Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

belangt, so ist dieselbe ebenso wenig in Siebenbürgen als in Ungarn voll¬
zogen. Die kirchliche Verfassung der Evangelischen A. C. in Siebenbürgen
brach mit der Auflösung des sächsischen Nationalkörpers zusammen. In Ungarn
war die Feststellung der Küchenordnung seit der Synode vom Jahre l?Si
ohne Erfolg an der Tagesordnung; 'der seitherige factische Organismus wurde
durch die bekannte Haynausche Verordnung vom 10. Februar 1850 umgestürzt
und durch die provisorische Verordnung des Cultusministeriums vom 3. Juli
1854 nicht wieder hergestellt. Dort kam es im Jahre 1855 zu einer "provi¬
sorischen" Verfassung, doch wurde auch diese im Jahre 1856 von der Regie-
rung nicht vollständig in Vollzug gesetzt; hier legte das Ministerium in end¬
licher Erwiederung auf die Synodaloperate vom Jahre 1791 den Superin-
tendentialconvcntcn im Jahre 1856 einen gedruckten Gesetzentwurf vor, die
Verhandlungen über die Aeußerungen der Convente sind jedoch bis heute noch
nicht zum Abschluß gediehen; die allgemein verlangte Synode ist noch nicht
bewilligt.

Dies ist ein treues Bild der Rechtslage, in welcher sich die Protestanten
in den östlichen Kronländern unsers Kaiserstaates befinden. Dasselbe dürste
die Ueberzeugung begründen helfen, daß, so wahrhaft kaiserlich auch die den
Ansiedlern, insbesondere den von außen einwandernden, zugestandenen sonsti¬
gen Begünstigungen sind, die denselben gewährte "freie Religionsübung"
sich noch durchaus nicht das Zauberwort sein kann, das den Strom der deut¬
schen Auswanderung von seiner westlichen Richtung abzulenken und, dem Zug"
der deutschen Interessen folgend, in die weiten Donauländer, namentlich i"
die reichen Segen verheißende Kornkammer der östreichischen Monarchie,
leiten vermöchte. Soll der wahrhaft staatsmännische Gedanke, der den M''
nistern Oestreichs das neue Anfledlungsgesetz in die Feder dictirt hat,
Gewißheit Fleisch und Blut werden, soll namentlich auch der deutsche Norte"
bestimmt werden, seine überflüssigen, insbesondere in der Agricultur hochstchc"'
den Bcvölkerungselemente an Oestreich abzugeben, so ist es eine unavweislW
Nothwendigkeit, daß die im Princip feststehende, durch klare Gesetze aus¬
gesprochene Parität der christlichen Bekenntnisse, die in neuester Zeit, nach de>"
Vorbild des westphälischen Friedensschlusses und der deutschen Bundesacte.
noch in dem 46. §. der am 19. August vorigen Jahres in Paris zu Stande
gekommenen Convention der Mächte über die definitive Organisation d^
Moldau und Walachei aufgenommen worden, und der sogar in dem
kurzem erschienenen Gesetzbuch von Montenegro ein Paragraph (der 92.)
widmet ist, mit allen ihren Consequenzen zur praktischen Durchführung gelang
und endlich auch die Verfassungszustande der evangelischen Landeskirchen Oese'
reichs eine feste, eine gesunde Lebensentwicklung möglich machende und Corn'
petenzconflicte gänzlich hintenhaltende Consistenz gewinnen. Die religiöse


belangt, so ist dieselbe ebenso wenig in Siebenbürgen als in Ungarn voll¬
zogen. Die kirchliche Verfassung der Evangelischen A. C. in Siebenbürgen
brach mit der Auflösung des sächsischen Nationalkörpers zusammen. In Ungarn
war die Feststellung der Küchenordnung seit der Synode vom Jahre l?Si
ohne Erfolg an der Tagesordnung; 'der seitherige factische Organismus wurde
durch die bekannte Haynausche Verordnung vom 10. Februar 1850 umgestürzt
und durch die provisorische Verordnung des Cultusministeriums vom 3. Juli
1854 nicht wieder hergestellt. Dort kam es im Jahre 1855 zu einer „provi¬
sorischen" Verfassung, doch wurde auch diese im Jahre 1856 von der Regie-
rung nicht vollständig in Vollzug gesetzt; hier legte das Ministerium in end¬
licher Erwiederung auf die Synodaloperate vom Jahre 1791 den Superin-
tendentialconvcntcn im Jahre 1856 einen gedruckten Gesetzentwurf vor, die
Verhandlungen über die Aeußerungen der Convente sind jedoch bis heute noch
nicht zum Abschluß gediehen; die allgemein verlangte Synode ist noch nicht
bewilligt.

