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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Der Suezkmml.
2.

Sehen wir von allen Hindernissen, welche dem Lessepsschen Unternehmen
entgegenstehen, von dem Flugsand der Wüste und dem Triebsand der beiden
Meere, von widrigen Winden auf der Suczroute und günstigen Winden auf
der Caproute ab. nehmen wir an, daß die Verkehrsströmung zwischen Europa
und Ostasien wirklich so bedeutend, die Verkürzung ihres Wegs durch die
Oeffnung der Landenge wirklich so werthvoll als die Franzosen behaupten, das
Unternehmen also auszuführen und zu erhalten ist, so werden wir immer noch
Zweifel hegen dürfen, ob es jetzt auszuführen ist. Die Weigerung der Pforte,
die Concession Said Paschas zu bestätigen, würde, wenn sie allein stände,
kein dauerndes Hemmniß sein; denn man hat ihr Zugeständnisse abgenöthigt,
die für ihre Existenz verhängnißvoller waren. Aber sie steht eben nicht allem. 2"
ihrer Weigerung weigert sich England, und so lange dieses die Durchstechung der
Landenge von Suez hindern kann, wird es sie hindern. Es würde im Fa^
der Ausführbarkeit derselben sie vielleicht selbst unternehmen,'wenn ihm Aegyp'
ten gehörte, nimmermehr aber wird es dulden, daß Franzosen die Sache aus'
führen.

Ein nochmaliger Rückblick auf die Geschichte der ganzen Angelegenheit
wird die Gründe dafür aufzeigen. Die Verhandlungen über den Handelsweg
über Aegypten sind ausgegangen von der europäischen Diplomatie; erst spätes
wurden sie von den Vertretern der materiellen Interessen aufgenommen. Eng'
land hat zu einer gewissen Zeit allerdings selbst den Plan gehabt, den je^
v. Lesseps, zweifelsohne im Interesse und Auftrag der französischen Regierung-
verfolgt, und es hat ihn nicht blos deshalb aufgegeben, weil es sich überzeugt
daß er auf zu große Schwierigkeiten stoßen und zu geringem Nutzen für seinen
Handel abwerfen würde; ja diese Ueberzeugung steht ihm wol noch jetzt in
zweiter Linie, da neue Erfindungen im Bereich der Schiffahrt manche der
vorigen Abschnitt aufgezeigten Hindernisse überwinden, neue Entwicklungen in
Indien und China den Werth einer Durchfahrt zwischen Asien und Afrika M
England erhöhen können.

Seitdem England seine Angelegenheiten an den Usern des Ganges dalM
gebracht hatte, daß Britisch-Ostindien ein festgeschlofsener handelspolitisch^
Körper geworden, mußte es dahin streben, den nächsten Weg der Verbindung
desselben mit Europa zu gewinnen, und diesen sah es in der Route ub^
Suez und das rothe Meer, So richtete man seine Blicke auf eine derem>Ng^


Der Suezkmml.
2.

Sehen wir von allen Hindernissen, welche dem Lessepsschen Unternehmen
entgegenstehen, von dem Flugsand der Wüste und dem Triebsand der beiden
Meere, von widrigen Winden auf der Suczroute und günstigen Winden auf
der Caproute ab. nehmen wir an, daß die Verkehrsströmung zwischen Europa
und Ostasien wirklich so bedeutend, die Verkürzung ihres Wegs durch die
Oeffnung der Landenge wirklich so werthvoll als die Franzosen behaupten, das
Unternehmen also auszuführen und zu erhalten ist, so werden wir immer noch
Zweifel hegen dürfen, ob es jetzt auszuführen ist. Die Weigerung der Pforte,
die Concession Said Paschas zu bestätigen, würde, wenn sie allein stände,
kein dauerndes Hemmniß sein; denn man hat ihr Zugeständnisse abgenöthigt,
die für ihre Existenz verhängnißvoller waren. Aber sie steht eben nicht allem. 2"
ihrer Weigerung weigert sich England, und so lange dieses die Durchstechung der
Landenge von Suez hindern kann, wird es sie hindern. Es würde im Fa^
der Ausführbarkeit derselben sie vielleicht selbst unternehmen,'wenn ihm Aegyp'
ten gehörte, nimmermehr aber wird es dulden, daß Franzosen die Sache aus'
führen.

