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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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wenn die Lösung dieser Fragen ein klares, einfaches, mit Bestimmtheit von
der Nation gefordertes Bedürfniß gewesen wäre, nicht gegen die Macht der
Verhältnisse fast ein halbes Jahrhundert haben ankämpfen können. Und die
Lösung dieser Fragen hat allerdings an und für sich, ganz abgesehen von
diesen oder jenen staatlichen Verhältnissen, vom wissenschaftlichen wie prak-
tischen Standpunkt aus ihre großen Schwierigkeiten.

Die Geschichte lehrt uns, daß Völker in Zeiten politischer Aufregung,
wie von einem blinden Drange getrieben durchgreifende Maßregeln in Be¬
treff staatlicher Einrichtungen durchgesetzt haben. So hat das französische
Volk empört über die Taillenwirthschaft seines Adels bei völliger Umgestaltung
seiner politischen Einrichtungen seine Grundsteuerverfassung durchgesetzt. Des¬
halb bleiben die g, Mori gegen den Gedanken einer Grundsteuer aufgewor¬
fenen Bedenken, die über die Art der Steuer und über die Art der Einführung
derselben bestehenden Zweifel ungelöst.

Daß dieser Bedenken viele sein müssen, zeigt die einfache Thatsache, daß
fast jeder Gelehrte der Staatswissenschaft principiell eine andere Meinung über
dieselbe hat. Es ist das Streben neuerer Finanzgcsetzgebungen, in dem viel
verzweigten Bau der directen und indirecten Steuern, welche die Mittel zur
Existenz der Staaten gewähren, der directen Besteuerung immer mehr den
Sieg zu verschaffen. Und dieses Bestreben ist ein sehr richtiges. Mit
Freuden wird die Wissenschaft dasselbe begrüßen; denn ihre Aufgabe ist
ja eben, dafür zu kämpfen, daß das Ideal der Besteuerung, wie es einer
der bedeutendsten Lehrer der Staatswissenschaft nennt, d. h. daß ein solches
Steuersystem, bei welchem jeder direct, so viel in seinen Kräften steht, zum
allgemeinen Besten beizutragen hat, immer mehr zur Wirklichkeit werde, und
unleugbar sind es auch die directen Abgaben, die uns diesem gewünschten Ziel
näher führen.

Eine der ältesten directen Steuern ist die Grundsteuer. -- Man sollte
meinen, diese, so frühzeitig entstanden, so bald von den verschiedenen Völ¬
kern als Bedürfniß erkannt, müsse von allen Lehrern der Wissenschaft als
einer der Wege zu jenem Ideal erkannt werden. Dies ist indeß nicht der
Fall. -- Hoffmann z. B. führt in seiner Lehre von den Grundsteuern aus,
daß dieselben zwar als eine Abgabe vont Besitz eines Raumes die sichersten
seien', indem das Dasein dieses Gegenstandes der Besteuerung weder der
Kenntniß, noch der Verfügung der Staatsgewalt entzogen werden könne, daß
aber diese Steuer, da sie von dem Einkommen dieses Besitzes abhänge, wel¬
ches allen möglichen Wechselfällen ausgesetzt sei. dem Staat nur sehr unsichere
Garantien als Einnahmequelle gewähre. Vrgl. Hoffmann S. 94 u. 95.

Er sagt, es sei ganz natürlich, daß man bei Bcsitzessteucrn zuerst auf die
Grundsteuer gekommen sei, weil hier die controlirende Behörde das beste


wenn die Lösung dieser Fragen ein klares, einfaches, mit Bestimmtheit von
der Nation gefordertes Bedürfniß gewesen wäre, nicht gegen die Macht der
Verhältnisse fast ein halbes Jahrhundert haben ankämpfen können. Und die
Lösung dieser Fragen hat allerdings an und für sich, ganz abgesehen von
diesen oder jenen staatlichen Verhältnissen, vom wissenschaftlichen wie prak-
tischen Standpunkt aus ihre großen Schwierigkeiten.

Die Geschichte lehrt uns, daß Völker in Zeiten politischer Aufregung,
wie von einem blinden Drange getrieben durchgreifende Maßregeln in Be¬
treff staatlicher Einrichtungen durchgesetzt haben. So hat das französische
Volk empört über die Taillenwirthschaft seines Adels bei völliger Umgestaltung
seiner politischen Einrichtungen seine Grundsteuerverfassung durchgesetzt. Des¬
halb bleiben die g, Mori gegen den Gedanken einer Grundsteuer aufgewor¬
fenen Bedenken, die über die Art der Steuer und über die Art der Einführung
derselben bestehenden Zweifel ungelöst.

Daß dieser Bedenken viele sein müssen, zeigt die einfache Thatsache, daß
fast jeder Gelehrte der Staatswissenschaft principiell eine andere Meinung über
dieselbe hat. Es ist das Streben neuerer Finanzgcsetzgebungen, in dem viel
verzweigten Bau der directen und indirecten Steuern, welche die Mittel zur
Existenz der Staaten gewähren, der directen Besteuerung immer mehr den
Sieg zu verschaffen. Und dieses Bestreben ist ein sehr richtiges. Mit
Freuden wird die Wissenschaft dasselbe begrüßen; denn ihre Aufgabe ist
ja eben, dafür zu kämpfen, daß das Ideal der Besteuerung, wie es einer
der bedeutendsten Lehrer der Staatswissenschaft nennt, d. h. daß ein solches
Steuersystem, bei welchem jeder direct, so viel in seinen Kräften steht, zum
allgemeinen Besten beizutragen hat, immer mehr zur Wirklichkeit werde, und
unleugbar sind es auch die directen Abgaben, die uns diesem gewünschten Ziel
näher führen.

Eine der ältesten directen Steuern ist die Grundsteuer. — Man sollte
meinen, diese, so frühzeitig entstanden, so bald von den verschiedenen Völ¬
kern als Bedürfniß erkannt, müsse von allen Lehrern der Wissenschaft als
einer der Wege zu jenem Ideal erkannt werden. Dies ist indeß nicht der
Fall. — Hoffmann z. B. führt in seiner Lehre von den Grundsteuern aus,
daß dieselben zwar als eine Abgabe vont Besitz eines Raumes die sichersten
seien', indem das Dasein dieses Gegenstandes der Besteuerung weder der
Kenntniß, noch der Verfügung der Staatsgewalt entzogen werden könne, daß
aber diese Steuer, da sie von dem Einkommen dieses Besitzes abhänge, wel¬
ches allen möglichen Wechselfällen ausgesetzt sei. dem Staat nur sehr unsichere
Garantien als Einnahmequelle gewähre. Vrgl. Hoffmann S. 94 u. 95.

Er sagt, es sei ganz natürlich, daß man bei Bcsitzessteucrn zuerst auf die
Grundsteuer gekommen sei, weil hier die controlirende Behörde das beste


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/417>, abgerufen am 24.07.2024.