Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

über den untern Theil des Landes aufwarf und Long Nhung sich zum Sou¬
verän Oberkochinchinas ausrufen ließ.

Long Nhung griff, nachdem ihn sein älterer Bruder anerkannt, im Jahre
1788 von neuem Tongking an, verjagte den dortigen König, schlug und ver¬
nichtete eine chinesische Armee, die letztern wieder einsetzen sollte, und machte sich
nach diesem Siege zum Herrn des Landes, worauf er den Namen Knäng Trong
annahm. Gegen Ngnucn Aus, den Verbündeten Frankreichs, sollte er weniger
glücklich sein. Der Vertrag von 1787 allerdings kam nicht zur Ausführung.
Aber durch die Sendung des Bischofs von Abram war die Aufmerksamkeit in
Frankreich und ganz Europa auf Kochinchina gelenkt worden. Der Bischof
selbst hatte mit Privatmitteln einige Schiffe ausgerüstet und eine Anzahl
französischer Ingenieure und Offiziere gewonnen, um seinem Freund zu Hilfe
zu kommen. Auch England und Schottland lieferten ihm ein Contingent
geschickter und unternehmungslustiger Militärs und Schiffsbauer. Diese Männer
wurden von Nguyen Aus wohl aufgenommen und sofort zu Mandarinen er¬
nannt, in welcher Eigenschaft sie ihm sein Heer aus europäische Weise ein¬
übten, ihm eine kleine Flotte schufen, Waffenschmieden, Kanonengießereien und
Zeughäuser einrichteten und verschiedene Festungen anlegten. Der französische
Genieoffizier Olivier baute ihm in Saigong, seiner Residenz, ein starkes Fort
mit Bastionen, Gräben, Zugbrücken, bedeckten Wegen, Glacis und Lunetten
und übte ihm zugleich ein Musketierregiment ein. Die Herrn Dayot und
Varnier bauten ihm eine schöne Fregatte. Andere Offiziere errangen im
Kampf mit dem Rebellenkönig von Niederkochinchina verschiedene kleine Er¬
folge, und als letzterer 1789 starb, gelang es Nguyen Aus sich wieder in den
Besitz dieses Theils seines Erbes zu setzen. Hierdurch ermuthigt, wagte der
Kaiser einen kühnem Streich. Er versammelte ein kleines Geschwader, dem
sich die neue Fregatte mit Oliviers Musketieren anschloß und ging mit dieser
Macht nach dem Hafen Kul Rhön, wo sich die gesammte Flotte des ältesten
der Rebellenkönige befand. Er gedachte dabei nur dem Gegner einen Schlag
beizubringen, um ihn an einem Angriff seinerseits zu verhindern, allein sein
Plan hatte einen Erfolg, der weit über seine Erwartungen hinausging. Er
drang in den Hafen ein, und wurde von den Rebellendschonken mit großem
Ungestüm angegriffen. Aber die Fregatte entschied den Kampf in wenigen
Stunden. Sämmtliche Fahrzeuge des Thal Duk wurden in den Grund ge¬
bohrt und ebenso vernichtete die kaiserliche Flotte alle Magazine, welche die
Rebellen in der Bucht besaßen.

Der tupsere Knäng Trong erließ dagegen zunächst eine gewaltige Pro-
clamation, in welcher er eine große Armee zu sammeln und damit die Geg¬
ner "wie ein Stück dürren Holzes" zu zerbrechen drohte. Mehr zu thun ver¬
hinderte ihn sein bald nachher erfolgender Tod. Sein Sohn und Nachfolger


über den untern Theil des Landes aufwarf und Long Nhung sich zum Sou¬
verän Oberkochinchinas ausrufen ließ.

