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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band.

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Man fragt vielleicht verwundert, warum der Adel überhaupt in den all¬
gemeinen Landtagsversammlungen und nicht vielmehr privatim diese Ange¬
legenheiten verhandelt? Darüber gibt ein Generalprotest des Adels, welcher
um Schluß des Landtags 1844 auf die Protestationen der bürgerlichen Guts¬
besitzer erfolgte. Aufschluß. Es heißt in diesem nämlich sud 1): "Wenn Einzelne
der Ansicht sind, daß Beschlüsse über Neceptionen in den eingebornen Adel
u"f den Landtagen nicht vorgenommen werden dürfen, weil dadurch die
Stinnnberechtigung derer, welche über Neceptionsangelegenheiten nicht mitstim-
Men. beschränkt werde, so widerspricht Dies dem klaren (?) Inhalt des
§. .147 des Erbverglcichs. nach welchem bei Ausübung von Stand und
Stimme auf den Landtagen die Beobachtung des Herkommens nicht ausge¬
schlossen, vielmehr ausdrücklich vorgeschrieben ist. Daß aber das Herkommen,
wonach über Neeeptiouen nur die Mitglieder des eingebornen :c. Adels stim¬
men können, ganz abgesehen von seiner viel ältern (?) historischen (??) und
rechtlichen (???) Begründung, scho" zu Zeiten des Erbvcrgleichs bestanden (!)
bat. erhellt aus den klaren (!!) Worten des §, ni7 desselben, welcher Begriff
lÜ!) und Namen (ja, aber nur diesen) des ciugebomcn und recipirten Adels
""erkennt," Vergleiche man nun den oben angeführten dz. 167 mit dein
§- 147 des L. G. G. Erbvergleichs, welcher letztere lautet: §. 157: "Ge¬
stalt dem zu Folge alle und jede eingesessene Landstände aller dreier Kreise
in den Landtagen durch landesfürstliche Ausschreiben berufen und auf den
Landtagen, dem Herkommen gemäß, bei den darauf vorfallenden Handlungen
Ungehindert Stand und Stimme haben und behalten sollen."

Wir interpretiren diesen §. nun freilich nach der Auslegung, welche ihm
der Adel gibt, dahin, daß alle Handlungen, welche auf den Landtagen bis¬
her vorgenommen waren, dein Herkommen gemäß auch ferner geschehen dür¬
fen, obwol eine andere Art der Auslegung nahe liegt. Aber weiter kann das
Zugeständnis) nicht gehen; die Reception war im Jahre 1755 weder ein Her¬
kommen, noch ein altes rechtliches Herkommen, selbst -- wie schon erwähnt
^ wahrscheinlich noch gar nicht näher bestimmt. Die Entscheidung über die
Rechtliche Seite der Neceptionsangelegcnheit steht einzig und allein einer, von
den bürgerlichen Gutsbesitzern mehrfach beantragten, unparteiischen historischen
u>'d darauf juristischen Untersuchung offen. --

Hatte nun der Landtag 1844 die Differenz zwischen den beiden Theilen
der Ritterschaft um ein Bedeutendes erweitert, so geschah dies in noch höherem
^'abe auf dem Landtag von 1845, welchen die bürgerlichen Gutsbe-
st^er in solcher Anzahl besuchten, daß sie wirklich -- ein bis dahin nnerhör-
^6 Ereignis; -- die Majorität bildeten. Hierzu hatte aber vornehmlich ein am
^> Oct.. also kurz vor der Eröffnung des Landtags, erlassenes landesherr¬
liches Rescript beigetragen, durch welches erklärt wurde, "daß zwar die de-


Man fragt vielleicht verwundert, warum der Adel überhaupt in den all¬
gemeinen Landtagsversammlungen und nicht vielmehr privatim diese Ange¬
legenheiten verhandelt? Darüber gibt ein Generalprotest des Adels, welcher
um Schluß des Landtags 1844 auf die Protestationen der bürgerlichen Guts¬
besitzer erfolgte. Aufschluß. Es heißt in diesem nämlich sud 1): „Wenn Einzelne
der Ansicht sind, daß Beschlüsse über Neceptionen in den eingebornen Adel
u»f den Landtagen nicht vorgenommen werden dürfen, weil dadurch die
Stinnnberechtigung derer, welche über Neceptionsangelegenheiten nicht mitstim-
Men. beschränkt werde, so widerspricht Dies dem klaren (?) Inhalt des
§. .147 des Erbverglcichs. nach welchem bei Ausübung von Stand und
Stimme auf den Landtagen die Beobachtung des Herkommens nicht ausge¬
schlossen, vielmehr ausdrücklich vorgeschrieben ist. Daß aber das Herkommen,
wonach über Neeeptiouen nur die Mitglieder des eingebornen :c. Adels stim¬
men können, ganz abgesehen von seiner viel ältern (?) historischen (??) und
rechtlichen (???) Begründung, scho» zu Zeiten des Erbvcrgleichs bestanden (!)
bat. erhellt aus den klaren (!!) Worten des §, ni7 desselben, welcher Begriff
lÜ!) und Namen (ja, aber nur diesen) des ciugebomcn und recipirten Adels
"«erkennt," Vergleiche man nun den oben angeführten dz. 167 mit dein
§- 147 des L. G. G. Erbvergleichs, welcher letztere lautet: §. 157: „Ge¬
stalt dem zu Folge alle und jede eingesessene Landstände aller dreier Kreise
in den Landtagen durch landesfürstliche Ausschreiben berufen und auf den
Landtagen, dem Herkommen gemäß, bei den darauf vorfallenden Handlungen
Ungehindert Stand und Stimme haben und behalten sollen."

