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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Der Preis eines solchen Bandes war ein Frank. Für eine so bescheidene
Summe konnte man ein gut gedrucktes Buch von vierhundert Seiten oder
mehr haben, welches dieselbe Masse Stoff enthielt, wie man sonst in zwei
Bänden Octav findet. Die englischen Schillingbüchcr, welche in den legten
Jahren solche Verbreitung fanden, haben augenscheinlich die Anregung zu
diesem Unternehmen geliefert. Aber die Copie ging noch über das Original
hinaus. Die französischen Buchhändler, die ich eben genannt, gaben für
einen Frank sogar noch mehr als die Engländer sür einen Schilling, und
druckten ihre Bücher in klaren leserlichen Typen auf festem und gutem Papier.
Eine Erzählung von Lamartine "Qvn"ol6ve on l'ltistoii'u et'uno Lvrvlmw"
war das erste Werk, das sie auf diese Weise Herausgaben. Werke von Georges
Sand, Balzac, und Souli6 folgten. In sehr kurzer Zeit erwarb sich die ln-
dliottweine ironvullo einen bedeutenden Namen bei dem französischen Lese-
publicum.

Um die Billigkeit dieser Lieferungen vollständig zu würdigen, muß man
den Preis kennen,, zu welchem französische Romane bei ihrer ersten Ausgabe
bis dahin verkauft zu werden pflegten.

Die meisten französischen Novellen erscheinen, wie ich schon bemerkt habe,
ursprünglich in den Feuilletons der Tagesblätter, und eine große Anzahl von
Lesern lernt sie nur auf diesem Wege kennen. Andere Leser aber, denen es
langweilig ist, die Novelle stückweise zu lesen, warten bis sie vollständig er¬
schienen ist, um sie dann entweder zu kaufen oder aus der Bibliothek zu
leihen. Für die Leihbibliotheken wird sogar eine eigne Ausgabe unter der
Bezeichnung "^onrurt alö (ura'not, 60 Je-etui/v" gedruckt. Bei dieser herrscht
das entgegengesetzte Princip von dein der populären Ausgaben. Während
bei letzterem möglichst viel Stoff in einem verhältnißmäßig engen Raum con-
centrirt wird, sucht jenes mit möglichst wenig Stoff möglichst viele Bände zu
erzielen, so daß es fast gar keine Werke unter zwei Bänden kennt. Die mei¬
sten aber sind zu der dreifachen Zahl ausgereckt. So füllt z. B. die "Lon-
d"WL cke IwclolstinU" von Georges Sand fünf Bände, die berühmte "<^c>n-
nicht weniger als acht, die "Ilistvire! alö nur, vio" von derselben Verfasserin
sogar zwanzig! Vor allem aber sind es die Werke von "Mr. Alexander Du¬
mas", welche den Preis bei diesem typographischen Auseinanderrennen davon
tragen. Der "noire-o em/isto" besteht aus achtzehn Bänden. Vievmto co
LrirMlomw" aus sechsundzwanzig, die "UvnioireK ä'un nMocin" aus neun¬
undzwanzig Bänden.

Die Kostspieligkeit einer solchen Ausgabe kann daraus entnommen wer¬
den, daß der Preis eines jeden Bandes für die Eigenthümer der Bibliotheken
Fr. und für das Publicum im Allgemeinen V/2 Fr. beträgt. Freilich
begnügen sich die meisten Leute damit, sie zu borgen. Wollte sich ein Privat-


Der Preis eines solchen Bandes war ein Frank. Für eine so bescheidene
Summe konnte man ein gut gedrucktes Buch von vierhundert Seiten oder
mehr haben, welches dieselbe Masse Stoff enthielt, wie man sonst in zwei
Bänden Octav findet. Die englischen Schillingbüchcr, welche in den legten
Jahren solche Verbreitung fanden, haben augenscheinlich die Anregung zu
diesem Unternehmen geliefert. Aber die Copie ging noch über das Original
hinaus. Die französischen Buchhändler, die ich eben genannt, gaben für
einen Frank sogar noch mehr als die Engländer sür einen Schilling, und
druckten ihre Bücher in klaren leserlichen Typen auf festem und gutem Papier.
Eine Erzählung von Lamartine „Qvn«ol6ve on l'ltistoii'u et'uno Lvrvlmw"
war das erste Werk, das sie auf diese Weise Herausgaben. Werke von Georges
Sand, Balzac, und Souli6 folgten. In sehr kurzer Zeit erwarb sich die ln-
dliottweine ironvullo einen bedeutenden Namen bei dem französischen Lese-
publicum.

Um die Billigkeit dieser Lieferungen vollständig zu würdigen, muß man
den Preis kennen,, zu welchem französische Romane bei ihrer ersten Ausgabe
bis dahin verkauft zu werden pflegten.