Ein nochmaliger Rückblick auf die Geschichte der ganzen Angelegenheit
wird die Gründe dafür aufzeigen. Die Verhandlungen über den Handelsweg
über Aegypten sind ausgegangen von der europäischen Diplomatie; erst spätes
wurden sie von den Vertretern der materiellen Interessen aufgenommen. Eng'
land hat zu einer gewissen Zeit allerdings selbst den Plan gehabt, den je^
v. Lesseps, zweifelsohne im Interesse und Auftrag der französischen Regierung-
verfolgt, und es hat ihn nicht blos deshalb aufgegeben, weil es sich überzeugt
daß er auf zu große Schwierigkeiten stoßen und zu geringem Nutzen für seinen
Handel abwerfen würde; ja diese Ueberzeugung steht ihm wol noch jetzt in
zweiter Linie, da neue Erfindungen im Bereich der Schiffahrt manche der
vorigen Abschnitt aufgezeigten Hindernisse überwinden, neue Entwicklungen in
Indien und China den Werth einer Durchfahrt zwischen Asien und Afrika M
England erhöhen können.

Seitdem England seine Angelegenheiten an den Usern des Ganges dalM
gebracht hatte, daß Britisch-Ostindien ein festgeschlofsener handelspolitisch^
Körper geworden, mußte es dahin streben, den nächsten Weg der Verbindung
desselben mit Europa zu gewinnen, und diesen sah es in der Route ub^
Suez und das rothe Meer, So richtete man seine Blicke auf eine derem>Ng^


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[0358] Der Suezkmml. 2. Sehen wir von allen Hindernissen, welche dem Lessepsschen Unternehmen entgegenstehen, von dem Flugsand der Wüste und dem Triebsand der beiden Meere, von widrigen Winden auf der Suczroute und günstigen Winden auf der Caproute ab. nehmen wir an, daß die Verkehrsströmung zwischen Europa und Ostasien wirklich so bedeutend, die Verkürzung ihres Wegs durch die Oeffnung der Landenge wirklich so werthvoll als die Franzosen behaupten, das Unternehmen also auszuführen und zu erhalten ist, so werden wir immer noch Zweifel hegen dürfen, ob es jetzt auszuführen ist. Die Weigerung der Pforte, die Concession Said Paschas zu bestätigen, würde, wenn sie allein stände, kein dauerndes Hemmniß sein; denn man hat ihr Zugeständnisse abgenöthigt, die für ihre Existenz verhängnißvoller waren. Aber sie steht eben nicht allem. 2" ihrer Weigerung weigert sich England, und so lange dieses die Durchstechung der Landenge von Suez hindern kann, wird es sie hindern. Es würde im Fa^ der Ausführbarkeit derselben sie vielleicht selbst unternehmen,'wenn ihm Aegyp' ten gehörte, nimmermehr aber wird es dulden, daß Franzosen die Sache aus' führen. Ein nochmaliger Rückblick auf die Geschichte der ganzen Angelegenheit wird die Gründe dafür aufzeigen. Die Verhandlungen über den Handelsweg über Aegypten sind ausgegangen von der europäischen Diplomatie; erst spätes wurden sie von den Vertretern der materiellen Interessen aufgenommen. Eng' land hat zu einer gewissen Zeit allerdings selbst den Plan gehabt, den je^ v. Lesseps, zweifelsohne im Interesse und Auftrag der französischen Regierung- verfolgt, und es hat ihn nicht blos deshalb aufgegeben, weil es sich überzeugt daß er auf zu große Schwierigkeiten stoßen und zu geringem Nutzen für seinen Handel abwerfen würde; ja diese Ueberzeugung steht ihm wol noch jetzt in zweiter Linie, da neue Erfindungen im Bereich der Schiffahrt manche der vorigen Abschnitt aufgezeigten Hindernisse überwinden, neue Entwicklungen in Indien und China den Werth einer Durchfahrt zwischen Asien und Afrika M England erhöhen können. Seitdem England seine Angelegenheiten an den Usern des Ganges dalM gebracht hatte, daß Britisch-Ostindien ein festgeschlofsener handelspolitisch^ Körper geworden, mußte es dahin streben, den nächsten Weg der Verbindung desselben mit Europa zu gewinnen, und diesen sah es in der Route ub^ Suez und das rothe Meer, So richtete man seine Blicke auf eine derem>Ng^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/358>, abgerufen am 24.07.2024.