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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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">ehe habe. Zwischen diesen beiden großen Polen der Erzeugung und des
Verbrauchs liege nur ein Weg, der unverhältnißmäßig viel kürzer sei, als der
"lec von Vasco de Gama entdeckte, und dieser Weg gehe eben über die Land-
^'ge von Suez. So lange es daher einen Welthandel zwischen dem Osten
"ud Westen der alten Welt gegeben habe, so lange seien die Blicke auf jenen
Damm zwischen dem rothen und dem Mittelmeer gerichtet gewesen, und die
Bedeutung des asiatisch-afrikanischen Panama werde in dem Maße steigen,
"is sich die Productions- und Consumtionsvcrhältnisse der beiden Pole in
^thier und Europa ordneten und mehrten.

Darauf ist zu erwidern, daß dieses Räsonnement nur Geltung hätte,
^um der Kern und Schwerpunkt der europäischen Gewcrbs- und Handels¬
tätigkeit noch im Süden, in den Mittelmeerländern läge, nicht schon seit
Mehr als zwei Jahrhunderten nach Norden hinaufgerückt wäre. Im Alter¬
tum und bis zum sechzehnten Jahrhundert war der Nil und das rothe Meer
allerdings der Verkehrsweg des Handels Europas, Westasiens und Nordafrikas
Mit Indien. Die Frage, ob Ophir, das biblische Kalifornien, in Indien zu
^eben, ob Phönizier und Aegypter nach Indien gefahren, bleibe hier uner-
^lere. Zur Zeit Strabos gelangten die kostbaren vegetabilischen Erzeugnisse
Indiens durch Vermittlung arabischer Kaufleute über Alexandrien in die rö¬
mische Welt.

Ein directer Verkehr griechischer Handelsfahrzeuge mit Ostasien begann
unter Domitian, und zwar soll ein Seecapitän Hippalus der erste gewesen
^'n, welcher die Etcsien, d. h. die in jenen Breiten je sechs Monate herr¬
schenden Nordost - und Südwestmoussons zur Ueberfahrt aus dem Meerbusen
Aden nach Muziris, dem großen Stapelplatz Malabars, benutzte. Die
^usel Sokotora scheint damals eine der Hauptstationcn des abendländischen
Handels mit Indien gewesen zu sein; denn es siedelten sich dort griechisch
Ödende Einwanderer an, und vermuthlich ist auch das Christenthum auf die¬
len Wege nach Indien gelangt. Wann der alte römisch-indische Handels-
^'lehr durch das rothe Meer einschlief, ist unbekannt; doch wird er über
"s Jahrhundert der Hedschra nicht fortgesetzt worden sein. ' Die Ver¬
ödungen der 'Araber und der Perser mit Indien sind dagegen nie unter-
'^chen worden, ja die Araber dehnten ihren Verkehr sogar bis China aus.
°er ihre Handelsstraße ging mehre Jahrhunderte hindurch nicht über das
^the Meer, sondern sie gaben dem persischen Meerbusen den Borzug, wo
schon unter den Kosroen Obolla an der Stelle des heutigen Bassora als der
^"ßte Stapelplatz ostasiatischer Erzeugnisse blühte. Erst als Aegypten sich
^°'u Khalifat losriß, als es nach dem Verfall des Seldschukenreichs und der
, Reibung der Lateiner aus dem heiligen Lande als die Hauptmacht der
^lcunitischen Welt dastand, begann sich der Strom des indischen Verkehrs
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">ehe habe. Zwischen diesen beiden großen Polen der Erzeugung und des
Verbrauchs liege nur ein Weg, der unverhältnißmäßig viel kürzer sei, als der
"lec von Vasco de Gama entdeckte, und dieser Weg gehe eben über die Land-
^'ge von Suez. So lange es daher einen Welthandel zwischen dem Osten
"ud Westen der alten Welt gegeben habe, so lange seien die Blicke auf jenen
Damm zwischen dem rothen und dem Mittelmeer gerichtet gewesen, und die
Bedeutung des asiatisch-afrikanischen Panama werde in dem Maße steigen,
"is sich die Productions- und Consumtionsvcrhältnisse der beiden Pole in
^thier und Europa ordneten und mehrten.

Darauf ist zu erwidern, daß dieses Räsonnement nur Geltung hätte,
^um der Kern und Schwerpunkt der europäischen Gewcrbs- und Handels¬
tätigkeit noch im Süden, in den Mittelmeerländern läge, nicht schon seit
Mehr als zwei Jahrhunderten nach Norden hinaufgerückt wäre. Im Alter¬
tum und bis zum sechzehnten Jahrhundert war der Nil und das rothe Meer
allerdings der Verkehrsweg des Handels Europas, Westasiens und Nordafrikas
Mit Indien. Die Frage, ob Ophir, das biblische Kalifornien, in Indien zu
^eben, ob Phönizier und Aegypter nach Indien gefahren, bleibe hier uner-
^lere. Zur Zeit Strabos gelangten die kostbaren vegetabilischen Erzeugnisse
Indiens durch Vermittlung arabischer Kaufleute über Alexandrien in die rö¬
mische Welt.

Ein directer Verkehr griechischer Handelsfahrzeuge mit Ostasien begann
unter Domitian, und zwar soll ein Seecapitän Hippalus der erste gewesen
^'n, welcher die Etcsien, d. h. die in jenen Breiten je sechs Monate herr¬
schenden Nordost - und Südwestmoussons zur Ueberfahrt aus dem Meerbusen
Aden nach Muziris, dem großen Stapelplatz Malabars, benutzte. Die
^usel Sokotora scheint damals eine der Hauptstationcn des abendländischen
Handels mit Indien gewesen zu sein; denn es siedelten sich dort griechisch
Ödende Einwanderer an, und vermuthlich ist auch das Christenthum auf die¬
len Wege nach Indien gelangt. Wann der alte römisch-indische Handels-
^'lehr durch das rothe Meer einschlief, ist unbekannt; doch wird er über
«s Jahrhundert der Hedschra nicht fortgesetzt worden sein. ' Die Ver¬
ödungen der 'Araber und der Perser mit Indien sind dagegen nie unter-
'^chen worden, ja die Araber dehnten ihren Verkehr sogar bis China aus.
°er ihre Handelsstraße ging mehre Jahrhunderte hindurch nicht über das
^the Meer, sondern sie gaben dem persischen Meerbusen den Borzug, wo
schon unter den Kosroen Obolla an der Stelle des heutigen Bassora als der
^»ßte Stapelplatz ostasiatischer Erzeugnisse blühte. Erst als Aegypten sich
^°'u Khalifat losriß, als es nach dem Verfall des Seldschukenreichs und der
, Reibung der Lateiner aus dem heiligen Lande als die Hauptmacht der
^lcunitischen Welt dastand, begann sich der Strom des indischen Verkehrs
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/293>, abgerufen am 24.07.2024.