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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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mit Rosen bekränzt, nur von ihrer Heerde und den befreundeten Druden ge¬
hört, in melodischem Wechselqesang ihre Liebe erklären. Nur der Stimmung
der Landschaft nachgebend, könnte er erwarten, unter dem Schirmdach der
Pinie in der grünen Quellenschlucht dort überm Strome den alten Pan bei
seiner alten Beschäftigung zu treffen, das Geheimniß des Waldes mit seiner
Flöte in Töne zu verwandeln, könnte er. um eine Windung des Fluges bre-
gend. jenseits unter dem hohen Gestade, von Oleanderbüschen halb verborgen,
badende Nymphen vermuthen und in dem Plätschern der Wellen schon ehr
Hüpfen und Kichern zu hören meinen. Ganz anders ist es hier oben, wenn
der Wald auseinandergeht, und der Wanderer auf die erste Stufe des arka¬
dischen Hochgebirgs hinaustritt. Begleitete ihn dort das Bild des .alten
Griechenland mit' den freundlichsten seiner Phantasieschöpfungen, so Hort hier
oben auf der öden, wcchsellosen. denn- und wasserarmen Fläche und unter
dem kalten Hauche der sie umstarrendeu Gebirgsketten das Spiel der Phan¬
tasie auf. und statt des Arkadien der Einbildung tritt ihm der am wenigsten
schöne Theil des wirklichen entgegen, eine Landschaft, die mit ihren nackten
Berggipfeln, ihren nur mit Farrenkraut und Zwiebelgewächsen bekleideten
, Hochebenen, ihren finstern Thälern, ihrer Dürftigkeit und Rauhheit ebensowol
in Norwegen oder Nordschottland liegen könnte.

Und diesem ersten Eindruck folgen andere, ähnliche, bis die Wildheit und Un¬
geheuerlichkeit des Landes in dem Gebirgsstock des Chelmos und des Kyllene
ihren Gipfel erreicht, und statt der lieblichen Gestalten des Alphensthales
Gedanken ein Titanen- und Gigantcnstürze und an die Schrecken der Unter¬
welt sich der Seele bemächtigen. Die Erinnerung, daß in diesen finstern
Gründen der erymanthische Eber und das grause Geschlecht der stymphalischen
Vögel hauste, das; in diesen Bergschluchten die Styx entspringt und der ge¬
heimnißvolle See von Pheneos seine Wellen schlägt, steigert die Stimmung,
welche die Betrachtung der Landschaft hervorruft. Die Einsamkeit der Gegend
und die Beschaffenheit der Wege, welche nur selten zu zweien nebeneinander
zu reiten erlauben, begünstigen das Brüten über jenen Erinnerungen, und
wenn dann noch, wie hier häufig geschieht, tagelange Gewitter um die Berge
zucken und durch die Thäler brüllen, so ist in der That alles vereinigt, was
das Gemüth mit Schauer und Schrecken erfüllt.

Ein solches Gewitter begrüßte unsere kleine Karavane gleich in den ersten
Stunden, die wir hier zubrachten. Es war auf dem Wege von Laka nach
Kalabryta. Wir waren erst über die steppenartige Hochfläche, dann durch
ein Thal zwischen den Hügeln, welche das Plateau im Norden einfassen, und
zuletzt durch einen zwei Stunden langen Eichenwald geritten und hatten auf
dieser ganzen Strecke nur einmal Menschen getroffen. Ein Dorf. das wir
jenseits des Waldes erreichten, schien keine Bewohner zu haben. Wir ritten


mit Rosen bekränzt, nur von ihrer Heerde und den befreundeten Druden ge¬
hört, in melodischem Wechselqesang ihre Liebe erklären. Nur der Stimmung
der Landschaft nachgebend, könnte er erwarten, unter dem Schirmdach der
Pinie in der grünen Quellenschlucht dort überm Strome den alten Pan bei
seiner alten Beschäftigung zu treffen, das Geheimniß des Waldes mit seiner
Flöte in Töne zu verwandeln, könnte er. um eine Windung des Fluges bre-
gend. jenseits unter dem hohen Gestade, von Oleanderbüschen halb verborgen,
badende Nymphen vermuthen und in dem Plätschern der Wellen schon ehr
Hüpfen und Kichern zu hören meinen. Ganz anders ist es hier oben, wenn
der Wald auseinandergeht, und der Wanderer auf die erste Stufe des arka¬
dischen Hochgebirgs hinaustritt. Begleitete ihn dort das Bild des .alten
Griechenland mit' den freundlichsten seiner Phantasieschöpfungen, so Hort hier
oben auf der öden, wcchsellosen. denn- und wasserarmen Fläche und unter
dem kalten Hauche der sie umstarrendeu Gebirgsketten das Spiel der Phan¬
tasie auf. und statt des Arkadien der Einbildung tritt ihm der am wenigsten
schöne Theil des wirklichen entgegen, eine Landschaft, die mit ihren nackten
Berggipfeln, ihren nur mit Farrenkraut und Zwiebelgewächsen bekleideten
, Hochebenen, ihren finstern Thälern, ihrer Dürftigkeit und Rauhheit ebensowol
in Norwegen oder Nordschottland liegen könnte.

Und diesem ersten Eindruck folgen andere, ähnliche, bis die Wildheit und Un¬
geheuerlichkeit des Landes in dem Gebirgsstock des Chelmos und des Kyllene
ihren Gipfel erreicht, und statt der lieblichen Gestalten des Alphensthales
Gedanken ein Titanen- und Gigantcnstürze und an die Schrecken der Unter¬
welt sich der Seele bemächtigen. Die Erinnerung, daß in diesen finstern
Gründen der erymanthische Eber und das grause Geschlecht der stymphalischen
Vögel hauste, das; in diesen Bergschluchten die Styx entspringt und der ge¬
heimnißvolle See von Pheneos seine Wellen schlägt, steigert die Stimmung,
welche die Betrachtung der Landschaft hervorruft. Die Einsamkeit der Gegend
und die Beschaffenheit der Wege, welche nur selten zu zweien nebeneinander
zu reiten erlauben, begünstigen das Brüten über jenen Erinnerungen, und
wenn dann noch, wie hier häufig geschieht, tagelange Gewitter um die Berge
zucken und durch die Thäler brüllen, so ist in der That alles vereinigt, was
das Gemüth mit Schauer und Schrecken erfüllt.

Ein solches Gewitter begrüßte unsere kleine Karavane gleich in den ersten
Stunden, die wir hier zubrachten. Es war auf dem Wege von Laka nach
Kalabryta. Wir waren erst über die steppenartige Hochfläche, dann durch
ein Thal zwischen den Hügeln, welche das Plateau im Norden einfassen, und
zuletzt durch einen zwei Stunden langen Eichenwald geritten und hatten auf
dieser ganzen Strecke nur einmal Menschen getroffen. Ein Dorf. das wir
jenseits des Waldes erreichten, schien keine Bewohner zu haben. Wir ritten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/31>, abgerufen am 24.07.2024.