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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Die Küche ist allenthalben übel bestellt, und ein Europäer bedarf beim
Anblick der Unreinliche'eit, mit der die Speisen zubereitet werden, der Ueber¬
windung, um etwas genießen zu können. Brot, Wein, Milch. Butter sind
Genüsse, auf die man in Aram zu verzichten Hai. Das Morgen. Mittags¬
und Abendessen besteht in Reis, der in Wasser gekocht ist, und den frische,
getrocknete oder gesalzene Fische, bisweilen auch Schweine-, Büffel- oder
Elephantenfleisch als Zugaben begleiten. Als Leckerbissen gelten gewisse Theile
des Krokodils. Seidenwürmer und Eier, in denen'-'das Hühnchen bereits'aus¬
gebildet ist. Auch der fliegende Maki oder Waldteufel (eine Affenart) wird
häusig gegessen, und unser Gewährsmann meint, ein Gericht Makibraten mit
indischem Curry sei durchaus nicht zu verachten. Ein kochinchinesisches Diner
wird in Gefäßen aufgetragen, welche die Gestalt unserer Kaffeetassen haben.
Auf kleinen Schüsselchen bringt man das Fleisch herein, welches stets in win¬
zige Bissen zerschnitten erscheint. Die Mehrzahl der Anamitcn ißt auf dem
Erdboden sitzend. Bornehme bedienen sich dabei eines kleinen runden oder
viereckigen Tisches. Der Gebrauch der Gabeln und Löffel ist unbekannt, man
führt die Speisen wie in China mit Stäbchen von Holz, Elfenbein oder
Ebenholz zum Munde. Während des Essens wird nicht getrunken, vor der
Mahlzeit trinkt man. "um sich Appetit zu machen" einen tüchtigen Schluck
Arak. nach derselben einige Tassen chinesischen Thee. Arme begnügen sich
statt dessen mit warmem Wasser, in das sie Blätter des anamitischen Thees
oder anderer Pflanzen werfen. Kaltes Wasser zu trinken ist sehr uugesuno.
' in den Gebirgen soll es selbst tödtlich wirken.

DieKochinchincsen werden als überaus vergnügungssüchtig beschrieben. Sie
sind leidenschaftliche Hazardspieler und es geschieht oft, daß einer seine Frau,
seine Kinder, ja seine eigne Freiheit im Spiel verliert. Besonders beliebt
sind Wetten bei Hahnenkämpfcn, auch veranstaltet man zu demselben Zweck
Kämpfe einer Art kleiner rother Fische in Glasvasen. Fleißige Arbeiter sind
in Aram die größte Seltenheit. Wer irgend kann, sucht seinen Lebensunter¬
halt durch Kleinhandel. Diebe giebt es unzählige, und jeder muß des Nachts
auf seiner Hut sein, sonst wird ihm der Pfühl unterm Kopfe weggenommen.
Die Polizei des Landes ist auf dem Papier vortrefflich eingerichtet, in
Wirklichkeit ist sie um so schlechter. Jeder Richter ist bestechlich, und unsre
Quelle sagt, nur Einfaltspinsel und arme Leute würden hier zu Lande bestraft,
der größte Schurke gelte als Ehrenmann, wenn er nur den Schein zu be¬
wahren verstände.

Wie in China werden die Eltern von den Kindern mit größter Ehrfurcht
und Rücksicht behandelt. Ein eigenthümlicher Gebrauch dagegen ist. was
Bouilleveaux von der Verehrung sagt, die dem Alter überhaupt erwiesen
wird. Ein Mann, der das fünfzigste Lebensjahr überschritten hat, ist von


48"°

Die Küche ist allenthalben übel bestellt, und ein Europäer bedarf beim
Anblick der Unreinliche'eit, mit der die Speisen zubereitet werden, der Ueber¬
windung, um etwas genießen zu können. Brot, Wein, Milch. Butter sind
Genüsse, auf die man in Aram zu verzichten Hai. Das Morgen. Mittags¬
und Abendessen besteht in Reis, der in Wasser gekocht ist, und den frische,
getrocknete oder gesalzene Fische, bisweilen auch Schweine-, Büffel- oder
Elephantenfleisch als Zugaben begleiten. Als Leckerbissen gelten gewisse Theile
des Krokodils. Seidenwürmer und Eier, in denen'-'das Hühnchen bereits'aus¬
gebildet ist. Auch der fliegende Maki oder Waldteufel (eine Affenart) wird
häusig gegessen, und unser Gewährsmann meint, ein Gericht Makibraten mit
indischem Curry sei durchaus nicht zu verachten. Ein kochinchinesisches Diner
wird in Gefäßen aufgetragen, welche die Gestalt unserer Kaffeetassen haben.
Auf kleinen Schüsselchen bringt man das Fleisch herein, welches stets in win¬
zige Bissen zerschnitten erscheint. Die Mehrzahl der Anamitcn ißt auf dem
Erdboden sitzend. Bornehme bedienen sich dabei eines kleinen runden oder
viereckigen Tisches. Der Gebrauch der Gabeln und Löffel ist unbekannt, man
führt die Speisen wie in China mit Stäbchen von Holz, Elfenbein oder
Ebenholz zum Munde. Während des Essens wird nicht getrunken, vor der
Mahlzeit trinkt man. „um sich Appetit zu machen" einen tüchtigen Schluck
Arak. nach derselben einige Tassen chinesischen Thee. Arme begnügen sich
statt dessen mit warmem Wasser, in das sie Blätter des anamitischen Thees
oder anderer Pflanzen werfen. Kaltes Wasser zu trinken ist sehr uugesuno.
' in den Gebirgen soll es selbst tödtlich wirken.

