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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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gebahnten Dinge spricht dafür. Noch während der Dauer des Krieges be¬
gannen in der Civilverwaltung, deren Thätigkeit durch die Ausnahmzustände
großentheils in ihren unmittelbaren Berührungen mit dem Alltagsleben auf¬
gehört hatte, jene Reductionen des Beamtenheeres, jene Vereinfachungen des
Geschäftsganges, jene Abkürzungen der Jnstanzenzüge, endlich jene Unter¬
suchungen gegen die Beamten u. s. w., welche der gesammten regierten
Welt, welche momentan unter den Waffen oder doch nnter Kriegsgesetzen
stand, die Zuversicht eröffneten, daß ihre Heimkehr zur Heimath wenigstens
keine Rückkehr unter das unerträgliche Joch der frühern Tschinownikwillkür
sein solle. Die gleichzeitige Ersetzung oder Beschränkung der meisten solda¬
tischen Geucralgouverueure durch Civilgouverneure gab weitere Hoffnung, daß
die Machtvollkommenheit der Gouvernementsregicrung ihre Entschließungen
mindestens aus den Vorbedingungen des bürgerlichen Lebens, nicht aus dessen
Unterordnung unter die blos militärischen Interessen hervorgehn lassen werde.
Zugleich trat die Beschränkung der Gencralgouverueure gewissermaßen als
Garantie auf gegen deren Tendenz, das beherrschte' Gebiet wie ein selbststän¬
diges Lehrreich ohne Rücksicht auf deu innern Zusammenhang seines Lebens
mit dem des gesammten Reiches zu verwalten. Diese Friedensaussichten
winkten also allen Schichten der nichtmilitürischen Bevölkerung, den oberen,
wie den unteren.

Entschiedener als System einer Entwicklung der productiven Kräfte in
der Nation treten dann die Negieruugspläue während der pariser Friedens¬
verhandlungen hervor, obgleich der Kriegspartei noch immer die Möglichkeit
einer Fortdauer des Kriegs als Hoffnung gelassen wurde. Denn die Abstel¬
lung des im Krieg und Frieden von Hoch und Niedrig gleichermaßen drü¬
ckend empfundenen Mangels, des Mangels an Communicationen, ward als
erste und dringendste Friedensarbeit genannt. Dem allseitigen Zujauchzen der
Nation wurde der vollständig ausgearbeitete Plan eines großen Eisenbahn¬
netzes entgegengebracht. Sein ursprünglicher Entwurf war offenbar mit aus¬
schließlicher Rücksichtnahme aus defensive und aggressive Zwecke gemacht. Aber
die productiven Elemente der Bevölkerung wurden um so vollständiger und
rascher dafür gewonnen, je bereitwilliger die Regierung im weiteren Verlauft
der Zeit der Privatindustrie gestattete, mit eignen Unternehmungen die -Lücken
der Schienenwege auszufüllen, mit der Dampfschiffahrt auf Meeren und Flüs¬
sen ihre Endpunkte unermeßlich auszudehnen. Der strategische Zweck konnte
dadurch nicht durchkreuzt werden, wol aber der volkswirthschaftliche ohne Opft^
der Regierung erreicht.

Noch nicht als Thaten, jedoch als Entschließungen und Verheißungen der
Regierung war dies der Nation kund gegeben, als der Märzfricde geschlosstU
ward. Während die Massen, bis zur Erschöpfung ihrer Kräfte gedrückt von

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gebahnten Dinge spricht dafür. Noch während der Dauer des Krieges be¬
gannen in der Civilverwaltung, deren Thätigkeit durch die Ausnahmzustände
großentheils in ihren unmittelbaren Berührungen mit dem Alltagsleben auf¬
gehört hatte, jene Reductionen des Beamtenheeres, jene Vereinfachungen des
Geschäftsganges, jene Abkürzungen der Jnstanzenzüge, endlich jene Unter¬
suchungen gegen die Beamten u. s. w., welche der gesammten regierten
Welt, welche momentan unter den Waffen oder doch nnter Kriegsgesetzen
stand, die Zuversicht eröffneten, daß ihre Heimkehr zur Heimath wenigstens
keine Rückkehr unter das unerträgliche Joch der frühern Tschinownikwillkür
sein solle. Die gleichzeitige Ersetzung oder Beschränkung der meisten solda¬
tischen Geucralgouverueure durch Civilgouverneure gab weitere Hoffnung, daß
die Machtvollkommenheit der Gouvernementsregicrung ihre Entschließungen
mindestens aus den Vorbedingungen des bürgerlichen Lebens, nicht aus dessen
Unterordnung unter die blos militärischen Interessen hervorgehn lassen werde.
Zugleich trat die Beschränkung der Gencralgouverueure gewissermaßen als
Garantie auf gegen deren Tendenz, das beherrschte' Gebiet wie ein selbststän¬
diges Lehrreich ohne Rücksicht auf deu innern Zusammenhang seines Lebens
mit dem des gesammten Reiches zu verwalten. Diese Friedensaussichten
winkten also allen Schichten der nichtmilitürischen Bevölkerung, den oberen,
wie den unteren.

