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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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!775 machte er mit denStolbcrg, wahrscheinlich um eine Anstellung zu suchen,
°Me Reise nach Berlin, wo er Nicolai kennen lernte und in den Freimaurer¬
orden trat; von da aus besuchte er Haugwitz, den spätern Minister, damals
>>ut den Stolberg enge befreundet und eifriger Maurer, aus seinem Familien-
At bei Oppeln. Endlich fand Herder für den Freund eine Anstellung in
Darmstadt, wo der damalige Minister K. F. v. Moser eifrig aus die Hebung
des Bauernstandes bedacht war. und zu diesem Zweck einen populären Schrift¬
steller wol umwenden zu können hoffte. "Der Herr Präsident," schreibt Clau¬
dius 2. August 1775 an Herder, "muß sehr gütig sein, daß er einen Unbekann-
ien so ehren will. Also geheimer Kanzeleisccretär? Der Avisenschreiber, den
halb Wcmdsbeck für unklug und ganz Wandsbeck für einen lausigen Avisen¬
schreiber hält, geheimer Kanzeleisccretär? Ich weiß nicht ganz genau, was ein ge¬
heimer Kanzeleisccretär in Darmstadt zu thun hat, aber ich kann rechnen und
schreiben, weiß vom Staats, und Völkerrecht nicht viel, finde mich leicht in
°ewas und arbeite schnell, habe ehedem wol Italienisch schreiben können,
schreibe noch Französisch, grammatikalisch aber nicht delicat. verstehe Griechisch,
Wunsch, Englisch, Dänisch, Holländisch, Deutsch, etwas schwedisch und
Spanisch, habe die Jnstitntions und Pandecten gehört und Historie, weiß
aber von Institution?, Pandecten und Historie nicht mehr, als eben zur Leibes-
"ahrung und Nothdurft u. s. w. gehört, bin ehrlich und lasse mich nicht he¬
uchelt. Wenn ich nun mit diesem Wissen und Nichtwissen geheimer Kanzelei¬
sccretär werden kann, so erkenne ich es mit Dank, daß der Herr Präsident
"'ich dazu machen will, aber nach meiner Neigung möchte ich lieber eine mein¬
er glänzende und mehr ruhige Stelle haben, und etwa Vorsteher eines im
^alde gelegenen Hospitals oder andrer milden Stiftungen, Verwalter eines
Jagdschlosses. Garteninspector, Vogt eines Dorfes :c. werden, dabei ich Zeit
^ete, meinen Grillen nachzuhängen." Als sich (November 1775) der Titel
eines Secretärs in den eines Oberlandcommissarius verwandelte, erzählte er sei-
Freunden, er solle Burgvogt werden, sein Wohnhaus stehe mitten im
^alde. und entwarf in diesem Sinn an Moser einen Brief, den Herder im
^chstcn Aerger vernichtete. Endlich (3. December 1775) kam folgendes Schrei-
ju Stande: "Ich habe eine alte Mutter, die ich so lange sie noch lebt
^nem verlasse; aber meine jetzige Situation ist von der Art, daß ich eine
Agent erträgliche Versorgung mit beiden Händen ergreisen muß, viel mehr
so vortheilhafte als die ist, mit der Ew. Exc. mich beehren wollen. Es
^'ehe also nur die Frage, ob ich mir getrauen dürste, eine solche Stelle an-
^Aehnelt, da einem ehrlichen Mann eine strenge Erfüllung der Pflichten, die
^ über sich nimmt, doch immer die Hauptsache bleibt. Und hierüber will ich
"Mchtig und grade heraus sein. Wenn ich von meiner Neigung sprechen


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gesammelten Aufsätze (^sans omnia. sua hönnen pvrwns). Im Spätherbst
!775 machte er mit denStolbcrg, wahrscheinlich um eine Anstellung zu suchen,
°Me Reise nach Berlin, wo er Nicolai kennen lernte und in den Freimaurer¬
orden trat; von da aus besuchte er Haugwitz, den spätern Minister, damals
>>ut den Stolberg enge befreundet und eifriger Maurer, aus seinem Familien-
At bei Oppeln. Endlich fand Herder für den Freund eine Anstellung in
Darmstadt, wo der damalige Minister K. F. v. Moser eifrig aus die Hebung
des Bauernstandes bedacht war. und zu diesem Zweck einen populären Schrift¬
steller wol umwenden zu können hoffte. „Der Herr Präsident," schreibt Clau¬
dius 2. August 1775 an Herder, „muß sehr gütig sein, daß er einen Unbekann-
ien so ehren will. Also geheimer Kanzeleisccretär? Der Avisenschreiber, den
halb Wcmdsbeck für unklug und ganz Wandsbeck für einen lausigen Avisen¬
schreiber hält, geheimer Kanzeleisccretär? Ich weiß nicht ganz genau, was ein ge¬
heimer Kanzeleisccretär in Darmstadt zu thun hat, aber ich kann rechnen und
schreiben, weiß vom Staats, und Völkerrecht nicht viel, finde mich leicht in
°ewas und arbeite schnell, habe ehedem wol Italienisch schreiben können,
schreibe noch Französisch, grammatikalisch aber nicht delicat. verstehe Griechisch,
Wunsch, Englisch, Dänisch, Holländisch, Deutsch, etwas schwedisch und
Spanisch, habe die Jnstitntions und Pandecten gehört und Historie, weiß
aber von Institution?, Pandecten und Historie nicht mehr, als eben zur Leibes-
"ahrung und Nothdurft u. s. w. gehört, bin ehrlich und lasse mich nicht he¬
uchelt. Wenn ich nun mit diesem Wissen und Nichtwissen geheimer Kanzelei¬
sccretär werden kann, so erkenne ich es mit Dank, daß der Herr Präsident
"'ich dazu machen will, aber nach meiner Neigung möchte ich lieber eine mein¬
er glänzende und mehr ruhige Stelle haben, und etwa Vorsteher eines im
^alde gelegenen Hospitals oder andrer milden Stiftungen, Verwalter eines
Jagdschlosses. Garteninspector, Vogt eines Dorfes :c. werden, dabei ich Zeit
^ete, meinen Grillen nachzuhängen." Als sich (November 1775) der Titel
eines Secretärs in den eines Oberlandcommissarius verwandelte, erzählte er sei-
Freunden, er solle Burgvogt werden, sein Wohnhaus stehe mitten im
^alde. und entwarf in diesem Sinn an Moser einen Brief, den Herder im
^chstcn Aerger vernichtete. Endlich (3. December 1775) kam folgendes Schrei-
ju Stande: „Ich habe eine alte Mutter, die ich so lange sie noch lebt
^nem verlasse; aber meine jetzige Situation ist von der Art, daß ich eine
Agent erträgliche Versorgung mit beiden Händen ergreisen muß, viel mehr
so vortheilhafte als die ist, mit der Ew. Exc. mich beehren wollen. Es
^'ehe also nur die Frage, ob ich mir getrauen dürste, eine solche Stelle an-
^Aehnelt, da einem ehrlichen Mann eine strenge Erfüllung der Pflichten, die
^ über sich nimmt, doch immer die Hauptsache bleibt. Und hierüber will ich
"Mchtig und grade heraus sein. Wenn ich von meiner Neigung sprechen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/349>, abgerufen am 24.07.2024.