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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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grobem Geschütz der Oertlichkeit wegen unthunlich war, von der überhangenden
Klippe Steinblöcke auf die Belagerten herabrollen ließen. Auch damit kam
wan nicht zum Ziele. Die Blöcke fielen -- nach dem Glauben der Mönche
durch wunderbare Fügung -- statt auf das Dach, in den Garten, und die
Kinder Hagars mußten das Kloster den Christen lassen, nachdem sie bei den
wiederholten Stürmen eine beträchtliche Anzahl der Ihren verloren hatten.

Megaspiläon gehört zu den sogenannten idiorhythmischen Klöstern, d. h. es
hat keinen Abt (Jgumenos), sondern wird von Vertrauensmännern der Ge¬
meinschaft (Epitrovoi) verwaltet, die jedes Jahr neu gewählt werden. Die
Zahl der Mönche beträgt etwa dreihundert, indeß befindet sich in der Regel
die größere Hälfte derselben auswärts, in den Metochien, Vorwerken oder
Nebcnklöstenr, deren diese Gemeinde besonders in der fruchtbaren Ebne
von Elis mehre besitzt. Wir fanden eine Anzahl der frommen Väter
vor dem Portal mit süßem Nichtsthun beschäftigt, die langen Patriarchcn-
bärte streichend. mit den Fingern vor dem Bauch Mühle spielend
u. s. w. Keiner war, der ein Buch in der Hand gehabt Hütte. Sie
trugen die Tracht der griechischen Landgeistlichen: die bekannte schwarze Popen¬
mütze, schwarze oder dunkelblaue Talare, Beinkleider von gleicher Farbe und
schwarze Schuhe. Ein intelligentes Gesicht war nicht unter ihnen. Unserm
Wunsche, das Innere zu sehen, wurde bereitwillig entsprochen. Ein Pförtner
mit einem großen Schlüsselbund führte uus durch die dunkeln Gänge des
Erdgeschosses, in das Refectorium, die Bäckerei, den Keller, in die Kapelle
wo das Wunderbild aufbewahrt wird, und durch die Corridore, auf welche
die Zellen münden. Ich war froh. als dieser pflichtmäßige Gang abgethan
war. Klosteratmosphäre war nie nach meinem Geschmack. Die hiesige war
wie die aller andern, die ich bis dahin besucht, ein Gemisch vou Küchendunst,
Weihrauchduft und Geruch von Schweiß -- dem Schweiß der Trägheit, nur
machte sich hier noch das landesübliche Parfüm von Knoblauch den Geruchs¬
nerven bemerklich.

Die Kapelle ist, wie alle griechischen Kirchen und Kapellen, reich an
Gold" und Silberschmuck, mannshohen massiven Leuchtern, in Silber getriebenen
Heiligenbildern, Teppichen und allerlei kostbarem, aber meist plumpem Schnör¬
kelwerk. Sie hat einen alten Mosaikfußboden und ein gutes, vom
Petersburger Hofe hierher geschenktes Gemälde, welches die Scene in
Gethsemane darstellt. An der Scheidewand, welche das Allerheiligste vom
Schiff trennt, der Jkonvstasis. ist der Schrank angebracht, welcher
das Wunderbild der Gottesmutter enthält. Dasselbe ist etwa zwanzig
Zoll hoch und spricht eben nicht für den Geschmack des heiligen
Lukas. Es besteht aus braunem Harz oder Wachs und hat weit mehr Aehn-
lichkeit mit einem Negersetisch, als mit der Vorstellung, die unsre Kunst sich


grobem Geschütz der Oertlichkeit wegen unthunlich war, von der überhangenden
Klippe Steinblöcke auf die Belagerten herabrollen ließen. Auch damit kam
wan nicht zum Ziele. Die Blöcke fielen — nach dem Glauben der Mönche
durch wunderbare Fügung — statt auf das Dach, in den Garten, und die
Kinder Hagars mußten das Kloster den Christen lassen, nachdem sie bei den
wiederholten Stürmen eine beträchtliche Anzahl der Ihren verloren hatten.

Megaspiläon gehört zu den sogenannten idiorhythmischen Klöstern, d. h. es
hat keinen Abt (Jgumenos), sondern wird von Vertrauensmännern der Ge¬
meinschaft (Epitrovoi) verwaltet, die jedes Jahr neu gewählt werden. Die
Zahl der Mönche beträgt etwa dreihundert, indeß befindet sich in der Regel
die größere Hälfte derselben auswärts, in den Metochien, Vorwerken oder
Nebcnklöstenr, deren diese Gemeinde besonders in der fruchtbaren Ebne
von Elis mehre besitzt. Wir fanden eine Anzahl der frommen Väter
vor dem Portal mit süßem Nichtsthun beschäftigt, die langen Patriarchcn-
bärte streichend. mit den Fingern vor dem Bauch Mühle spielend
u. s. w. Keiner war, der ein Buch in der Hand gehabt Hütte. Sie
trugen die Tracht der griechischen Landgeistlichen: die bekannte schwarze Popen¬
mütze, schwarze oder dunkelblaue Talare, Beinkleider von gleicher Farbe und
schwarze Schuhe. Ein intelligentes Gesicht war nicht unter ihnen. Unserm
Wunsche, das Innere zu sehen, wurde bereitwillig entsprochen. Ein Pförtner
mit einem großen Schlüsselbund führte uus durch die dunkeln Gänge des
Erdgeschosses, in das Refectorium, die Bäckerei, den Keller, in die Kapelle
wo das Wunderbild aufbewahrt wird, und durch die Corridore, auf welche
die Zellen münden. Ich war froh. als dieser pflichtmäßige Gang abgethan
war. Klosteratmosphäre war nie nach meinem Geschmack. Die hiesige war
wie die aller andern, die ich bis dahin besucht, ein Gemisch vou Küchendunst,
Weihrauchduft und Geruch von Schweiß — dem Schweiß der Trägheit, nur
machte sich hier noch das landesübliche Parfüm von Knoblauch den Geruchs¬
nerven bemerklich.

Die Kapelle ist, wie alle griechischen Kirchen und Kapellen, reich an
Gold« und Silberschmuck, mannshohen massiven Leuchtern, in Silber getriebenen
Heiligenbildern, Teppichen und allerlei kostbarem, aber meist plumpem Schnör¬
kelwerk. Sie hat einen alten Mosaikfußboden und ein gutes, vom
Petersburger Hofe hierher geschenktes Gemälde, welches die Scene in
Gethsemane darstellt. An der Scheidewand, welche das Allerheiligste vom
Schiff trennt, der Jkonvstasis. ist der Schrank angebracht, welcher
das Wunderbild der Gottesmutter enthält. Dasselbe ist etwa zwanzig
Zoll hoch und spricht eben nicht für den Geschmack des heiligen
Lukas. Es besteht aus braunem Harz oder Wachs und hat weit mehr Aehn-
lichkeit mit einem Negersetisch, als mit der Vorstellung, die unsre Kunst sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/34>, abgerufen am 24.07.2024.