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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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die Franzosen den Unternehmungen der Engländer über den ganzen Erdkreis
nach; lediglich aus Selbstüberschätzung suchen sie sich in die britischen Inter¬
essen und Angelegenheiten einzudrängen", und zwar sei Aegypten hauptsächlich
der Tummelplatz ihrer abenteuerlichen Rührigkeit. Der Plan des Suezkanals,
thöricht und unausführbar, sei nur dieser französischen Glücksjägerei und Na-
tionaleifersucht entsprungen. Man verfolge mit ihm angeblich Handels- und
Schiffahrtözwecke, aber habe man nur erst den Fernau der Pforte in Händen,
so werde man gewiß keinen Kanal bauen, sondern das Privilegium zur Fest¬
setzung einer französischen Gesellschaft unter französischem Regierungsschutz be¬
nutzen, um die Vervollkommnung des britischen Transitsystems zu hindern,
und den Engländern bei ihren großen Arbeiten stets "die Rechte der Lesseps-
schen Gesellschaft" entgegenstellen.

Wir glauben, daß das Cityblatt hier auf der einen Seite zu viel sagt
und auf der audern die Hauptsache verschweigt, v. Lesseps mag in der Art
seines Auftretens Züge von Abenteuerlichkeit und Jndustrieritterlichkeit zeigen;
daß er aber wirklich an den Bau des Kanals denkt, scheint uns unzweifel¬
haft. Es wäre wenigstens, wenn er die gesammelten Gelder zu andern
Zwecken verwendete, ein Betrug, wie er so kolossal von der Sonne noch nicht
gesehen worden. Im Uebrigen hat England nicht das Recht, sich darüber
zu beklagen, wenn man ihm Concurrenz macht; denn einmal thut es des¬
gleichen auf allen Punkten, wo es einen Bortheil erblickt, und dann gilt hier
wie überall der Satz: Wehre sich wer kann.

Andere Bedenken sind stichhaltiger. Die französische Regierung würde
nwglicherweise durch Verträge das Mitbesctzungsrecht in den nöthigen Befe¬
stigungen des Weltkanals erlangen. ^ Französische Handelsagenten, Consuln,
Polizeimänner und'Schutzwachen der Waarcnniederlagen würden auftreten und
mit der militärischen Entschiedenheit, die man von den Schiffen der Uvssa-
Mi'ius imxerialo" her zur Genüge kennt, sich den Aegyptern gegenüber Gel¬
tung verschaffen. Eine französische Gesellschaft nach der andern würde sich
als Zweig nus dem Grundstock der Suezcompaguie entwickeln, sich bei der
Regierung des Landes Privilegien für allerhand Unternehmungen erschleichen
oder nach Befinden erzwingen und die Thätigkeit der Briten durchkreuzen und
lahmen. Diese Concurrenz auszuhalten, würde für England deshalb schwie¬
rig sein, weil der jetzige ägyptische Herrscher entschieden französisch gesinnt ist,
und weil Frankreich näher bei Aegypten liegt, als England.

Das ist aber noch nicht alles. Die Bestrebungen der Franzosen in Ae¬
gypten gehen über das handelspolitische Feld hinaus, sie gehen auch über die
Grenzen Aegyptens hinaus. Wie Nußland daraus hinarbeitete, das schwarze
Meer in einen russischen See zu verwandeln, so strebt Frankreich darnach,
aus dem Mittelmeer einen französischen See zu machen. Frankreich hat Al-


die Franzosen den Unternehmungen der Engländer über den ganzen Erdkreis
nach; lediglich aus Selbstüberschätzung suchen sie sich in die britischen Inter¬
essen und Angelegenheiten einzudrängen", und zwar sei Aegypten hauptsächlich
der Tummelplatz ihrer abenteuerlichen Rührigkeit. Der Plan des Suezkanals,
thöricht und unausführbar, sei nur dieser französischen Glücksjägerei und Na-
tionaleifersucht entsprungen. Man verfolge mit ihm angeblich Handels- und
Schiffahrtözwecke, aber habe man nur erst den Fernau der Pforte in Händen,
so werde man gewiß keinen Kanal bauen, sondern das Privilegium zur Fest¬
setzung einer französischen Gesellschaft unter französischem Regierungsschutz be¬
nutzen, um die Vervollkommnung des britischen Transitsystems zu hindern,
und den Engländern bei ihren großen Arbeiten stets „die Rechte der Lesseps-
schen Gesellschaft" entgegenstellen.

Wir glauben, daß das Cityblatt hier auf der einen Seite zu viel sagt
und auf der audern die Hauptsache verschweigt, v. Lesseps mag in der Art
seines Auftretens Züge von Abenteuerlichkeit und Jndustrieritterlichkeit zeigen;
daß er aber wirklich an den Bau des Kanals denkt, scheint uns unzweifel¬
haft. Es wäre wenigstens, wenn er die gesammelten Gelder zu andern
Zwecken verwendete, ein Betrug, wie er so kolossal von der Sonne noch nicht
gesehen worden. Im Uebrigen hat England nicht das Recht, sich darüber
zu beklagen, wenn man ihm Concurrenz macht; denn einmal thut es des¬
gleichen auf allen Punkten, wo es einen Bortheil erblickt, und dann gilt hier
wie überall der Satz: Wehre sich wer kann.