Dies ist ein treues Bild der Rechtslage, in welcher sich die Protestanten
in den östlichen Kronländern unsers Kaiserstaates befinden. Dasselbe dürste
die Ueberzeugung begründen helfen, daß, so wahrhaft kaiserlich auch die den
Ansiedlern, insbesondere den von außen einwandernden, zugestandenen sonsti¬
gen Begünstigungen sind, die denselben gewährte „freie Religionsübung"
sich noch durchaus nicht das Zauberwort sein kann, das den Strom der deut¬
schen Auswanderung von seiner westlichen Richtung abzulenken und, dem Zug"
der deutschen Interessen folgend, in die weiten Donauländer, namentlich i"
die reichen Segen verheißende Kornkammer der östreichischen Monarchie,
leiten vermöchte. Soll der wahrhaft staatsmännische Gedanke, der den M''
nistern Oestreichs das neue Anfledlungsgesetz in die Feder dictirt hat,
Gewißheit Fleisch und Blut werden, soll namentlich auch der deutsche Norte"
bestimmt werden, seine überflüssigen, insbesondere in der Agricultur hochstchc"'
den Bcvölkerungselemente an Oestreich abzugeben, so ist es eine unavweislW
Nothwendigkeit, daß die im Princip feststehende, durch klare Gesetze aus¬
gesprochene Parität der christlichen Bekenntnisse, die in neuester Zeit, nach de>"
Vorbild des westphälischen Friedensschlusses und der deutschen Bundesacte.
noch in dem 46. §. der am 19. August vorigen Jahres in Paris zu Stande
gekommenen Convention der Mächte über die definitive Organisation d^
Moldau und Walachei aufgenommen worden, und der sogar in dem
kurzem erschienenen Gesetzbuch von Montenegro ein Paragraph (der 92.)
widmet ist, mit allen ihren Consequenzen zur praktischen Durchführung gelang
und endlich auch die Verfassungszustande der evangelischen Landeskirchen Oese'
reichs eine feste, eine gesunde Lebensentwicklung möglich machende und Corn'
petenzconflicte gänzlich hintenhaltende Consistenz gewinnen. Die religiöse


