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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Die Ancimiten werden dies vermuthlich der Wahl des Namens Schialong zu¬
schreiben, den er sich und seiner Rcgierungsperiode 1802 vor jenem Feldzug.
nach Tongking beilegte, und welcher "Gunst des Glückes" bedeutet. Die Fran¬
zosen meinen aber, daß sein Glück sich von der Hilfe herschreibe, welche ihm
von Frankreich kam. Sie haben darin unzweifelhaft recht, nicht aber mit
der Behauptung, daß die Kaiser von Aram nun auch gehalten seien, jenen
Bertrag von 173? zu erfüllen. Die Hilfe, welche jene französischen Offiziere
und Techniker leisteten, war die Hilfe von Privatleuten. Der Staat Frank¬
reich hat als solcher nichts geleistet, und kann als solcher auch keine Gegen¬
leistung beanspruchen. Jene Privatleute haben ihren Lohn reichlich erhalten,
sie haben wenigstens niemals Anspruch auf mehr erhoben.

Schialong hatte übrigens bei Zeiten eingesehen, nicht blos, welchen Nutzen
ihm die Fremden gewährten, sondern auch, welche Gefahr mit ihnen einge¬
treten war. Er verwendete die von ihnen vertretenen Kenntnisse und Ge-
schicklichkeiten in sehr verständiger Weise auch im Frieden, baute mit ihrer
Hilfe Straßen und Werfte, Festungen und Schiffe, richtete Salpcterfabriken
ein und ließ sich eine gute Anzahl Geschütze gießen. Er nahm sich aber zu¬
gleich in Acht, sie in hohe Stellungen zu bringen und ertheilte, als er im
Jahre 1820 starb, seinem Nachfolger den Rath, sich mit den Europäern so
wenig als möglich einzulassen, vor allem aber sich zu hüten, ihrem Verlangen
nach Landabtretungen zu entsprechen. Die Franzosen hatten ein solches
Verlangen bald nach Wiedereinsetzung der Bourbonen auf Grund jenes Ver¬
trags von 1787 gestellt, waren aber von Schialong kurz abgewiesen worden.

Der Nachfolger Schialongs war sein zweiter Sohn, welcher beim Re¬
gierungsantritt den Namen Minh Mens, d. i. glänzendes Schicksal, annahm.
Er folgte dem Rathe seines Vaters in Betreff seiner französischen Mandarinen.
Als er kurz nach seiner Thronbesteigung im Namen Ludwigs des Achtzehnter durch
einen Herrn Chaigneau, den man in Paris zum Konsul sür Aram ernannt,
werthvolle Geschenke empfing, sandte er dieselben zurück. Jenen Chaigneau, der
seinem Vater längere Zeit wichtige Dienste geleistet, nöthigte er durch Ver¬
nachlässigung, sich mit seiner Familie 1824 aus dem Lande zu entfernen.
Bald nachher verließen auch die übrigen Mandarinen europäischer Abstammung
das Reich. 1325 erschien ein zweiter Abgesandter Frankreichs in der Person
de Bougainvilles mit den alten Forderungen, er wurde indeß gar nicht zur
Audienz gelassen. Um dieselbe Zeit begannen auch Verfolgungen gegen die
französischen und spanischen Missionäre/) welche unter dem niedern Volke Altans
schon seit Jahrzehnten ziemlich viele Proselyten gemacht hatten. Der Grund



') Der erste christliche Glaubensbote in Kochinchina war der Dominicaner Diego Advarte
(1596), Er machte viele Proselyten, wurde aber, als ihm bald nachher spanische Soldaten
folgten, verjagt. Später gründeten Jesuiten neue christliche Gemeinden im Lande (1615).

Die Ancimiten werden dies vermuthlich der Wahl des Namens Schialong zu¬
schreiben, den er sich und seiner Rcgierungsperiode 1802 vor jenem Feldzug.
nach Tongking beilegte, und welcher „Gunst des Glückes" bedeutet. Die Fran¬
zosen meinen aber, daß sein Glück sich von der Hilfe herschreibe, welche ihm
von Frankreich kam. Sie haben darin unzweifelhaft recht, nicht aber mit
der Behauptung, daß die Kaiser von Aram nun auch gehalten seien, jenen
Bertrag von 173? zu erfüllen. Die Hilfe, welche jene französischen Offiziere
und Techniker leisteten, war die Hilfe von Privatleuten. Der Staat Frank¬
reich hat als solcher nichts geleistet, und kann als solcher auch keine Gegen¬
leistung beanspruchen. Jene Privatleute haben ihren Lohn reichlich erhalten,
sie haben wenigstens niemals Anspruch auf mehr erhoben.

Schialong hatte übrigens bei Zeiten eingesehen, nicht blos, welchen Nutzen
ihm die Fremden gewährten, sondern auch, welche Gefahr mit ihnen einge¬
treten war. Er verwendete die von ihnen vertretenen Kenntnisse und Ge-
schicklichkeiten in sehr verständiger Weise auch im Frieden, baute mit ihrer
Hilfe Straßen und Werfte, Festungen und Schiffe, richtete Salpcterfabriken
ein und ließ sich eine gute Anzahl Geschütze gießen. Er nahm sich aber zu¬
gleich in Acht, sie in hohe Stellungen zu bringen und ertheilte, als er im
Jahre 1820 starb, seinem Nachfolger den Rath, sich mit den Europäern so
wenig als möglich einzulassen, vor allem aber sich zu hüten, ihrem Verlangen
nach Landabtretungen zu entsprechen. Die Franzosen hatten ein solches
Verlangen bald nach Wiedereinsetzung der Bourbonen auf Grund jenes Ver¬
trags von 1787 gestellt, waren aber von Schialong kurz abgewiesen worden.

