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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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dürste, so ist die für ein einsames Leben, sür ein nützliches Wirken im Stillen,
für Feld und Wald und Bauervolk von jeher gestimmt gewesen; das darf ich
auch noch sagen, daß ich es an gutem Willen, herzlicher Thätigkeit und Treue
nicht werde fehlen lassen; ob ich aber Geschick genug habe, ein Rad in der
Maschine zu sein, dadurch ein Fürst seine Vatermilde über sein gutes Land¬
volk ausbreiten will, das weis; ich nicht, weil ich noch keine Erfahrung davon
gemacht habe, und ich nichts von mir annehmen mag, als was ich aus gehabter
Erfahrung weiß. Sollten Ew. Exe. nach diesem Bekenntniß mich dieser oder
einer andern kleinen Stelle einigermaßen würdig finden, so dürfte ich wol
hoffen, daß meine Ueberkunft bis zur gelindem Witterung Zeit hätte, da ich
seit einigen Wochen erst wieder Vater geworden bin!"

Nach einem achttägigen Aufenthalt bei Herder in Bückeburg kam Clau¬
dius 1K. April 177" in Darmstadt an. wo er von Moser selbst und von
Merk, in dessen Hause Herder seine Gattin gefunden, sehr freundlich auf¬
genommen wurde. Doch konnte er sich weder in die süddeutsche Lebensweise
noch in seine Amtsgeschäfte finden. Die Oberlnndcommission hatte den Zweck,
auf die Verbesserung der materiellen Hilfsquellen des Inlandes in Ackerbau
und Industrie, so wie auf die Hebung der geistigen und sittlichen Lage der
Bevölkerung hinzuarbeiten; sie hatte die ganze Reaction gegen sich, in der
Wahl der Mittel scheinen manche Fehlgriffe vorgekommen zu sein, und Clau¬
dius schrieb einem Freund, der sich nach seinem Thun und Lassen erkundigte ^
ich thue nichts und lasse alles.' Endlich sand man für ihn eine bestimmte
Beschäftigung in der Redaction der hesscndarmstädtischen privilegirten Land¬
zeitung, die vom 1. Januar 1777 ab erschien, und die Aufgabe hatte, das
so sehr zerstreute Land mit sich selbst bekannter zu machen, Fleiß. Verdienste,
edle und gute Handlungen aufzumuntern, den Weg der Communication des
Landes unter sich zu erleichtern und es auch Auswärtigen in all diesen Stücken
auf eine anständige Weise bekannter zu machen. Der Ton des Wandsbecker
Boten wurde beibehalten, nur verwandelte sich der Schneider Asmus in den
kleinen lahmen Invaliden Görgel. Doch auch da erfolgten manche Verdrießlich'
leiten, schon am 28. Februar 1777 ertheilte Moser seinem Redacteur einen
strengen Verweis (noch später äußerte er sich: er war zu faul, mochte nichts
thun als Vögel singen hören. Clavier spielen und spazieren gehn), und dieser
reichte seine Entlassung ein. Gleich darauf verfiel er in eine tödtliche Krank¬
heit, die F. H. Jacobi Gelegenheit gab, durch eine herzlich ertheilte Unter¬
stützung in freundschaftliche Beziehungen zu ihm zu kommen; nach Beendigung
derselben kam er 4. Mai 1777 in Wandsbeck an. Der schnelle Umschwung
der Verhältnisse hatte ihn doch mächtig erschüttert; seinem Freunde Voß
die Veränderung auf, die in seiner Gestalt und mehr noch in seiner Stimmung
vorgegangen war, und der scherzhaft gezwungene Ton, mit dem er über sei"


dürste, so ist die für ein einsames Leben, sür ein nützliches Wirken im Stillen,
für Feld und Wald und Bauervolk von jeher gestimmt gewesen; das darf ich
auch noch sagen, daß ich es an gutem Willen, herzlicher Thätigkeit und Treue
nicht werde fehlen lassen; ob ich aber Geschick genug habe, ein Rad in der
Maschine zu sein, dadurch ein Fürst seine Vatermilde über sein gutes Land¬
volk ausbreiten will, das weis; ich nicht, weil ich noch keine Erfahrung davon
gemacht habe, und ich nichts von mir annehmen mag, als was ich aus gehabter
Erfahrung weiß. Sollten Ew. Exe. nach diesem Bekenntniß mich dieser oder
einer andern kleinen Stelle einigermaßen würdig finden, so dürfte ich wol
hoffen, daß meine Ueberkunft bis zur gelindem Witterung Zeit hätte, da ich
seit einigen Wochen erst wieder Vater geworden bin!"

Nach einem achttägigen Aufenthalt bei Herder in Bückeburg kam Clau¬
dius 1K. April 177« in Darmstadt an. wo er von Moser selbst und von
Merk, in dessen Hause Herder seine Gattin gefunden, sehr freundlich auf¬
genommen wurde. Doch konnte er sich weder in die süddeutsche Lebensweise
noch in seine Amtsgeschäfte finden. Die Oberlnndcommission hatte den Zweck,
auf die Verbesserung der materiellen Hilfsquellen des Inlandes in Ackerbau
und Industrie, so wie auf die Hebung der geistigen und sittlichen Lage der
Bevölkerung hinzuarbeiten; sie hatte die ganze Reaction gegen sich, in der
Wahl der Mittel scheinen manche Fehlgriffe vorgekommen zu sein, und Clau¬
dius schrieb einem Freund, der sich nach seinem Thun und Lassen erkundigte ^
ich thue nichts und lasse alles.' Endlich sand man für ihn eine bestimmte
Beschäftigung in der Redaction der hesscndarmstädtischen privilegirten Land¬
zeitung, die vom 1. Januar 1777 ab erschien, und die Aufgabe hatte, das
so sehr zerstreute Land mit sich selbst bekannter zu machen, Fleiß. Verdienste,
edle und gute Handlungen aufzumuntern, den Weg der Communication des
Landes unter sich zu erleichtern und es auch Auswärtigen in all diesen Stücken
auf eine anständige Weise bekannter zu machen. Der Ton des Wandsbecker
Boten wurde beibehalten, nur verwandelte sich der Schneider Asmus in den
kleinen lahmen Invaliden Görgel. Doch auch da erfolgten manche Verdrießlich'
leiten, schon am 28. Februar 1777 ertheilte Moser seinem Redacteur einen
strengen Verweis (noch später äußerte er sich: er war zu faul, mochte nichts
thun als Vögel singen hören. Clavier spielen und spazieren gehn), und dieser
reichte seine Entlassung ein. Gleich darauf verfiel er in eine tödtliche Krank¬
heit, die F. H. Jacobi Gelegenheit gab, durch eine herzlich ertheilte Unter¬
stützung in freundschaftliche Beziehungen zu ihm zu kommen; nach Beendigung
derselben kam er 4. Mai 1777 in Wandsbeck an. Der schnelle Umschwung
der Verhältnisse hatte ihn doch mächtig erschüttert; seinem Freunde Voß
die Veränderung auf, die in seiner Gestalt und mehr noch in seiner Stimmung
vorgegangen war, und der scherzhaft gezwungene Ton, mit dem er über sei"


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/350>, abgerufen am 24.07.2024.