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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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zerfallt in drei Theile: Ober-, Mittel- und Niederkochinchina. Oberkochin-
china besteht aus drei Provinzen: Knäng Birs, Knäng Tri und Knäng Duk,
wo Hug, die Hauptstadt von ganz Aram liegt. Mittelkochinchma hat sechs Provin¬
zen, von denen wir, um die Leser mit barbarischen Namen zu verschonen, nur die
von Knäng Nenn nennen, da hier der Hafen Turon und der gegenwärtige Kriegs¬
schauplatz sich befindet. Niederkochinchina endlich hat ebenfalls sechs Provinzen.

Tongking ist in elf Provinzen getheilt, und seine Hauptstadt wird ge¬
wohnlich Kecho, d. i. Markt genannt, im höhern Stil heißt sie Tang
Long Tand, d. i. die Stadt des Drachen. Die Provinzen bestehen aus
Fu oder Präsidentschaften, diese aus Huyen oder Kreisen, diese wieder aus
Tong oder Aemtern und diese letztern aus Xa, welche unsern Gemeinden ent¬
sprechen. Einen Adel gibt es in Aram so wenig wie in China. Die vor¬
nehme Welt besteht lediglich aus den zahlreichen Beamten, und dn diese Würde
nicht erblich ist, so geschieht es oft, daß der Sohn eines Mandarins ein armer
Mann wird, während ein Bauernsohn sich durch geistige Gaben oder Intriguen
zu den höchsten Ehren aufschwingt. Sklaven kennt man in Aram nicht, aus¬
genommen die Moi, Wilde der östlichen Gebirge, welche zuweilen in den
Niederungen perkauft werden. Am stärksten bewohnt ist Tongking. dann der
Norden von Kochinchina. Die Regierungsform des Landes ist der Despotis¬
mus, indeß ist der Kaiser oft nur dem Namen nach der absolute Herrscher,
und unter den letzten beiden Kaisern beherrschte der Großmandarin Kue,
Schwiegervater des gegenwärtigen Kaisers, das Land fast ohne alle Controle.

Ober- und Mittelkochinchma haben nur kleine Flüsse. Dagegen wird Tong¬
king von dem großen Fluß Song Ka durchströmt, an welchem die Hauptstadt
Kecho liegt, und Niederkochinchina besitzt außer dem diesen Flusse, welcher in
den vortrefflichen Hafen von Saigong mündet und bis zu der 18 Meilen vom
Meere gelegenen Hauptstadt der Provinz Gladius sür Seeschiffe fahrbar ist,
den gewaltigen Strom Methong, dessen Arme Meeresarmen gleichen, und wel¬
cher einer der größten Ströme Asiens ist. Niederkochinchina ist eine unge¬
heure Ebene, die vortrefflich zum Ackerbau und wegen ihrer zahlreichen Flüsse
und Kanäle auch für den Handelsverkehr besonders geeignet ist. "In der
That," sagt unser französischer Gewährsmann, seine Gedanken verrathend,
"die Europäer würden daraus ein neues Java machen, wenn das Land in
ihren Händen wäre." Das Klima allerdings ist nicht zu loben. Es ist außer¬
ordentlich heiß und zugleich sehr feucht und infolge dessen der Gesundheit
wenig zuträglich. Fieber und Dyssenterie sind zu allen Jahreszeiten an der
Tagesordnung.

Von wilden Thieren, namentlich von Schlangen und Krokodilen wim¬
melt es in Aram. Von letzteren trifft man häusig Exemplare, welche eine
Länge von 15 Schuh haben, und wenn man die Wälder und Wüsten des


zerfallt in drei Theile: Ober-, Mittel- und Niederkochinchina. Oberkochin-
china besteht aus drei Provinzen: Knäng Birs, Knäng Tri und Knäng Duk,
wo Hug, die Hauptstadt von ganz Aram liegt. Mittelkochinchma hat sechs Provin¬
zen, von denen wir, um die Leser mit barbarischen Namen zu verschonen, nur die
von Knäng Nenn nennen, da hier der Hafen Turon und der gegenwärtige Kriegs¬
schauplatz sich befindet. Niederkochinchina endlich hat ebenfalls sechs Provinzen.

Tongking ist in elf Provinzen getheilt, und seine Hauptstadt wird ge¬
wohnlich Kecho, d. i. Markt genannt, im höhern Stil heißt sie Tang
Long Tand, d. i. die Stadt des Drachen. Die Provinzen bestehen aus
Fu oder Präsidentschaften, diese aus Huyen oder Kreisen, diese wieder aus
Tong oder Aemtern und diese letztern aus Xa, welche unsern Gemeinden ent¬
sprechen. Einen Adel gibt es in Aram so wenig wie in China. Die vor¬
nehme Welt besteht lediglich aus den zahlreichen Beamten, und dn diese Würde
nicht erblich ist, so geschieht es oft, daß der Sohn eines Mandarins ein armer
Mann wird, während ein Bauernsohn sich durch geistige Gaben oder Intriguen
zu den höchsten Ehren aufschwingt. Sklaven kennt man in Aram nicht, aus¬
genommen die Moi, Wilde der östlichen Gebirge, welche zuweilen in den
Niederungen perkauft werden. Am stärksten bewohnt ist Tongking. dann der
Norden von Kochinchina. Die Regierungsform des Landes ist der Despotis¬
mus, indeß ist der Kaiser oft nur dem Namen nach der absolute Herrscher,
und unter den letzten beiden Kaisern beherrschte der Großmandarin Kue,
Schwiegervater des gegenwärtigen Kaisers, das Land fast ohne alle Controle.