Long Nhung griff, nachdem ihn sein älterer Bruder anerkannt, im Jahre
1788 von neuem Tongking an, verjagte den dortigen König, schlug und ver¬
nichtete eine chinesische Armee, die letztern wieder einsetzen sollte, und machte sich
nach diesem Siege zum Herrn des Landes, worauf er den Namen Knäng Trong
annahm. Gegen Ngnucn Aus, den Verbündeten Frankreichs, sollte er weniger
glücklich sein. Der Vertrag von 1787 allerdings kam nicht zur Ausführung.
Aber durch die Sendung des Bischofs von Abram war die Aufmerksamkeit in
Frankreich und ganz Europa auf Kochinchina gelenkt worden. Der Bischof
selbst hatte mit Privatmitteln einige Schiffe ausgerüstet und eine Anzahl
französischer Ingenieure und Offiziere gewonnen, um seinem Freund zu Hilfe
zu kommen. Auch England und Schottland lieferten ihm ein Contingent
geschickter und unternehmungslustiger Militärs und Schiffsbauer. Diese Männer
wurden von Nguyen Aus wohl aufgenommen und sofort zu Mandarinen er¬
nannt, in welcher Eigenschaft sie ihm sein Heer aus europäische Weise ein¬
übten, ihm eine kleine Flotte schufen, Waffenschmieden, Kanonengießereien und
Zeughäuser einrichteten und verschiedene Festungen anlegten. Der französische
Genieoffizier Olivier baute ihm in Saigong, seiner Residenz, ein starkes Fort
mit Bastionen, Gräben, Zugbrücken, bedeckten Wegen, Glacis und Lunetten
und übte ihm zugleich ein Musketierregiment ein. Die Herrn Dayot und
Varnier bauten ihm eine schöne Fregatte. Andere Offiziere errangen im
Kampf mit dem Rebellenkönig von Niederkochinchina verschiedene kleine Er¬
folge, und als letzterer 1789 starb, gelang es Nguyen Aus sich wieder in den
Besitz dieses Theils seines Erbes zu setzen. Hierdurch ermuthigt, wagte der
Kaiser einen kühnem Streich. Er versammelte ein kleines Geschwader, dem
sich die neue Fregatte mit Oliviers Musketieren anschloß und ging mit dieser
Macht nach dem Hafen Kul Rhön, wo sich die gesammte Flotte des ältesten
der Rebellenkönige befand. Er gedachte dabei nur dem Gegner einen Schlag
beizubringen, um ihn an einem Angriff seinerseits zu verhindern, allein sein
Plan hatte einen Erfolg, der weit über seine Erwartungen hinausging. Er
drang in den Hafen ein, und wurde von den Rebellendschonken mit großem
Ungestüm angegriffen. Aber die Fregatte entschied den Kampf in wenigen
Stunden. Sämmtliche Fahrzeuge des Thal Duk wurden in den Grund ge¬
bohrt und ebenso vernichtete die kaiserliche Flotte alle Magazine, welche die
Rebellen in der Bucht besaßen.

Der tupsere Knäng Trong erließ dagegen zunächst eine gewaltige Pro-
clamation, in welcher er eine große Armee zu sammeln und damit die Geg¬
ner „wie ein Stück dürren Holzes" zu zerbrechen drohte. Mehr zu thun ver¬
hinderte ihn sein bald nachher erfolgender Tod. Sein Sohn und Nachfolger