Andere Bedenken sind stichhaltiger. Die französische Regierung würde
nwglicherweise durch Verträge das Mitbesctzungsrecht in den nöthigen Befe¬
stigungen des Weltkanals erlangen. ^ Französische Handelsagenten, Consuln,
Polizeimänner und'Schutzwachen der Waarcnniederlagen würden auftreten und
mit der militärischen Entschiedenheit, die man von den Schiffen der Uvssa-
Mi'ius imxerialo» her zur Genüge kennt, sich den Aegyptern gegenüber Gel¬
tung verschaffen. Eine französische Gesellschaft nach der andern würde sich
als Zweig nus dem Grundstock der Suezcompaguie entwickeln, sich bei der
Regierung des Landes Privilegien für allerhand Unternehmungen erschleichen
oder nach Befinden erzwingen und die Thätigkeit der Briten durchkreuzen und
lahmen. Diese Concurrenz auszuhalten, würde für England deshalb schwie¬
rig sein, weil der jetzige ägyptische Herrscher entschieden französisch gesinnt ist,
und weil Frankreich näher bei Aegypten liegt, als England.

Das ist aber noch nicht alles. Die Bestrebungen der Franzosen in Ae¬
gypten gehen über das handelspolitische Feld hinaus, sie gehen auch über die
Grenzen Aegyptens hinaus. Wie Nußland daraus hinarbeitete, das schwarze
Meer in einen russischen See zu verwandeln, so strebt Frankreich darnach,
aus dem Mittelmeer einen französischen See zu machen. Frankreich hat Al-


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[0364] die Franzosen den Unternehmungen der Engländer über den ganzen Erdkreis nach; lediglich aus Selbstüberschätzung suchen sie sich in die britischen Inter¬ essen und Angelegenheiten einzudrängen", und zwar sei Aegypten hauptsächlich der Tummelplatz ihrer abenteuerlichen Rührigkeit. Der Plan des Suezkanals, thöricht und unausführbar, sei nur dieser französischen Glücksjägerei und Na- tionaleifersucht entsprungen. Man verfolge mit ihm angeblich Handels- und Schiffahrtözwecke, aber habe man nur erst den Fernau der Pforte in Händen, so werde man gewiß keinen Kanal bauen, sondern das Privilegium zur Fest¬ setzung einer französischen Gesellschaft unter französischem Regierungsschutz be¬ nutzen, um die Vervollkommnung des britischen Transitsystems zu hindern, und den Engländern bei ihren großen Arbeiten stets „die Rechte der Lesseps- schen Gesellschaft" entgegenstellen. Wir glauben, daß das Cityblatt hier auf der einen Seite zu viel sagt und auf der audern die Hauptsache verschweigt, v. Lesseps mag in der Art seines Auftretens Züge von Abenteuerlichkeit und Jndustrieritterlichkeit zeigen; daß er aber wirklich an den Bau des Kanals denkt, scheint uns unzweifel¬ haft. Es wäre wenigstens, wenn er die gesammelten Gelder zu andern Zwecken verwendete, ein Betrug, wie er so kolossal von der Sonne noch nicht gesehen worden. Im Uebrigen hat England nicht das Recht, sich darüber zu beklagen, wenn man ihm Concurrenz macht; denn einmal thut es des¬ gleichen auf allen Punkten, wo es einen Bortheil erblickt, und dann gilt hier wie überall der Satz: Wehre sich wer kann. Andere Bedenken sind stichhaltiger. Die französische Regierung würde nwglicherweise durch Verträge das Mitbesctzungsrecht in den nöthigen Befe¬ stigungen des Weltkanals erlangen. ^ Französische Handelsagenten, Consuln, Polizeimänner und'Schutzwachen der Waarcnniederlagen würden auftreten und mit der militärischen Entschiedenheit, die man von den Schiffen der Uvssa- Mi'ius imxerialo» her zur Genüge kennt, sich den Aegyptern gegenüber Gel¬ tung verschaffen. Eine französische Gesellschaft nach der andern würde sich als Zweig nus dem Grundstock der Suezcompaguie entwickeln, sich bei der Regierung des Landes Privilegien für allerhand Unternehmungen erschleichen oder nach Befinden erzwingen und die Thätigkeit der Briten durchkreuzen und lahmen. Diese Concurrenz auszuhalten, würde für England deshalb schwie¬ rig sein, weil der jetzige ägyptische Herrscher entschieden französisch gesinnt ist, und weil Frankreich näher bei Aegypten liegt, als England. Das ist aber noch nicht alles. Die Bestrebungen der Franzosen in Ae¬ gypten gehen über das handelspolitische Feld hinaus, sie gehen auch über die Grenzen Aegyptens hinaus. Wie Nußland daraus hinarbeitete, das schwarze Meer in einen russischen See zu verwandeln, so strebt Frankreich darnach, aus dem Mittelmeer einen französischen See zu machen. Frankreich hat Al-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/364>, abgerufen am 24.07.2024.