Die meisten französischen Novellen erscheinen, wie ich schon bemerkt habe,
ursprünglich in den Feuilletons der Tagesblätter, und eine große Anzahl von
Lesern lernt sie nur auf diesem Wege kennen. Andere Leser aber, denen es
langweilig ist, die Novelle stückweise zu lesen, warten bis sie vollständig er¬
schienen ist, um sie dann entweder zu kaufen oder aus der Bibliothek zu
leihen. Für die Leihbibliotheken wird sogar eine eigne Ausgabe unter der
Bezeichnung „^onrurt alö (ura'not, 60 Je-etui/v" gedruckt. Bei dieser herrscht
das entgegengesetzte Princip von dein der populären Ausgaben. Während
bei letzterem möglichst viel Stoff in einem verhältnißmäßig engen Raum con-
centrirt wird, sucht jenes mit möglichst wenig Stoff möglichst viele Bände zu
erzielen, so daß es fast gar keine Werke unter zwei Bänden kennt. Die mei¬
sten aber sind zu der dreifachen Zahl ausgereckt. So füllt z. B. die „Lon-
d«WL cke IwclolstinU" von Georges Sand fünf Bände, die berühmte „<^c>n-
nicht weniger als acht, die „Ilistvire! alö nur, vio" von derselben Verfasserin
sogar zwanzig! Vor allem aber sind es die Werke von „Mr. Alexander Du¬
mas", welche den Preis bei diesem typographischen Auseinanderrennen davon
tragen. Der „noire-o em/isto" besteht aus achtzehn Bänden. Vievmto co
LrirMlomw" aus sechsundzwanzig, die „UvnioireK ä'un nMocin" aus neun¬
undzwanzig Bänden.

Die Kostspieligkeit einer solchen Ausgabe kann daraus entnommen wer¬
den, daß der Preis eines jeden Bandes für die Eigenthümer der Bibliotheken
Fr. und für das Publicum im Allgemeinen V/2 Fr. beträgt. Freilich
begnügen sich die meisten Leute damit, sie zu borgen. Wollte sich ein Privat-


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[0402] Der Preis eines solchen Bandes war ein Frank. Für eine so bescheidene Summe konnte man ein gut gedrucktes Buch von vierhundert Seiten oder mehr haben, welches dieselbe Masse Stoff enthielt, wie man sonst in zwei Bänden Octav findet. Die englischen Schillingbüchcr, welche in den legten Jahren solche Verbreitung fanden, haben augenscheinlich die Anregung zu diesem Unternehmen geliefert. Aber die Copie ging noch über das Original hinaus. Die französischen Buchhändler, die ich eben genannt, gaben für einen Frank sogar noch mehr als die Engländer sür einen Schilling, und druckten ihre Bücher in klaren leserlichen Typen auf festem und gutem Papier. Eine Erzählung von Lamartine „Qvn«ol6ve on l'ltistoii'u et'uno Lvrvlmw" war das erste Werk, das sie auf diese Weise Herausgaben. Werke von Georges Sand, Balzac, und Souli6 folgten. In sehr kurzer Zeit erwarb sich die ln- dliottweine ironvullo einen bedeutenden Namen bei dem französischen Lese- publicum. Um die Billigkeit dieser Lieferungen vollständig zu würdigen, muß man den Preis kennen,, zu welchem französische Romane bei ihrer ersten Ausgabe bis dahin verkauft zu werden pflegten. Die meisten französischen Novellen erscheinen, wie ich schon bemerkt habe, ursprünglich in den Feuilletons der Tagesblätter, und eine große Anzahl von Lesern lernt sie nur auf diesem Wege kennen. Andere Leser aber, denen es langweilig ist, die Novelle stückweise zu lesen, warten bis sie vollständig er¬ schienen ist, um sie dann entweder zu kaufen oder aus der Bibliothek zu leihen. Für die Leihbibliotheken wird sogar eine eigne Ausgabe unter der Bezeichnung „^onrurt alö (ura'not, 60 Je-etui/v" gedruckt. Bei dieser herrscht das entgegengesetzte Princip von dein der populären Ausgaben. Während bei letzterem möglichst viel Stoff in einem verhältnißmäßig engen Raum con- centrirt wird, sucht jenes mit möglichst wenig Stoff möglichst viele Bände zu erzielen, so daß es fast gar keine Werke unter zwei Bänden kennt. Die mei¬ sten aber sind zu der dreifachen Zahl ausgereckt. So füllt z. B. die „Lon- d«WL cke IwclolstinU" von Georges Sand fünf Bände, die berühmte „<^c>n- nicht weniger als acht, die „Ilistvire! alö nur, vio" von derselben Verfasserin sogar zwanzig! Vor allem aber sind es die Werke von „Mr. Alexander Du¬ mas", welche den Preis bei diesem typographischen Auseinanderrennen davon tragen. Der „noire-o em/isto" besteht aus achtzehn Bänden. Vievmto co LrirMlomw" aus sechsundzwanzig, die „UvnioireK ä'un nMocin" aus neun¬ undzwanzig Bänden. Die Kostspieligkeit einer solchen Ausgabe kann daraus entnommen wer¬ den, daß der Preis eines jeden Bandes für die Eigenthümer der Bibliotheken Fr. und für das Publicum im Allgemeinen V/2 Fr. beträgt. Freilich begnügen sich die meisten Leute damit, sie zu borgen. Wollte sich ein Privat-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/402>, abgerufen am 24.07.2024.