Der Nachfolger Schialongs war sein zweiter Sohn, welcher beim Re¬
gierungsantritt den Namen Minh Mens, d. i. glänzendes Schicksal, annahm.
Er folgte dem Rathe seines Vaters in Betreff seiner französischen Mandarinen.
Als er kurz nach seiner Thronbesteigung im Namen Ludwigs des Achtzehnter durch
einen Herrn Chaigneau, den man in Paris zum Konsul sür Aram ernannt,
werthvolle Geschenke empfing, sandte er dieselben zurück. Jenen Chaigneau, der
seinem Vater längere Zeit wichtige Dienste geleistet, nöthigte er durch Ver¬
nachlässigung, sich mit seiner Familie 1824 aus dem Lande zu entfernen.
Bald nachher verließen auch die übrigen Mandarinen europäischer Abstammung
das Reich. 1325 erschien ein zweiter Abgesandter Frankreichs in der Person
de Bougainvilles mit den alten Forderungen, er wurde indeß gar nicht zur
Audienz gelassen. Um dieselbe Zeit begannen auch Verfolgungen gegen die
französischen und spanischen Missionäre/) welche unter dem niedern Volke Altans
schon seit Jahrzehnten ziemlich viele Proselyten gemacht hatten. Der Grund



') Der erste christliche Glaubensbote in Kochinchina war der Dominicaner Diego Advarte
(1596), Er machte viele Proselyten, wurde aber, als ihm bald nachher spanische Soldaten
folgten, verjagt. Später gründeten Jesuiten neue christliche Gemeinden im Lande (1615).
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[0380] Die Ancimiten werden dies vermuthlich der Wahl des Namens Schialong zu¬ schreiben, den er sich und seiner Rcgierungsperiode 1802 vor jenem Feldzug. nach Tongking beilegte, und welcher „Gunst des Glückes" bedeutet. Die Fran¬ zosen meinen aber, daß sein Glück sich von der Hilfe herschreibe, welche ihm von Frankreich kam. Sie haben darin unzweifelhaft recht, nicht aber mit der Behauptung, daß die Kaiser von Aram nun auch gehalten seien, jenen Bertrag von 173? zu erfüllen. Die Hilfe, welche jene französischen Offiziere und Techniker leisteten, war die Hilfe von Privatleuten. Der Staat Frank¬ reich hat als solcher nichts geleistet, und kann als solcher auch keine Gegen¬ leistung beanspruchen. Jene Privatleute haben ihren Lohn reichlich erhalten, sie haben wenigstens niemals Anspruch auf mehr erhoben. Schialong hatte übrigens bei Zeiten eingesehen, nicht blos, welchen Nutzen ihm die Fremden gewährten, sondern auch, welche Gefahr mit ihnen einge¬ treten war. Er verwendete die von ihnen vertretenen Kenntnisse und Ge- schicklichkeiten in sehr verständiger Weise auch im Frieden, baute mit ihrer Hilfe Straßen und Werfte, Festungen und Schiffe, richtete Salpcterfabriken ein und ließ sich eine gute Anzahl Geschütze gießen. Er nahm sich aber zu¬ gleich in Acht, sie in hohe Stellungen zu bringen und ertheilte, als er im Jahre 1820 starb, seinem Nachfolger den Rath, sich mit den Europäern so wenig als möglich einzulassen, vor allem aber sich zu hüten, ihrem Verlangen nach Landabtretungen zu entsprechen. Die Franzosen hatten ein solches Verlangen bald nach Wiedereinsetzung der Bourbonen auf Grund jenes Ver¬ trags von 1787 gestellt, waren aber von Schialong kurz abgewiesen worden. Der Nachfolger Schialongs war sein zweiter Sohn, welcher beim Re¬ gierungsantritt den Namen Minh Mens, d. i. glänzendes Schicksal, annahm. Er folgte dem Rathe seines Vaters in Betreff seiner französischen Mandarinen. Als er kurz nach seiner Thronbesteigung im Namen Ludwigs des Achtzehnter durch einen Herrn Chaigneau, den man in Paris zum Konsul sür Aram ernannt, werthvolle Geschenke empfing, sandte er dieselben zurück. Jenen Chaigneau, der seinem Vater längere Zeit wichtige Dienste geleistet, nöthigte er durch Ver¬ nachlässigung, sich mit seiner Familie 1824 aus dem Lande zu entfernen. Bald nachher verließen auch die übrigen Mandarinen europäischer Abstammung das Reich. 1325 erschien ein zweiter Abgesandter Frankreichs in der Person de Bougainvilles mit den alten Forderungen, er wurde indeß gar nicht zur Audienz gelassen. Um dieselbe Zeit begannen auch Verfolgungen gegen die französischen und spanischen Missionäre/) welche unter dem niedern Volke Altans schon seit Jahrzehnten ziemlich viele Proselyten gemacht hatten. Der Grund ') Der erste christliche Glaubensbote in Kochinchina war der Dominicaner Diego Advarte (1596), Er machte viele Proselyten, wurde aber, als ihm bald nachher spanische Soldaten folgten, verjagt. Später gründeten Jesuiten neue christliche Gemeinden im Lande (1615).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/380>, abgerufen am 24.07.2024.