Wir interpretiren diesen §. nun freilich nach der Auslegung, welche ihm
der Adel gibt, dahin, daß alle Handlungen, welche auf den Landtagen bis¬
her vorgenommen waren, dein Herkommen gemäß auch ferner geschehen dür¬
fen, obwol eine andere Art der Auslegung nahe liegt. Aber weiter kann das
Zugeständnis) nicht gehen; die Reception war im Jahre 1755 weder ein Her¬
kommen, noch ein altes rechtliches Herkommen, selbst — wie schon erwähnt
^ wahrscheinlich noch gar nicht näher bestimmt. Die Entscheidung über die
Rechtliche Seite der Neceptionsangelegcnheit steht einzig und allein einer, von
den bürgerlichen Gutsbesitzern mehrfach beantragten, unparteiischen historischen
u>'d darauf juristischen Untersuchung offen. —

Hatte nun der Landtag 1844 die Differenz zwischen den beiden Theilen
der Ritterschaft um ein Bedeutendes erweitert, so geschah dies in noch höherem
^'abe auf dem Landtag von 1845, welchen die bürgerlichen Gutsbe-
st^er in solcher Anzahl besuchten, daß sie wirklich — ein bis dahin nnerhör-
^6 Ereignis; — die Majorität bildeten. Hierzu hatte aber vornehmlich ein am
^> Oct.. also kurz vor der Eröffnung des Landtags, erlassenes landesherr¬
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[0263] Man fragt vielleicht verwundert, warum der Adel überhaupt in den all¬ gemeinen Landtagsversammlungen und nicht vielmehr privatim diese Ange¬ legenheiten verhandelt? Darüber gibt ein Generalprotest des Adels, welcher um Schluß des Landtags 1844 auf die Protestationen der bürgerlichen Guts¬ besitzer erfolgte. Aufschluß. Es heißt in diesem nämlich sud 1): „Wenn Einzelne der Ansicht sind, daß Beschlüsse über Neceptionen in den eingebornen Adel u»f den Landtagen nicht vorgenommen werden dürfen, weil dadurch die Stinnnberechtigung derer, welche über Neceptionsangelegenheiten nicht mitstim- Men. beschränkt werde, so widerspricht Dies dem klaren (?) Inhalt des §. .147 des Erbverglcichs. nach welchem bei Ausübung von Stand und Stimme auf den Landtagen die Beobachtung des Herkommens nicht ausge¬ schlossen, vielmehr ausdrücklich vorgeschrieben ist. Daß aber das Herkommen, wonach über Neeeptiouen nur die Mitglieder des eingebornen :c. Adels stim¬ men können, ganz abgesehen von seiner viel ältern (?) historischen (??) und rechtlichen (???) Begründung, scho» zu Zeiten des Erbvcrgleichs bestanden (!) bat. erhellt aus den klaren (!!) Worten des §, ni7 desselben, welcher Begriff lÜ!) und Namen (ja, aber nur diesen) des ciugebomcn und recipirten Adels "«erkennt," Vergleiche man nun den oben angeführten dz. 167 mit dein §- 147 des L. G. G. Erbvergleichs, welcher letztere lautet: §. 157: „Ge¬ stalt dem zu Folge alle und jede eingesessene Landstände aller dreier Kreise in den Landtagen durch landesfürstliche Ausschreiben berufen und auf den Landtagen, dem Herkommen gemäß, bei den darauf vorfallenden Handlungen Ungehindert Stand und Stimme haben und behalten sollen." Wir interpretiren diesen §. nun freilich nach der Auslegung, welche ihm der Adel gibt, dahin, daß alle Handlungen, welche auf den Landtagen bis¬ her vorgenommen waren, dein Herkommen gemäß auch ferner geschehen dür¬ fen, obwol eine andere Art der Auslegung nahe liegt. Aber weiter kann das Zugeständnis) nicht gehen; die Reception war im Jahre 1755 weder ein Her¬ kommen, noch ein altes rechtliches Herkommen, selbst — wie schon erwähnt ^ wahrscheinlich noch gar nicht näher bestimmt. Die Entscheidung über die Rechtliche Seite der Neceptionsangelegcnheit steht einzig und allein einer, von den bürgerlichen Gutsbesitzern mehrfach beantragten, unparteiischen historischen u>'d darauf juristischen Untersuchung offen. — Hatte nun der Landtag 1844 die Differenz zwischen den beiden Theilen der Ritterschaft um ein Bedeutendes erweitert, so geschah dies in noch höherem ^'abe auf dem Landtag von 1845, welchen die bürgerlichen Gutsbe- st^er in solcher Anzahl besuchten, daß sie wirklich — ein bis dahin nnerhör- ^6 Ereignis; — die Majorität bildeten. Hierzu hatte aber vornehmlich ein am ^> Oct.. also kurz vor der Eröffnung des Landtags, erlassenes landesherr¬ liches Rescript beigetragen, durch welches erklärt wurde, „daß zwar die de-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_186950/263>, abgerufen am 24.07.2024.