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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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wieder anzuknüpfen. Er sandte drei Mandarinen untergeordneten Ranges
nach Paris. Ader Ludwig Philipp weigerte sich, ihnen Audienz zu ertheilen.
Diese Abweisung beunruhigte sie wenig; denn sie waren überzeugt, daß die
französische Regierung keine Neigung hatte, mit den Waffen gegen ihren Herrn
einzuschreiten.

Minh Mens starb im Januar 1841 an den Folgen eines Sturzes vom
Pferde. Ihm folgte .sein Sohn Tiu Tri, welcher die Verfolgung der Christen
weniger eifrig fortsetzte und ziemlich friedlich regierte. Ludwig Philipp schickte
im Jahre 1847 die Fregatte Gloire und die Korvette Victoricuse uach Aram,
um einen Versuch zu machen, ob der jetzige Herrscher den Fremden geneigter
sei als sein Vorgänger. Es kam aber gar nicht zu Unterhandlungen. Als
die Schiffe in die Bucht von Turon einliefen, erhielt der Befehlshaber des
Geschwaders, Lapierre, von den Mandarinen die Einladung, am Lande zu
speisen. Er entsprach dieser Aufforderung mit seinen Offizieren, entdeckte aber
noch zu rechter Zeit durch einen Brief, den er auffing, daß die Anamiten den
Plan hatten, die Offiziere während des Gastmahls zu überfallen und umzu¬
bringen und dann die ihrer Führer beraubten Schiffe anzugreifen und zu ver¬
nichten. Der französische Befehlshaber schiffte sich sofort wieder ein und kam
dann seinen Gegnern zuvor. Er ging aus die anamitische Flotte los, die
aus einer großen Anzahl von Dschonken und mehren schönen Korvetten
bestand, und zerstörte sie fast vollständig. Zwischen 1000 und 1200 Feinde
verloren in diesem Treffen das Leben, die Franzosen hatten nur einen Todten
und etwa ein Dutzend Verwundete. Aus die Nachricht von diesem Unfall ließ
Tiu Tri, außer sich vor Zorn, alle europäischen Gegenstände, die sich in seinem
Palast vorfanden, zerschlagen, auch wird (von den Missionären) erzählt, er
habe sich dadurch gerächt, daß er von seinen, Soldaten eine Anzahl in fran¬
zösische Uniformen gesteckte Strohmänner oder Holzpuppcn habe zerschießen
lassen. Diese Rache scheint indeß seinen Verdruß über den Verlust seiner Flotte
nicht beschwichtigt zu haben; denn er starb wenige Monate nach jener Nieder¬
lage und man sagte, diese habe seinen Tod beschleunigt.

Aus Tiu Tri folgte auf dem Throne von Aram sein Sohn Tü Duk, ein
junger Mann von 28 Jahren. Derselbe gelangte durch eine Palastrevolution
zur Krone, welche dem Rechte nach seinem älteren Bruder Aus Fong gebührte.
Dieser versuchte wiederholt, sich der Negierung zu bemächtigen, aber seine Un¬
ternehmungen schlugen fehl. Er wurde gefangen genommen, in Ketten gelegt
und von seinem Bruder genöthigt, sich im Gefängniß selbst zu entleihen. Tü
Duk sandte ihm zur Auswahl Gift, eine Schnur und ein Schwert. Die
Negierung Tü Düks ist den Europäern und dem Christenthum ebenso feind,
als die früheren. Der jetzige Kaiser will durchaus nichts mit den "Barbaren
des Westens" zu schaffen haben. Er meint, und der Hof von Peking bestärkt


wieder anzuknüpfen. Er sandte drei Mandarinen untergeordneten Ranges
nach Paris. Ader Ludwig Philipp weigerte sich, ihnen Audienz zu ertheilen.
Diese Abweisung beunruhigte sie wenig; denn sie waren überzeugt, daß die
französische Regierung keine Neigung hatte, mit den Waffen gegen ihren Herrn
einzuschreiten.

Minh Mens starb im Januar 1841 an den Folgen eines Sturzes vom
Pferde. Ihm folgte .sein Sohn Tiu Tri, welcher die Verfolgung der Christen
weniger eifrig fortsetzte und ziemlich friedlich regierte. Ludwig Philipp schickte
im Jahre 1847 die Fregatte Gloire und die Korvette Victoricuse uach Aram,
um einen Versuch zu machen, ob der jetzige Herrscher den Fremden geneigter
sei als sein Vorgänger. Es kam aber gar nicht zu Unterhandlungen. Als
die Schiffe in die Bucht von Turon einliefen, erhielt der Befehlshaber des
Geschwaders, Lapierre, von den Mandarinen die Einladung, am Lande zu
speisen. Er entsprach dieser Aufforderung mit seinen Offizieren, entdeckte aber
noch zu rechter Zeit durch einen Brief, den er auffing, daß die Anamiten den
Plan hatten, die Offiziere während des Gastmahls zu überfallen und umzu¬
bringen und dann die ihrer Führer beraubten Schiffe anzugreifen und zu ver¬
nichten. Der französische Befehlshaber schiffte sich sofort wieder ein und kam
dann seinen Gegnern zuvor. Er ging aus die anamitische Flotte los, die
aus einer großen Anzahl von Dschonken und mehren schönen Korvetten
bestand, und zerstörte sie fast vollständig. Zwischen 1000 und 1200 Feinde
verloren in diesem Treffen das Leben, die Franzosen hatten nur einen Todten
und etwa ein Dutzend Verwundete. Aus die Nachricht von diesem Unfall ließ
Tiu Tri, außer sich vor Zorn, alle europäischen Gegenstände, die sich in seinem
Palast vorfanden, zerschlagen, auch wird (von den Missionären) erzählt, er
habe sich dadurch gerächt, daß er von seinen, Soldaten eine Anzahl in fran¬
zösische Uniformen gesteckte Strohmänner oder Holzpuppcn habe zerschießen
lassen. Diese Rache scheint indeß seinen Verdruß über den Verlust seiner Flotte
nicht beschwichtigt zu haben; denn er starb wenige Monate nach jener Nieder¬
lage und man sagte, diese habe seinen Tod beschleunigt.