DieKochinchincsen werden als überaus vergnügungssüchtig beschrieben. Sie
sind leidenschaftliche Hazardspieler und es geschieht oft, daß einer seine Frau,
seine Kinder, ja seine eigne Freiheit im Spiel verliert. Besonders beliebt
sind Wetten bei Hahnenkämpfcn, auch veranstaltet man zu demselben Zweck
Kämpfe einer Art kleiner rother Fische in Glasvasen. Fleißige Arbeiter sind
in Aram die größte Seltenheit. Wer irgend kann, sucht seinen Lebensunter¬
halt durch Kleinhandel. Diebe giebt es unzählige, und jeder muß des Nachts
auf seiner Hut sein, sonst wird ihm der Pfühl unterm Kopfe weggenommen.
Die Polizei des Landes ist auf dem Papier vortrefflich eingerichtet, in
Wirklichkeit ist sie um so schlechter. Jeder Richter ist bestechlich, und unsre
Quelle sagt, nur Einfaltspinsel und arme Leute würden hier zu Lande bestraft,
der größte Schurke gelte als Ehrenmann, wenn er nur den Schein zu be¬
wahren verstände.

Wie in China werden die Eltern von den Kindern mit größter Ehrfurcht
und Rücksicht behandelt. Ein eigenthümlicher Gebrauch dagegen ist. was
Bouilleveaux von der Verehrung sagt, die dem Alter überhaupt erwiesen
wird. Ein Mann, der das fünfzigste Lebensjahr überschritten hat, ist von


48"°
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[0389] Die Küche ist allenthalben übel bestellt, und ein Europäer bedarf beim Anblick der Unreinliche'eit, mit der die Speisen zubereitet werden, der Ueber¬ windung, um etwas genießen zu können. Brot, Wein, Milch. Butter sind Genüsse, auf die man in Aram zu verzichten Hai. Das Morgen. Mittags¬ und Abendessen besteht in Reis, der in Wasser gekocht ist, und den frische, getrocknete oder gesalzene Fische, bisweilen auch Schweine-, Büffel- oder Elephantenfleisch als Zugaben begleiten. Als Leckerbissen gelten gewisse Theile des Krokodils. Seidenwürmer und Eier, in denen'-'das Hühnchen bereits'aus¬ gebildet ist. Auch der fliegende Maki oder Waldteufel (eine Affenart) wird häusig gegessen, und unser Gewährsmann meint, ein Gericht Makibraten mit indischem Curry sei durchaus nicht zu verachten. Ein kochinchinesisches Diner wird in Gefäßen aufgetragen, welche die Gestalt unserer Kaffeetassen haben. Auf kleinen Schüsselchen bringt man das Fleisch herein, welches stets in win¬ zige Bissen zerschnitten erscheint. Die Mehrzahl der Anamitcn ißt auf dem Erdboden sitzend. Bornehme bedienen sich dabei eines kleinen runden oder viereckigen Tisches. Der Gebrauch der Gabeln und Löffel ist unbekannt, man führt die Speisen wie in China mit Stäbchen von Holz, Elfenbein oder Ebenholz zum Munde. Während des Essens wird nicht getrunken, vor der Mahlzeit trinkt man. „um sich Appetit zu machen" einen tüchtigen Schluck Arak. nach derselben einige Tassen chinesischen Thee. Arme begnügen sich statt dessen mit warmem Wasser, in das sie Blätter des anamitischen Thees oder anderer Pflanzen werfen. Kaltes Wasser zu trinken ist sehr uugesuno. ' in den Gebirgen soll es selbst tödtlich wirken. DieKochinchincsen werden als überaus vergnügungssüchtig beschrieben. Sie sind leidenschaftliche Hazardspieler und es geschieht oft, daß einer seine Frau, seine Kinder, ja seine eigne Freiheit im Spiel verliert. Besonders beliebt sind Wetten bei Hahnenkämpfcn, auch veranstaltet man zu demselben Zweck Kämpfe einer Art kleiner rother Fische in Glasvasen. Fleißige Arbeiter sind in Aram die größte Seltenheit. Wer irgend kann, sucht seinen Lebensunter¬ halt durch Kleinhandel. Diebe giebt es unzählige, und jeder muß des Nachts auf seiner Hut sein, sonst wird ihm der Pfühl unterm Kopfe weggenommen. Die Polizei des Landes ist auf dem Papier vortrefflich eingerichtet, in Wirklichkeit ist sie um so schlechter. Jeder Richter ist bestechlich, und unsre Quelle sagt, nur Einfaltspinsel und arme Leute würden hier zu Lande bestraft, der größte Schurke gelte als Ehrenmann, wenn er nur den Schein zu be¬ wahren verstände. Wie in China werden die Eltern von den Kindern mit größter Ehrfurcht und Rücksicht behandelt. Ein eigenthümlicher Gebrauch dagegen ist. was Bouilleveaux von der Verehrung sagt, die dem Alter überhaupt erwiesen wird. Ein Mann, der das fünfzigste Lebensjahr überschritten hat, ist von 48"°

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/389>, abgerufen am 24.07.2024.