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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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geschrieben ist. hat seine Schuldigkeit gethan und kann als schätzbares Material
der Zukunft s,ä ave-g, gelegt werden; auch nicht das Bündniß zwischen Frankreich
und Sardinien und die darauf folgende Hochzeit- denn wenn Frankreich dem
kleineren Staat seine Versprechungen nicht erfüllt, so wird dieser schwerlich einen
Oa,sus dolli daraus machen. Die reale Besorgnis) der Börse bezieht sich auf
dieNüstungen, die ununterbrochen fortgehn, und für die doch irgend ein Grund vor¬
handen sein muß. Wenigstens muß doch schließlich irgend wer die Unkosten derselben
bezahlen, und daß in Europa in diesem Augenblick kein Mensch auch nur annähe¬
rungsweise errathen kann, wer dieser sein wird, das sollte die Cabinctc Europas
darauf aufmerksam machen, daß es für den Weltfrieden keineswegs nützlich und ihnen
selbst keineswegs bequem sein kann, wenn irgendwo der Absolutismus aufge¬
richtet wird. In constitutionellen Staaten muß man sich dock einigermaßen dar¬
über erklären, wozu man die Rekruten, Pferde und getrockneten Gemüse ver¬
wenden will.

Daß die Abgeordneten des preußischen Landtags diese Sache zu keiner Demon¬
stration benutzt haben, spricht ebenso für ihren richtigen Takt als ihr ganzes Ver¬
halten. Es ist ein ebenso seltenes als erfreuliches Schauspiel, daß eine Landesver-
tretung der Regierung mit vollem Vertrauen entgegenkommt, und ihr jeden Mißbrauch
aufdeckt, ohne sie irgend in Verlegenheit setzen zu wollen, und daß die Regierung
dies Vertrauen durch das offenste Entgegenkommen und durch die entschiedenste
Bereitwilligkeit, jedem erkannten Mißbrauch abzuhelfen, erwiedert. Diesem segens¬
reichen Verhältniß steht bis jetzt nur ein Factor des Staatslebens entgegen, das
Herrenhaus.

Das Herrenhaus bildet ebenso einen Theil der beschworner Verfassung als der
Landtag überhaupt, und es hätte sür jetzt keinen Sinn, wenn wir darauf hin¬
weisen wollten, daß es innerhalb des preußischen Organismus ein fremdes Glied ist.
Auch hier hat das Beispiel Englands einen unglückseligen Einfluß ausgeübt. Als
die englische Verfassung zu Stande kam, waren die Lords der' Mittelpunkt des
Staatslebens, wenn sie auch ihre Streitigkeiten zum Theil im Unterhaus durch ihre
jüngern Söhne ausfochten; bei uns haben die ehemaligen "Ncichsunmiltclbarcn"
mit dem Preußischen Staatsleben gar nicht zu thun gehabt, und die Elemente, durch
die man sie ergänzt hat, sind leider unter dem Einfluß blinder Parteileidcnschaft
ausgewählt. In England hält sich jetzt das Oberhaus nur durch kluges Nach¬
geben, und auch unsere Pairs sollten bedenken, daß sie alle Veranlassung haben,
das Land mit ihrer höchst exceptionellen Stellung erst zu versöhnen, bevor dies
Institut im Lande Wurzel schlagen kann. Einer entschieden feindlichen Opposition
gegenüber hat die Regierung immer noch ein gesetzliches Mittel in Händen, welches
5 s sie freilich nur im äußersten Nothfall anwenden wird.




Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch -- Verlag von F. L. Herbig
in Leipzig.
Druck von C. <5. Elbert in Leipzig.

geschrieben ist. hat seine Schuldigkeit gethan und kann als schätzbares Material
der Zukunft s,ä ave-g, gelegt werden; auch nicht das Bündniß zwischen Frankreich
und Sardinien und die darauf folgende Hochzeit- denn wenn Frankreich dem
kleineren Staat seine Versprechungen nicht erfüllt, so wird dieser schwerlich einen
Oa,sus dolli daraus machen. Die reale Besorgnis) der Börse bezieht sich auf
dieNüstungen, die ununterbrochen fortgehn, und für die doch irgend ein Grund vor¬
handen sein muß. Wenigstens muß doch schließlich irgend wer die Unkosten derselben
bezahlen, und daß in Europa in diesem Augenblick kein Mensch auch nur annähe¬
rungsweise errathen kann, wer dieser sein wird, das sollte die Cabinctc Europas
darauf aufmerksam machen, daß es für den Weltfrieden keineswegs nützlich und ihnen
selbst keineswegs bequem sein kann, wenn irgendwo der Absolutismus aufge¬
richtet wird. In constitutionellen Staaten muß man sich dock einigermaßen dar¬
über erklären, wozu man die Rekruten, Pferde und getrockneten Gemüse ver¬
wenden will.

Daß die Abgeordneten des preußischen Landtags diese Sache zu keiner Demon¬
stration benutzt haben, spricht ebenso für ihren richtigen Takt als ihr ganzes Ver¬
halten. Es ist ein ebenso seltenes als erfreuliches Schauspiel, daß eine Landesver-
tretung der Regierung mit vollem Vertrauen entgegenkommt, und ihr jeden Mißbrauch
aufdeckt, ohne sie irgend in Verlegenheit setzen zu wollen, und daß die Regierung
dies Vertrauen durch das offenste Entgegenkommen und durch die entschiedenste
Bereitwilligkeit, jedem erkannten Mißbrauch abzuhelfen, erwiedert. Diesem segens¬
reichen Verhältniß steht bis jetzt nur ein Factor des Staatslebens entgegen, das
Herrenhaus.

Das Herrenhaus bildet ebenso einen Theil der beschworner Verfassung als der
Landtag überhaupt, und es hätte sür jetzt keinen Sinn, wenn wir darauf hin¬
weisen wollten, daß es innerhalb des preußischen Organismus ein fremdes Glied ist.
Auch hier hat das Beispiel Englands einen unglückseligen Einfluß ausgeübt. Als
die englische Verfassung zu Stande kam, waren die Lords der' Mittelpunkt des
Staatslebens, wenn sie auch ihre Streitigkeiten zum Theil im Unterhaus durch ihre
jüngern Söhne ausfochten; bei uns haben die ehemaligen „Ncichsunmiltclbarcn"
mit dem Preußischen Staatsleben gar nicht zu thun gehabt, und die Elemente, durch
die man sie ergänzt hat, sind leider unter dem Einfluß blinder Parteileidcnschaft
ausgewählt. In England hält sich jetzt das Oberhaus nur durch kluges Nach¬
geben, und auch unsere Pairs sollten bedenken, daß sie alle Veranlassung haben,
das Land mit ihrer höchst exceptionellen Stellung erst zu versöhnen, bevor dies
Institut im Lande Wurzel schlagen kann. Einer entschieden feindlichen Opposition
gegenüber hat die Regierung immer noch ein gesetzliches Mittel in Händen, welches
5 s sie freilich nur im äußersten Nothfall anwenden wird.




Verantwortlicher Redacteur: v. Moritz Busch — Verlag von F. L. Herbig
in Leipzig.
Druck von C. <5. Elbert in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/370>, abgerufen am 24.07.2024.