Bodenrenke hat also keinen Einfluß außer<lb/>
dem sichtbaren. Sie nimmt so und so viel dem Grundeigenthümer, und über¬<lb/>
trüge dies auf den Staat." Bald darauf gibt er das Endresultat seiner Be¬<lb/>
trachtungen folgendermaßen. »Jede besondere Besteuerung des Einkommens<lb/>
einer Classe, die nicht durch Steuern, welche die andern Classen treffen, auf¬<lb/>
gewogen wird, ist eine Verletzung der Gerechtigkeit und kommt einer theilwei¬<lb/>
sen Confiscation gleich."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1199"> Das sind die Bedenken wissenschaftlicher Autoritäten gegen die Grund¬<lb/>
steuer überhaupt. &#x2014; Andere Lehrer der Staatswissenschaften erkennen die<lb/>
Grundsteuern zwar als nothwendig an, sind aber darüber principiell in Streit,<lb/>
ob die Grundsteuer, so wie in England unveränderlich festgestellt (Kraus sagt,<lb/>
daß im entgegengesetzten Falle die Industrie durch dieselbe besteuert werde)<lb/>
oder veränderlich sein müsse. Für letzteres spricht schon überzeugend Ad. Smith,<lb/>
indem er sagt, eine fixirte Grundsteuer widerspreche dem ersten Princip der<lb/>
Bestcurung. der Gerechtigkeit. Auch verliert ja eine solche fixirte Abgabe völlig<lb/>
den Charakter einer Steuer und wird das, was die Gegner der Grundsteuer<lb/>
derselben grade vorwerfen, eine unbegründete, nicht zu rechtfertigende Hypothek<lb/>
des Staats an den Grundstücken seiner Einwohner, von welcher Last, wie es<lb/>
ja in England geschieht, der Wohlhabende sich befreien kann (ob zum Vor¬<lb/>
theil des Staats, der dadurch allerdings momentan verhältnißmäßig enorm<lb/>
viele Mittel für sich erhält, ist sehr zweifelhaft) während diese Last mit dem¬<lb/>
selben Druck auf dem Rennern ruhn bleibt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1200"> Vergleicht man nun in Anbetracht dieser vielen Bedenken und Zweifel,<lb/>
die von Seiten der Wissenschaft in Betreff der Grundsteuern aufgestellt sind,<lb/>
ein wie großes Gewicht im geraden Gegensatz dazu zur Zeit der Herrschaft des<lb/>
physiokratischcn Systems auf Einführung der Grundsteuer als einer Hauptsteuer<lb/>
gelegt wurde, wie grade diese Steuer von den Lehrern und Anhängern jener<lb/>
Schule als einzige gerechte Abgabe, als &#x201E;impüt uni-zuo" hingestellt wurde, so<lb/>
wird man von neuem in den Jahrhunderte lang die Geister bewegenden<lb/>
Interessenkampf hineingeführt, wo man darum stritt, welcher Anlegung mensch¬<lb/>
lichen Fleißes und Capitals der Vorzug zu gewähren, ob der industriellen, oder<lb/>
der landwirthschaftlichen. Dieser Kampf, bei dem das Merkantilsystem schroff<lb/>
dem physiokratischcn gegenüberstand, ist durch Ad. Smiths Industriellstem<lb/>
gemildert, aber nicht geschlichtet; er ist. wenn auch vielfach politische Fragen<lb/>
und Verhältnisse bestimmend mit hineinspielten, lange Zeit von der Wissen¬<lb/>
schaft geführt worden und wird an manchen Orten noch heut geführt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1201" next="#ID_1202"> Trotz aller dieser Bedenken gegen die Grundsteuer, trotz jenes noch nicht</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0420] der landwirthschaftlichen Erzeugnisse; denn dieser Werth oder Preis bestimmt sich nach den Productionskosten unter den unvorteilhaftesten Umständen und unter diesen Umständen wird, wie wir so oft bewiesen haben, ckeine Boden¬ renke bezahlt. Eine Steuer aus die Bodenrenke hat also keinen Einfluß außer dem sichtbaren. Sie nimmt so und so viel dem Grundeigenthümer, und über¬ trüge dies auf den Staat." Bald darauf gibt er das Endresultat seiner Be¬ trachtungen folgendermaßen. »Jede besondere Besteuerung des Einkommens einer Classe, die nicht durch Steuern, welche die andern Classen treffen, auf¬ gewogen wird, ist eine Verletzung der Gerechtigkeit und kommt einer theilwei¬ sen Confiscation gleich." Das sind die Bedenken wissenschaftlicher Autoritäten gegen die Grund¬ steuer überhaupt. — Andere Lehrer der Staatswissenschaften erkennen die Grundsteuern zwar als nothwendig an, sind aber darüber principiell in Streit, ob die Grundsteuer, so wie in England unveränderlich festgestellt (Kraus sagt, daß im entgegengesetzten Falle die Industrie durch dieselbe besteuert werde) oder veränderlich sein müsse. Für letzteres spricht schon überzeugend Ad. Smith, indem er sagt, eine fixirte Grundsteuer widerspreche dem ersten Princip der Bestcurung. der Gerechtigkeit. Auch verliert ja eine solche fixirte Abgabe völlig den Charakter einer Steuer und wird das, was die Gegner der Grundsteuer derselben grade vorwerfen, eine unbegründete, nicht zu rechtfertigende Hypothek des Staats an den Grundstücken seiner Einwohner, von welcher Last, wie es ja in England geschieht, der Wohlhabende sich befreien kann (ob zum Vor¬ theil des Staats, der dadurch allerdings momentan verhältnißmäßig enorm viele Mittel für sich erhält, ist sehr zweifelhaft) während diese Last mit dem¬ selben Druck auf dem Rennern ruhn bleibt. Vergleicht man nun in Anbetracht dieser vielen Bedenken und Zweifel, die von Seiten der Wissenschaft in Betreff der Grundsteuern aufgestellt sind, ein wie großes Gewicht im geraden Gegensatz dazu zur Zeit der Herrschaft des physiokratischcn Systems auf Einführung der Grundsteuer als einer Hauptsteuer gelegt wurde, wie grade diese Steuer von den Lehrern und Anhängern jener Schule als einzige gerechte Abgabe, als „impüt uni-zuo" hingestellt wurde, so wird man von neuem in den Jahrhunderte lang die Geister bewegenden Interessenkampf hineingeführt, wo man darum stritt, welcher Anlegung mensch¬ lichen Fleißes und Capitals der Vorzug zu gewähren, ob der industriellen, oder der landwirthschaftlichen. Dieser Kampf, bei dem das Merkantilsystem schroff dem physiokratischcn gegenüberstand, ist durch Ad. Smiths Industriellstem gemildert, aber nicht geschlichtet; er ist. wenn auch vielfach politische Fragen und Verhältnisse bestimmend mit hineinspielten, lange Zeit von der Wissen¬ schaft geführt worden und wird an manchen Orten noch heut geführt. Trotz aller dieser Bedenken gegen die Grundsteuer, trotz jenes noch nicht

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/420
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/420>, abgerufen am 24.07.2024.