Entschiedener als System einer Entwicklung der productiven Kräfte in
der Nation treten dann die Negieruugspläue während der pariser Friedens¬
verhandlungen hervor, obgleich der Kriegspartei noch immer die Möglichkeit
einer Fortdauer des Kriegs als Hoffnung gelassen wurde. Denn die Abstel¬
lung des im Krieg und Frieden von Hoch und Niedrig gleichermaßen drü¬
ckend empfundenen Mangels, des Mangels an Communicationen, ward als
erste und dringendste Friedensarbeit genannt. Dem allseitigen Zujauchzen der
Nation wurde der vollständig ausgearbeitete Plan eines großen Eisenbahn¬
netzes entgegengebracht. Sein ursprünglicher Entwurf war offenbar mit aus¬
schließlicher Rücksichtnahme aus defensive und aggressive Zwecke gemacht. Aber
die productiven Elemente der Bevölkerung wurden um so vollständiger und
rascher dafür gewonnen, je bereitwilliger die Regierung im weiteren Verlauft
der Zeit der Privatindustrie gestattete, mit eignen Unternehmungen die -Lücken
der Schienenwege auszufüllen, mit der Dampfschiffahrt auf Meeren und Flüs¬
sen ihre Endpunkte unermeßlich auszudehnen. Der strategische Zweck konnte
dadurch nicht durchkreuzt werden, wol aber der volkswirthschaftliche ohne Opft^
der Regierung erreicht.

Noch nicht als Thaten, jedoch als Entschließungen und Verheißungen der
Regierung war dies der Nation kund gegeben, als der Märzfricde geschlosstU
ward. Während die Massen, bis zur Erschöpfung ihrer Kräfte gedrückt von

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[0336] gebahnten Dinge spricht dafür. Noch während der Dauer des Krieges be¬ gannen in der Civilverwaltung, deren Thätigkeit durch die Ausnahmzustände großentheils in ihren unmittelbaren Berührungen mit dem Alltagsleben auf¬ gehört hatte, jene Reductionen des Beamtenheeres, jene Vereinfachungen des Geschäftsganges, jene Abkürzungen der Jnstanzenzüge, endlich jene Unter¬ suchungen gegen die Beamten u. s. w., welche der gesammten regierten Welt, welche momentan unter den Waffen oder doch nnter Kriegsgesetzen stand, die Zuversicht eröffneten, daß ihre Heimkehr zur Heimath wenigstens keine Rückkehr unter das unerträgliche Joch der frühern Tschinownikwillkür sein solle. Die gleichzeitige Ersetzung oder Beschränkung der meisten solda¬ tischen Geucralgouverueure durch Civilgouverneure gab weitere Hoffnung, daß die Machtvollkommenheit der Gouvernementsregicrung ihre Entschließungen mindestens aus den Vorbedingungen des bürgerlichen Lebens, nicht aus dessen Unterordnung unter die blos militärischen Interessen hervorgehn lassen werde. Zugleich trat die Beschränkung der Gencralgouverueure gewissermaßen als Garantie auf gegen deren Tendenz, das beherrschte' Gebiet wie ein selbststän¬ diges Lehrreich ohne Rücksicht auf deu innern Zusammenhang seines Lebens mit dem des gesammten Reiches zu verwalten. Diese Friedensaussichten winkten also allen Schichten der nichtmilitürischen Bevölkerung, den oberen, wie den unteren. Entschiedener als System einer Entwicklung der productiven Kräfte in der Nation treten dann die Negieruugspläue während der pariser Friedens¬ verhandlungen hervor, obgleich der Kriegspartei noch immer die Möglichkeit einer Fortdauer des Kriegs als Hoffnung gelassen wurde. Denn die Abstel¬ lung des im Krieg und Frieden von Hoch und Niedrig gleichermaßen drü¬ ckend empfundenen Mangels, des Mangels an Communicationen, ward als erste und dringendste Friedensarbeit genannt. Dem allseitigen Zujauchzen der Nation wurde der vollständig ausgearbeitete Plan eines großen Eisenbahn¬ netzes entgegengebracht. Sein ursprünglicher Entwurf war offenbar mit aus¬ schließlicher Rücksichtnahme aus defensive und aggressive Zwecke gemacht. Aber die productiven Elemente der Bevölkerung wurden um so vollständiger und rascher dafür gewonnen, je bereitwilliger die Regierung im weiteren Verlauft der Zeit der Privatindustrie gestattete, mit eignen Unternehmungen die -Lücken der Schienenwege auszufüllen, mit der Dampfschiffahrt auf Meeren und Flüs¬ sen ihre Endpunkte unermeßlich auszudehnen. Der strategische Zweck konnte dadurch nicht durchkreuzt werden, wol aber der volkswirthschaftliche ohne Opft^ der Regierung erreicht. Noch nicht als Thaten, jedoch als Entschließungen und Verheißungen der Regierung war dies der Nation kund gegeben, als der Märzfricde geschlosstU ward. Während die Massen, bis zur Erschöpfung ihrer Kräfte gedrückt von ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/336>, abgerufen am 24.07.2024.