Ober- und Mittelkochinchma haben nur kleine Flüsse. Dagegen wird Tong¬
king von dem großen Fluß Song Ka durchströmt, an welchem die Hauptstadt
Kecho liegt, und Niederkochinchina besitzt außer dem diesen Flusse, welcher in
den vortrefflichen Hafen von Saigong mündet und bis zu der 18 Meilen vom
Meere gelegenen Hauptstadt der Provinz Gladius sür Seeschiffe fahrbar ist,
den gewaltigen Strom Methong, dessen Arme Meeresarmen gleichen, und wel¬
cher einer der größten Ströme Asiens ist. Niederkochinchina ist eine unge¬
heure Ebene, die vortrefflich zum Ackerbau und wegen ihrer zahlreichen Flüsse
und Kanäle auch für den Handelsverkehr besonders geeignet ist. „In der
That," sagt unser französischer Gewährsmann, seine Gedanken verrathend,
„die Europäer würden daraus ein neues Java machen, wenn das Land in
ihren Händen wäre." Das Klima allerdings ist nicht zu loben. Es ist außer¬
ordentlich heiß und zugleich sehr feucht und infolge dessen der Gesundheit
wenig zuträglich. Fieber und Dyssenterie sind zu allen Jahreszeiten an der
Tagesordnung.

Von wilden Thieren, namentlich von Schlangen und Krokodilen wim¬
melt es in Aram. Von letzteren trifft man häusig Exemplare, welche eine
Länge von 15 Schuh haben, und wenn man die Wälder und Wüsten des


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[0386] zerfallt in drei Theile: Ober-, Mittel- und Niederkochinchina. Oberkochin- china besteht aus drei Provinzen: Knäng Birs, Knäng Tri und Knäng Duk, wo Hug, die Hauptstadt von ganz Aram liegt. Mittelkochinchma hat sechs Provin¬ zen, von denen wir, um die Leser mit barbarischen Namen zu verschonen, nur die von Knäng Nenn nennen, da hier der Hafen Turon und der gegenwärtige Kriegs¬ schauplatz sich befindet. Niederkochinchina endlich hat ebenfalls sechs Provinzen. Tongking ist in elf Provinzen getheilt, und seine Hauptstadt wird ge¬ wohnlich Kecho, d. i. Markt genannt, im höhern Stil heißt sie Tang Long Tand, d. i. die Stadt des Drachen. Die Provinzen bestehen aus Fu oder Präsidentschaften, diese aus Huyen oder Kreisen, diese wieder aus Tong oder Aemtern und diese letztern aus Xa, welche unsern Gemeinden ent¬ sprechen. Einen Adel gibt es in Aram so wenig wie in China. Die vor¬ nehme Welt besteht lediglich aus den zahlreichen Beamten, und dn diese Würde nicht erblich ist, so geschieht es oft, daß der Sohn eines Mandarins ein armer Mann wird, während ein Bauernsohn sich durch geistige Gaben oder Intriguen zu den höchsten Ehren aufschwingt. Sklaven kennt man in Aram nicht, aus¬ genommen die Moi, Wilde der östlichen Gebirge, welche zuweilen in den Niederungen perkauft werden. Am stärksten bewohnt ist Tongking. dann der Norden von Kochinchina. Die Regierungsform des Landes ist der Despotis¬ mus, indeß ist der Kaiser oft nur dem Namen nach der absolute Herrscher, und unter den letzten beiden Kaisern beherrschte der Großmandarin Kue, Schwiegervater des gegenwärtigen Kaisers, das Land fast ohne alle Controle. Ober- und Mittelkochinchma haben nur kleine Flüsse. Dagegen wird Tong¬ king von dem großen Fluß Song Ka durchströmt, an welchem die Hauptstadt Kecho liegt, und Niederkochinchina besitzt außer dem diesen Flusse, welcher in den vortrefflichen Hafen von Saigong mündet und bis zu der 18 Meilen vom Meere gelegenen Hauptstadt der Provinz Gladius sür Seeschiffe fahrbar ist, den gewaltigen Strom Methong, dessen Arme Meeresarmen gleichen, und wel¬ cher einer der größten Ströme Asiens ist. Niederkochinchina ist eine unge¬ heure Ebene, die vortrefflich zum Ackerbau und wegen ihrer zahlreichen Flüsse und Kanäle auch für den Handelsverkehr besonders geeignet ist. „In der That," sagt unser französischer Gewährsmann, seine Gedanken verrathend, „die Europäer würden daraus ein neues Java machen, wenn das Land in ihren Händen wäre." Das Klima allerdings ist nicht zu loben. Es ist außer¬ ordentlich heiß und zugleich sehr feucht und infolge dessen der Gesundheit wenig zuträglich. Fieber und Dyssenterie sind zu allen Jahreszeiten an der Tagesordnung. Von wilden Thieren, namentlich von Schlangen und Krokodilen wim¬ melt es in Aram. Von letzteren trifft man häusig Exemplare, welche eine Länge von 15 Schuh haben, und wenn man die Wälder und Wüsten des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/386>, abgerufen am 24.07.2024.