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0278" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187230"/>
          <p xml:id="ID_776" prev="#ID_775"> belangt, so ist dieselbe ebenso wenig in Siebenbürgen als in Ungarn voll¬<lb/>
zogen. Die kirchliche Verfassung der Evangelischen A. C. in Siebenbürgen<lb/>
brach mit der Auflösung des sächsischen Nationalkörpers zusammen. In Ungarn<lb/>
war die Feststellung der Küchenordnung seit der Synode vom Jahre l?Si<lb/>
ohne Erfolg an der Tagesordnung; 'der seitherige factische Organismus wurde<lb/>
durch die bekannte Haynausche Verordnung vom 10. Februar 1850 umgestürzt<lb/>
und durch die provisorische Verordnung des Cultusministeriums vom 3. Juli<lb/>
1854 nicht wieder hergestellt. Dort kam es im Jahre 1855 zu einer &#x201E;provi¬<lb/>
sorischen" Verfassung, doch wurde auch diese im Jahre 1856 von der Regie-<lb/>
rung nicht vollständig in Vollzug gesetzt; hier legte das Ministerium in end¬<lb/>
licher Erwiederung auf die Synodaloperate vom Jahre 1791 den Superin-<lb/>
tendentialconvcntcn im Jahre 1856 einen gedruckten Gesetzentwurf vor, die<lb/>
Verhandlungen über die Aeußerungen der Convente sind jedoch bis heute noch<lb/>
nicht zum Abschluß gediehen; die allgemein verlangte Synode ist noch nicht<lb/>
bewilligt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_777" next="#ID_778"> Dies ist ein treues Bild der Rechtslage, in welcher sich die Protestanten<lb/>
in den östlichen Kronländern unsers Kaiserstaates befinden.  Dasselbe dürste<lb/>
die Ueberzeugung begründen helfen, daß, so wahrhaft kaiserlich auch die den<lb/>
Ansiedlern, insbesondere den von außen einwandernden, zugestandenen sonsti¬<lb/>
gen Begünstigungen sind, die denselben gewährte &#x201E;freie Religionsübung"<lb/>
sich noch durchaus nicht das Zauberwort sein kann, das den Strom der deut¬<lb/>
schen Auswanderung von seiner westlichen Richtung abzulenken und, dem Zug"<lb/>
der deutschen Interessen folgend, in die weiten Donauländer, namentlich i"<lb/>
die reichen Segen verheißende Kornkammer der östreichischen Monarchie,<lb/>
leiten vermöchte.  Soll der wahrhaft staatsmännische Gedanke, der den M''<lb/>
nistern Oestreichs das neue Anfledlungsgesetz in die Feder dictirt hat,<lb/>
Gewißheit Fleisch und Blut werden, soll namentlich auch der deutsche Norte"<lb/>
bestimmt werden, seine überflüssigen, insbesondere in der Agricultur hochstchc"'<lb/>
den Bcvölkerungselemente an Oestreich abzugeben, so ist es eine unavweislW<lb/>
Nothwendigkeit, daß die im Princip feststehende, durch klare Gesetze aus¬<lb/>
gesprochene Parität der christlichen Bekenntnisse, die in neuester Zeit, nach de&gt;"<lb/>
Vorbild des westphälischen Friedensschlusses und der deutschen Bundesacte.<lb/>
noch in dem 46. §. der am 19. August vorigen Jahres in Paris zu Stande<lb/>
gekommenen Convention der Mächte über die definitive Organisation d^<lb/>
Moldau und Walachei aufgenommen worden, und der sogar in dem<lb/>
kurzem erschienenen Gesetzbuch von Montenegro ein Paragraph (der 92.)<lb/>
widmet ist, mit allen ihren Consequenzen zur praktischen Durchführung gelang<lb/>
und endlich auch die Verfassungszustande der evangelischen Landeskirchen Oese'<lb/>
reichs eine feste, eine gesunde Lebensentwicklung möglich machende und Corn'<lb/>
petenzconflicte gänzlich hintenhaltende Consistenz gewinnen.  Die religiöse</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0278] belangt, so ist dieselbe ebenso wenig in Siebenbürgen als in Ungarn voll¬ zogen. Die kirchliche Verfassung der Evangelischen A. C. in Siebenbürgen brach mit der Auflösung des sächsischen Nationalkörpers zusammen. In Ungarn war die Feststellung der Küchenordnung seit der Synode vom Jahre l?Si ohne Erfolg an der Tagesordnung; 'der seitherige factische Organismus wurde durch die bekannte Haynausche Verordnung vom 10. Februar 1850 umgestürzt und durch die provisorische Verordnung des Cultusministeriums vom 3. Juli 1854 nicht wieder hergestellt. Dort kam es im Jahre 1855 zu einer „provi¬ sorischen" Verfassung, doch wurde auch diese im Jahre 1856 von der Regie- rung nicht vollständig in Vollzug gesetzt; hier legte das Ministerium in end¬ licher Erwiederung auf die Synodaloperate vom Jahre 1791 den Superin- tendentialconvcntcn im Jahre 1856 einen gedruckten Gesetzentwurf vor, die Verhandlungen über die Aeußerungen der Convente sind jedoch bis heute noch nicht zum Abschluß gediehen; die allgemein verlangte Synode ist noch nicht bewilligt. Dies ist ein treues Bild der Rechtslage, in welcher sich die Protestanten in den östlichen Kronländern unsers Kaiserstaates befinden. Dasselbe dürste die Ueberzeugung begründen helfen, daß, so wahrhaft kaiserlich auch die den Ansiedlern, insbesondere den von außen einwandernden, zugestandenen sonsti¬ gen Begünstigungen sind, die denselben gewährte „freie Religionsübung" sich noch durchaus nicht das Zauberwort sein kann, das den Strom der deut¬ schen Auswanderung von seiner westlichen Richtung abzulenken und, dem Zug" der deutschen Interessen folgend, in die weiten Donauländer, namentlich i" die reichen Segen verheißende Kornkammer der östreichischen Monarchie, leiten vermöchte. Soll der wahrhaft staatsmännische Gedanke, der den M'' nistern Oestreichs das neue Anfledlungsgesetz in die Feder dictirt hat, Gewißheit Fleisch und Blut werden, soll namentlich auch der deutsche Norte" bestimmt werden, seine überflüssigen, insbesondere in der Agricultur hochstchc"' den Bcvölkerungselemente an Oestreich abzugeben, so ist es eine unavweislW Nothwendigkeit, daß die im Princip feststehende, durch klare Gesetze aus¬ gesprochene Parität der christlichen Bekenntnisse, die in neuester Zeit, nach de>" Vorbild des westphälischen Friedensschlusses und der deutschen Bundesacte. noch in dem 46. §. der am 19. August vorigen Jahres in Paris zu Stande gekommenen Convention der Mächte über die definitive Organisation d^ Moldau und Walachei aufgenommen worden, und der sogar in dem kurzem erschienenen Gesetzbuch von Montenegro ein Paragraph (der 92.) widmet ist, mit allen ihren Consequenzen zur praktischen Durchführung gelang und endlich auch die Verfassungszustande der evangelischen Landeskirchen Oese' reichs eine feste, eine gesunde Lebensentwicklung möglich machende und Corn' petenzconflicte gänzlich hintenhaltende Consistenz gewinnen. Die religiöse

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/278
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/278>, abgerufen am 24.07.2024.