Aus Tiu Tri folgte auf dem Throne von Aram sein Sohn Tü Duk, ein
junger Mann von 28 Jahren. Derselbe gelangte durch eine Palastrevolution
zur Krone, welche dem Rechte nach seinem älteren Bruder Aus Fong gebührte.
Dieser versuchte wiederholt, sich der Negierung zu bemächtigen, aber seine Un¬
ternehmungen schlugen fehl. Er wurde gefangen genommen, in Ketten gelegt
und von seinem Bruder genöthigt, sich im Gefängniß selbst zu entleihen. Tü
Duk sandte ihm zur Auswahl Gift, eine Schnur und ein Schwert. Die
Negierung Tü Düks ist den Europäern und dem Christenthum ebenso feind,
als die früheren. Der jetzige Kaiser will durchaus nichts mit den „Barbaren
des Westens" zu schaffen haben. Er meint, und der Hof von Peking bestärkt


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[0382] wieder anzuknüpfen. Er sandte drei Mandarinen untergeordneten Ranges nach Paris. Ader Ludwig Philipp weigerte sich, ihnen Audienz zu ertheilen. Diese Abweisung beunruhigte sie wenig; denn sie waren überzeugt, daß die französische Regierung keine Neigung hatte, mit den Waffen gegen ihren Herrn einzuschreiten. Minh Mens starb im Januar 1841 an den Folgen eines Sturzes vom Pferde. Ihm folgte .sein Sohn Tiu Tri, welcher die Verfolgung der Christen weniger eifrig fortsetzte und ziemlich friedlich regierte. Ludwig Philipp schickte im Jahre 1847 die Fregatte Gloire und die Korvette Victoricuse uach Aram, um einen Versuch zu machen, ob der jetzige Herrscher den Fremden geneigter sei als sein Vorgänger. Es kam aber gar nicht zu Unterhandlungen. Als die Schiffe in die Bucht von Turon einliefen, erhielt der Befehlshaber des Geschwaders, Lapierre, von den Mandarinen die Einladung, am Lande zu speisen. Er entsprach dieser Aufforderung mit seinen Offizieren, entdeckte aber noch zu rechter Zeit durch einen Brief, den er auffing, daß die Anamiten den Plan hatten, die Offiziere während des Gastmahls zu überfallen und umzu¬ bringen und dann die ihrer Führer beraubten Schiffe anzugreifen und zu ver¬ nichten. Der französische Befehlshaber schiffte sich sofort wieder ein und kam dann seinen Gegnern zuvor. Er ging aus die anamitische Flotte los, die aus einer großen Anzahl von Dschonken und mehren schönen Korvetten bestand, und zerstörte sie fast vollständig. Zwischen 1000 und 1200 Feinde verloren in diesem Treffen das Leben, die Franzosen hatten nur einen Todten und etwa ein Dutzend Verwundete. Aus die Nachricht von diesem Unfall ließ Tiu Tri, außer sich vor Zorn, alle europäischen Gegenstände, die sich in seinem Palast vorfanden, zerschlagen, auch wird (von den Missionären) erzählt, er habe sich dadurch gerächt, daß er von seinen, Soldaten eine Anzahl in fran¬ zösische Uniformen gesteckte Strohmänner oder Holzpuppcn habe zerschießen lassen. Diese Rache scheint indeß seinen Verdruß über den Verlust seiner Flotte nicht beschwichtigt zu haben; denn er starb wenige Monate nach jener Nieder¬ lage und man sagte, diese habe seinen Tod beschleunigt. Aus Tiu Tri folgte auf dem Throne von Aram sein Sohn Tü Duk, ein junger Mann von 28 Jahren. Derselbe gelangte durch eine Palastrevolution zur Krone, welche dem Rechte nach seinem älteren Bruder Aus Fong gebührte. Dieser versuchte wiederholt, sich der Negierung zu bemächtigen, aber seine Un¬ ternehmungen schlugen fehl. Er wurde gefangen genommen, in Ketten gelegt und von seinem Bruder genöthigt, sich im Gefängniß selbst zu entleihen. Tü Duk sandte ihm zur Auswahl Gift, eine Schnur und ein Schwert. Die Negierung Tü Düks ist den Europäern und dem Christenthum ebenso feind, als die früheren. Der jetzige Kaiser will durchaus nichts mit den „Barbaren des Westens" zu schaffen haben. Er meint, und der Hof von Peking bestärkt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/382>, abgerufen am 24.07.2024.