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0377" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187329"/>
          <p xml:id="ID_1051" prev="#ID_1050"> über den untern Theil des Landes aufwarf und Long Nhung sich zum Sou¬<lb/>
verän Oberkochinchinas ausrufen ließ.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1052"> Long Nhung griff, nachdem ihn sein älterer Bruder anerkannt, im Jahre<lb/>
1788 von neuem Tongking an, verjagte den dortigen König, schlug und ver¬<lb/>
nichtete eine chinesische Armee, die letztern wieder einsetzen sollte, und machte sich<lb/>
nach diesem Siege zum Herrn des Landes, worauf er den Namen Knäng Trong<lb/>
annahm. Gegen Ngnucn Aus, den Verbündeten Frankreichs, sollte er weniger<lb/>
glücklich sein. Der Vertrag von 1787 allerdings kam nicht zur Ausführung.<lb/>
Aber durch die Sendung des Bischofs von Abram war die Aufmerksamkeit in<lb/>
Frankreich und ganz Europa auf Kochinchina gelenkt worden. Der Bischof<lb/>
selbst hatte mit Privatmitteln einige Schiffe ausgerüstet und eine Anzahl<lb/>
französischer Ingenieure und Offiziere gewonnen, um seinem Freund zu Hilfe<lb/>
zu kommen. Auch England und Schottland lieferten ihm ein Contingent<lb/>
geschickter und unternehmungslustiger Militärs und Schiffsbauer. Diese Männer<lb/>
wurden von Nguyen Aus wohl aufgenommen und sofort zu Mandarinen er¬<lb/>
nannt, in welcher Eigenschaft sie ihm sein Heer aus europäische Weise ein¬<lb/>
übten, ihm eine kleine Flotte schufen, Waffenschmieden, Kanonengießereien und<lb/>
Zeughäuser einrichteten und verschiedene Festungen anlegten. Der französische<lb/>
Genieoffizier Olivier baute ihm in Saigong, seiner Residenz, ein starkes Fort<lb/>
mit Bastionen, Gräben, Zugbrücken, bedeckten Wegen, Glacis und Lunetten<lb/>
und übte ihm zugleich ein Musketierregiment ein. Die Herrn Dayot und<lb/>
Varnier bauten ihm eine schöne Fregatte. Andere Offiziere errangen im<lb/>
Kampf mit dem Rebellenkönig von Niederkochinchina verschiedene kleine Er¬<lb/>
folge, und als letzterer 1789 starb, gelang es Nguyen Aus sich wieder in den<lb/>
Besitz dieses Theils seines Erbes zu setzen. Hierdurch ermuthigt, wagte der<lb/>
Kaiser einen kühnem Streich. Er versammelte ein kleines Geschwader, dem<lb/>
sich die neue Fregatte mit Oliviers Musketieren anschloß und ging mit dieser<lb/>
Macht nach dem Hafen Kul Rhön, wo sich die gesammte Flotte des ältesten<lb/>
der Rebellenkönige befand. Er gedachte dabei nur dem Gegner einen Schlag<lb/>
beizubringen, um ihn an einem Angriff seinerseits zu verhindern, allein sein<lb/>
Plan hatte einen Erfolg, der weit über seine Erwartungen hinausging. Er<lb/>
drang in den Hafen ein, und wurde von den Rebellendschonken mit großem<lb/>
Ungestüm angegriffen. Aber die Fregatte entschied den Kampf in wenigen<lb/>
Stunden. Sämmtliche Fahrzeuge des Thal Duk wurden in den Grund ge¬<lb/>
bohrt und ebenso vernichtete die kaiserliche Flotte alle Magazine, welche die<lb/>
Rebellen in der Bucht besaßen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1053" next="#ID_1054"> Der tupsere Knäng Trong erließ dagegen zunächst eine gewaltige Pro-<lb/>
clamation, in welcher er eine große Armee zu sammeln und damit die Geg¬<lb/>
ner &#x201E;wie ein Stück dürren Holzes" zu zerbrechen drohte. Mehr zu thun ver¬<lb/>
hinderte ihn sein bald nachher erfolgender Tod.  Sein Sohn und Nachfolger</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0377] über den untern Theil des Landes aufwarf und Long Nhung sich zum Sou¬ verän Oberkochinchinas ausrufen ließ. Long Nhung griff, nachdem ihn sein älterer Bruder anerkannt, im Jahre 1788 von neuem Tongking an, verjagte den dortigen König, schlug und ver¬ nichtete eine chinesische Armee, die letztern wieder einsetzen sollte, und machte sich nach diesem Siege zum Herrn des Landes, worauf er den Namen Knäng Trong annahm. Gegen Ngnucn Aus, den Verbündeten Frankreichs, sollte er weniger glücklich sein. Der Vertrag von 1787 allerdings kam nicht zur Ausführung. Aber durch die Sendung des Bischofs von Abram war die Aufmerksamkeit in Frankreich und ganz Europa auf Kochinchina gelenkt worden. Der Bischof selbst hatte mit Privatmitteln einige Schiffe ausgerüstet und eine Anzahl französischer Ingenieure und Offiziere gewonnen, um seinem Freund zu Hilfe zu kommen. Auch England und Schottland lieferten ihm ein Contingent geschickter und unternehmungslustiger Militärs und Schiffsbauer. Diese Männer wurden von Nguyen Aus wohl aufgenommen und sofort zu Mandarinen er¬ nannt, in welcher Eigenschaft sie ihm sein Heer aus europäische Weise ein¬ übten, ihm eine kleine Flotte schufen, Waffenschmieden, Kanonengießereien und Zeughäuser einrichteten und verschiedene Festungen anlegten. Der französische Genieoffizier Olivier baute ihm in Saigong, seiner Residenz, ein starkes Fort mit Bastionen, Gräben, Zugbrücken, bedeckten Wegen, Glacis und Lunetten und übte ihm zugleich ein Musketierregiment ein. Die Herrn Dayot und Varnier bauten ihm eine schöne Fregatte. Andere Offiziere errangen im Kampf mit dem Rebellenkönig von Niederkochinchina verschiedene kleine Er¬ folge, und als letzterer 1789 starb, gelang es Nguyen Aus sich wieder in den Besitz dieses Theils seines Erbes zu setzen. Hierdurch ermuthigt, wagte der Kaiser einen kühnem Streich. Er versammelte ein kleines Geschwader, dem sich die neue Fregatte mit Oliviers Musketieren anschloß und ging mit dieser Macht nach dem Hafen Kul Rhön, wo sich die gesammte Flotte des ältesten der Rebellenkönige befand. Er gedachte dabei nur dem Gegner einen Schlag beizubringen, um ihn an einem Angriff seinerseits zu verhindern, allein sein Plan hatte einen Erfolg, der weit über seine Erwartungen hinausging. Er drang in den Hafen ein, und wurde von den Rebellendschonken mit großem Ungestüm angegriffen. Aber die Fregatte entschied den Kampf in wenigen Stunden. Sämmtliche Fahrzeuge des Thal Duk wurden in den Grund ge¬ bohrt und ebenso vernichtete die kaiserliche Flotte alle Magazine, welche die Rebellen in der Bucht besaßen. Der tupsere Knäng Trong erließ dagegen zunächst eine gewaltige Pro- clamation, in welcher er eine große Armee zu sammeln und damit die Geg¬ ner „wie ein Stück dürren Holzes" zu zerbrechen drohte. Mehr zu thun ver¬ hinderte ihn sein bald nachher erfolgender Tod. Sein Sohn und Nachfolger

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/377
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/377>, abgerufen am 24.07.2024.